Das hatte ich schon fast verdrängt: Nach dem Ärger mit dem Cardo Scala Rider Q3 (Totalausfall bei Regen, Koppelungsprobleme) habe ich das Intercom-System gegen eines der Firma Sena getauscht. Die Wahl fiel auf das Model Sena 20S, welches mit hoher Konnektivität (9 Teilnehmern) und einer stabilen Verbindung über zwei Kilometer lockte. Soweit zumindest die Herstellerangaben.
Das Cardo hat uns vor allem im Regen im Stich gelassen und die Verbindung brachte unter diesen Bedingungen erst unangenehme Echos und schliesslich den Totalausfall. Das Trockenwischen der Kontakte ergab leider nur kurz oder gar keine Besserung. Erst nach vollständiger stundenlanger Abtrocknung aller Teile war das Cardo wieder zur Arbeit zu bewegen.
In Schottland 2015 hatte ich zudem immer wieder Probleme bei der Verbindung mit dem Cardo-System von Detlef und das Problem hat uns eine Woche lang jeden Tag genervt. (Jahaa, ich hatte beide Systeme vorher mit der neuesten Firmware versorgt! Wenn ich nervtötende Update-Orgien will, arbeite ich mit Microsoft-Produkten…)
Das Sena habe ich dann Anfang 2016 gekauft und erlaube mir nun ein Urteil nach einer Saison und etwa 18.000 Kilometern vom heissen Sardinien bis zum Dauerregen in Norwegen und Schottland.
Erster Eindruck beim Auspacken: Eine solide Verarbeitung und wesentlich hochwertigere Lautsprecher als beim Cardo. Der Einbau war genau so leicht (oder schwer) wie beim Cardo. In meinem Helm waren die Mulden etwa einen Millimeter im Durchmesser zu klein für die beiden Lautsprecher, da musste ich etwas nacharbeiten.
Die Adapterplatte für die Montage der Bedieneinheit habe ich auf meinem Nishua Enduro Carbon Helm (der eine echte Empfehlung ist!) mit den Klebepads befestigt, das hält absolut tadellos. Das Mikrofon ist im Pack wie alle anderen Teile auch doppelt enthalten. Jeweils zwei kleine Mikros mit Klebepads und zwei Schwanenhals-Mikros für Klapp- oder Jethelme liegen serienmässig bei. Ich habe mich für die Schwanenhals-Version entschieden weil das irgendwie für mich praktischer erschien. Beim Cardo hielt das Mikro auch nicht zuverlässig und fiel immer wieder im Helm ab.
Nach dem Einbau zunächst einmal der Funktionstest mit der Koppelung des iPhones und dem Einspielen von Musik. Kurzfassung: Hammer! Kein Vergleich zu dem Gekrächze beim Cardo. Das Sena bringt wirklich Audioqualität. Ich hab mich wirklich gleich richtig gefreut.
Nun zur Verständigung: Solange es eine Verbindung gab, war diese beim Cardo in Ordnung. Da kann das Sena nur punkten, weil die Lautsprecher deutlich besser sind. Spannend wurde es aber dann in Norwegen, wo wir den ersten echten Regentest durchführen konnten (und es HAT geschüttet!) Dem Sena war der Regen völlig egal. Auch wenn das Wasser an den Ärmeln schon unter der Regenkombi durchkam, das 20S hat immer noch völlig unbeeindruckt seinen Dienst verrichtet. Wasser von vorne, Wasser von der Seite, Wasser über Stunden – egal! Lustiges Details am Rande: Das Sena ist laut Herstellerangabe „spritzwassergeschützt“, das Cardo „wasserdicht“. In der Praxis ist es genau umgekehrt!
Was mich noch unabhängig vom Hersteller stört, ist die vollkommen übertriebene Angabe der Verbindungsreichweite. Alle Hersteller scheinen sich hier gegenseitig übertreffen zu wollen und lügen das sich die Balken biegen. Meine Erfahrung ist, dass spätestens nach 500 Metern die Verbindung anfängt zu knistern. Und das ist in meinen Augen völlig ok, denn wir reden hier immerhin von Bluetooth-Verbindungen. Ich nehme an, dass die Reichweite für viele das k.o.-Kriterium ist, daher die ausgesprochen optimistischen diesbezüglichen Angaben. Würde man hier eine Klage auf Basis der „zugesicherten Eigenschaften“ anstreben – der Erfolg wäre wohl mehr als realistisch… Zwei Kilometer? Leute – das klappt vielleicht bei Sichtverbindung unter dem Vakuum des Orbits, im Bereich geostationärer Umlaufbahnen, aber bestimmt nicht auf einer europäischen Autobahn!
Jetzt zur Bedienung und dazu ein Satz vorweg, liebe Hersteller: Mal ganz unabhängig vom Produkt – probiert das Zeug das ihr vertreibt mal vor dem Verkauf aus. Das könnte manchmal echt hilfreich sein. Cardo war diesbezüglich bestimmt ein Sonderfall. Die Bedienung erfolgt dort über vier Knöpfe in Dreifachbelegung mittles Tipp- und Haltemodi und diverser Signal-Quittungstöne. Mal ehrlich, wenn ich es kompliziert haben will mache ich ein Type-Rating für den Airbus A380. Ich will mich nur unterhalten und vielleicht mal Musik hören! (Warum jemand auf dem Motorrad telefonieren will, verstehe ich nicht!) Sena setzt diesem ganzen Funktionswahnsinn einen Drehknopf entgegen. Der ist zumindest logisch und einigermassen intuitiv zu bedienen. Zudem gibt es auch noch eine Lenker-Fernbedienung, auf die ich aber verzichten kann. Die Bedienung des Sena 20S über den Drehknopf ist ok und die mir wichtigen Grundfunktionen (Intercom, Radio, An, Aus) sind damit tadellos zu bedienen. Und zwar auch im Monsunregen!
Die Akkuleistung liegt bei beiden Systemen auf etwa gleichem Niveau. Beide halten auch einen langen Motorradtag im Dauereinsatz problemlos durch und lassen sich dann über jedem handelsüblichen USB-Stromadapter mittels Mikro-USB-Anschluss laden.
Die ganzen technischen Details wiederhole ich hier jetzt nicht. Wer mehr wissen will findet alles Wesentliche hier auf den Webseiten von Sena.
Hier vielleicht noch ein Tipp: Ich habe mir für Touren einen 24Watt Doppel-USB-Adapter von Anker bei Amazon gekauft. Damit lade ich jetzt iPad, iPhone, Intercom und Sony-Cam. Und das bei zwei Geräten auf einmal.
Fazit: Das Duell zwischen dem Cardo Scala Rider Q3 (komplette Saison 2015) und dem Sena 20S (komplette Saison 2016) fällt aber sowas von klar für Sena aus! Das Sena ist zwar mehr als 70,- EUR teurer als Cardo, es funktioniert aber dafür zuverlässig. Mach dich nicht unglücklich, der Mehrpreis ist sehr gut investiert. Klare Kaufempfehlung: Sena 20S!
Cardo Scala Rider Q3 Doppelpack (Elektroschrott) ca. 367,- EUR
Sena 20S Doppelpack (Amazon) 443,- EUR
(Ich traue mich nichtmal, das Q3 hier als Produkt zu verlinken…)
Geor 31/07/2017
Hallo,
vielen Dank für den Bericht, nur habe ich noch eine Frage:
Können die Navi Ansagen von allen die das Sena montiert haben gehört werden oder nur von einer Person?
Ich habe jetzt das Schubert System.. und da kann nur ich als Fahrer mit dem Navigationsgerät die Ansagen hören. Der Mitfahrer leider nicht. Es wäre aber oft hilfreich wenn der / die Mitfahrer auch wüssten wo es lang geht da ja die Kommunikation vor während und nach der Ansage vom Navi zu den Mitfahrern unterbrochen ist.
MfG,
Georg
ebee 01/08/2017 — Autor der Seiten
Hallo Georg,
ich nutze keine Navi-Ansagen, das nervt mich schon im Auto. Daher belasse ich es bei den Routeninformationen auf dem Display und habe das Headset im Helm frei für Unterhaltung oder Musik. Daher kann ich Dir nicht mit letzter Sicherheit sagen ob andere Teilnehmer die Naviansagen hören würden, kann mir das aber nicht vorstellen.
Gruss