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Spanien 2022

Heute morgen verabschiede ich mich von Georg, der mit seiner FJR in Richtung Deutschland zurückfährt.

Es ist warm heute früh, sehr warm. Selbst hier oben, in den Höhenzügen der Pyrenäen bin ich ganz froh, sobald ich auf dem Motorrad sitze und Fahrtwind bekomme.

Von Escarrilla fahre ich zuerst Richtung Jaca, am Stausee südlich des Ortes vorbei, dann weiter in den Hauptort der spanischen Comarca. Neben der Landstrasse wird fleissig gebaut. Sie basteln an einer neuen Schnellstrasse in Richtung Frankreich und speziell im Bereich Jaca sieht man die riesigen Schneisen, die in die schöne Landschaft geschnitten werden.

Mein erster Fixpunkt heute ist das alte Kloster Viejo de San Juan de la Pena. (Nee, ich bin kein Kirchgänger, aber das Foto des Gebäudes hatte mich neugierig gemacht)

Der erste Aufstieg erfolgt direkt südlich von Jaca. Unmittelbar hinter dem Ort haben sie aufgehört sich um die Strasse zu kümmern. Der Asphalt ist uneben (er besteht nur noch aus Buckeln, aber „uneben“ hört sich harmloser an…) und wenn gerade keine Delle in der Strasse bis in den Lenker hochschlägt, erfordern die Schlaglöcher meine Aufmerksamkeit.

Immerhin gibt es hier null Verkehr. Seit Jaca habe ich kein anderes Fahrzeug mehr gesehen. Georg wäre auch wohl jetzt schon bedient, denn der Strassenzustand ist nicht das, was er üblicherweise bevorzugt.

Den ersten Pass überquere ich oben im Wald. Der „Oroel“ scheint aber nicht jedem zu gefallen. Irgendwer hat das Schild übersprüht und einen neuen Namen vergeben.

Auf einer Lichtung zweigt die Strasse ab und es steht auch ein kleines Schild am Strassenrand mit dem Hinweis auf das Kloster. Ein paar Meter weiter sehe ich zudem einen weiteren Hinweis auf den Jacobsweg, auf dem ich mich jetzt befinde.

Schon in den vergangenen Tagen habe ich immer wieder mal Pilger gesehen, die neben der Strasse unterwegs waren. Hier heisst es halt „Camino de Santiago“.

Vom neueren Kloster „San Juan de la Pena“ gefällt mir nur das Portal. Das Hauptgebäude ist nicht so ganz mein Geschmack und erinnert eher an ein Gefängnis. Dieses Kloster steht oben im Wald und von dem eigentlichen, schönen Gebäude am Felsen, ist noch nichts zu sehen.

Der Bau ist offensichtlich nicht so alt und sehr langgezogen. Ich spare mir eine nähre Betrachtung und fahre nach einem Foto weiter.

Dieser recht neue Bau ist ohnehin nicht das, was ich sehen wollte. Ein paar Kilometer weiter muss es noch etwas besseres geben. Ein uraltes Gemäuer, direkt unterhalb einer Felswand. Da will ich hin.

An einer Bergab-Passage sehe ich das Kloster dann. Die kleine Strasse führt direkt daran vorbei. Die Anlage liegt trotzdem etwas versteckt unter grossen Bäumen. Aber einsam ist es und ich bin der einzige Besucher hier. Die Türen sind zudem verschlossen und deshalb gibt es für mich nur einen verstohlenen Blick durch eines der vergitterten Fenster.

Immerhin kann ich mir in Ruhe die Anlage von aussen anschauen, bevor ich mich wieder auf den Weg mache.

Dieser Vormittag bietet die totale Ruhe, null Verkehr, weite Landschaften und Traumwetter. Ich könnte es mir gerade nicht besser vorstellen.

Alle paar Meter halte ich an und bewundere das fantastische Panorama, hier im Westteil der Pyrenäen.

Mein Plan ist heute wieder etwas mehr in die Höhen der Gebirgskette zu fahren und ich gebe Sigües als Navigationsziel ein. Zuerste geht es durch die Hochebene des Aragon, dann weiter in Richtung Navarra.

Der Weg führt durch das schmale Tal des Rio Esca. Die Strecke ist ziemlich bewaldet und grün, was mir heute angesichts des Sommerwetters entgegen kommt. Ich denke, später im Westen und Süden Spaniens werde ich noch genug Hitze erleben. (Spoiler: Und wie!)

Kurz vor Salvatierra biege ich ab in ein Seitental, das mich zur Grenze zwischen den Regionen Aragonien und Navarra führt.

Das tiefe, enge Tal ist super. Ich fahre auf einer ebenso engen Strasse oberhalb des Flusses, der unten zwischen den Felsen fliesst.

Auf dem Weg dorthin geht es deutlich in die Höhe, mit hervorragenden Strassen. An einem kleinen Abzweig, den man leicht verpasst, kann man in Richtung „Foz de Arbaiun“ abbiegen. Das ist ein Naturschutzgebiet, welches im Wesentlichen die Schlucht des Rio Salazar umfasst. Hier hat sich der Fluss tief ins Gestein eingegraben und einen imposanten Canyon geschaffen.

Diese wirklich tolle Schlucht mit einem Aussichtspunkt, dem „Mirador de Iso“ ganz oben auf den Klippen, ist berühmt für ihre Population an Adlern. Ich kann zwar keine der Vögel entdecken, aber die Auffahrt hierher hat sich trotzdem gelohnt.

Später komme ich in die Region um Pamplona. Städtereisen sind mir ein Graus und ich hatte nicht vor, mir Pamplona anzuschauen. Irgendwie habe ich keine Lust dazu, alleine in einer grossen Stadt mit viel Verkehr und Hektik umher zu kurven. Da müsste es schon echte Highlights geben, ansonsten fühle ich mich abseits von Touristenströmen meistens viel wohler.

Unterwegs fange ich an zu überlegen. Soll ich die achtzig Kilometer bis zur Küste noch fahren? Und wenn ja, wozu? Muss ich das machen, um sagen zu können, ich habe die Pyrenäen coast-to-coast gefahren? Darf ich auch sagen, ich habe mir die letzten Kilometer geschenkt?

Bestimmt darf ich das.

Im Prinzip liegen meine nächsten Routenpunkte in den „Picos de Europa“ , dem hohen Gebirge in Nordspanien. Bis dorthin sind es noch gut 350 Kilometer und das schaffe ich heute nicht mehr. Für das Tagesende ist es aber noch zu früh. Irgendwas war da noch, ich habe noch ein Zwischenziel im Kopf: Die Bardenas Reales.

Die Bardenas Reales: Das ist eine grosse Halbwüste im Süden der Region Navarra. Und da ich gerade noch in Navarra bin, wäre das vielleicht einen Abstecher wert?

Ich checke mal mein Navi und die Route: Etwa 100 Kilometer müsste ich nun in Richtung Süden fahren, statt nach Nordwesten. Das wäre kein Problem und bestimmt lohnt es sich.

Das Navi führt mich weiter am Aragon-Fluss entlang. Meist geht die Landstrasse über weite Strecken durch ziemlich einsame Gebiete und kleine Dörfer, die jetzt am frühen Nachmittag wie ausgestorben daliegen. Die Spanier entfliehen der Hitze und machen Siesta, ich sitze auf der Tenere und lasse die Maschine laufen.

Zwischendurch komme ich an verbrannten Gebieten entlang. In Andalusien hat es in den vergangenen Jahren sehr wenig geregnet. Offenbar war es hier nicht viel besser. Einmal mache ich ein Foto von den verbrannten Bäumen und Sträuchern, aber es sind bei weitem nicht die einzigen Stellen, die schwarz verkohlt daliegen.

Die Fahrt alleine durch die Prärie hat immer etwas meditatives. Ich beschäftige mich gedanklich mit den Bardenas: War das jetzt eine Schnapsidee von mir? Lohnt sich der Umweg?

Mein Rätsel löst sich von selbst, als ich die Region erreiche. Der erste Eindruck: Wow, das ist viel grösser als ich dachte! Rein optisch würde die Gegend hier auch als Arizona oder Nevada durchgehen. Soweit das Auge blicken kann, ist die Landschaft tatsächlich staubtrocken und wüstenartig. Super! Ich stehe am Rand der Bardenas Reales und bin jetzt schon begeistert.

Soweit ich gerade schauen kann gibt es keine Ortschaften, keine Häuser, keine Bauernhöfe, keine Wälder, keine Bäume. Der Asphalt ist auch zu Ende und die Strecke geht nur als Schotterstrasse weiter in die scheinbar unendliche Ebene. Irgendwo hier muss es noch einen militärischen Sperrbereich geben, aber sehen kann ich das Gelände nicht. Ich nehme an, die Spanier haben das abgesperrt und eingezäunt. Hier ist aber gerade gar nichts, ausser einem Deutschen und einem japanischen Motorrad.

Ich habe absolut keine Ahnung was ich jetzt machen und wohin ich fahren soll. Hier gibt es keine Schilder und das Navi kann ich auch nicht fragen, ich wüsste ja nicht mal wonach?

Vor etwa einer Stunde, an einer kleinen Tankstelle, irgendwo auf dem Weg hierher, habe ich getankt und zwei eineinhalb Liter Flaschen Wasser gekauft. Ich habe also genug Sprit und genug zu trinken. Von daher muss ich mir keine Sorgen machen und kann einfach die Schotterpiste geniessen. Irgendwo wird die schon hinführen…

In die Bardenas Reales habe ich mich jetzt schon verliebt. Selbst die Berge sehen aus wie in den USA. (Oder die in den USA sehen aus wie in Spanien, wie du willst…)

Einmal komme ich in der Ebene an einer kleinen Hütte vorbei. Die steht wirklich mitten im Nirgendwo und auf mich macht sie den Eindruck einer Filmkulisse. Also wer schon mal in irgendeinem Film so eine Hütte gesehen hat, möge mir bitte Bescheid geben.

Wenn ich hier aber heute verloren gehe, merke ich mir die Stelle und übernachte in dem Haus!

Dann komme ich an den Ort, den wahrscheinlich jeder schon mal auf Fotos gesehen hat. Hier hat die Erosion einen Kegelhügel geschaffen, dessen prägnante Form wohl das typische Bild der Bardenas Reales darstellt.

Entweder bin ich hoch ansteckend oder habe Glück. Da ausser mir mal wieder niemand da ist, habe ich dieses wundervolle Fotomotiv für mich alleine. Elmar gefällt das!

Ich könnte hier noch stundenlang rumfahren und mache das dann auch. Sand, Steine und Schotter, soweit das Auge reicht. Ab und zu steht irgendeine alte verlassene Hütte rum und einmal eine kleine Statue, die ich aber nicht identifizieren oder zuordnen kann.

Die Bardenas Reals sind seit dem Jahr 2000 UNESCO-Biosphärenreservat. Ich weiss nicht wieso, finde das aber trotzdem gut!

Später finde ich dann doch noch das Militärgelände, das wie erwartet abgesperrt ist. Soweit ich mich an meine Recherchen im Vorfeld erinnern kann, hat die spanische Luftwaffe hier ein Testgelände für Bombenabwürfe abgeteilt. Heute ist der Luftraum bisher ruhig, deshalb mache ich mir auch keine Sorgen, zum Zielobjekt zu werden.

Dann verlassen ich die Bardenas über Arguedas und folge dem Ebro, dem grössten Fluss in Nordspanien Richtung Nordwesten. Ich bin unglaublich froh, dass ich den Abstecher zu den Bardenas Reales noch gemacht habe. Was für eine wunderschöne, einsame Gegend!

Bei Calahorra finde ich eine kleine, private Pension. Das spanische Ehepaar ist schon etwas älter und offenbar froh über die Abwechslung. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie hier in der Weite des Landes jeden Abend Gäste haben. Die Frau des Hauses heisst Maria und sorgt für ein einfaches, für mich aber perfektes Abendessen.

Anfangs habe ich ein paar Schwierigkeiten mit dem für mich schwer verständlichen Dialekt des Hausherrn, aber später klappt es dann immer besser. (Vielleicht liegt das auch an der Weinflasche, die wir dann gemeinsam leeren?!) Wir sitzen in einem kleinen Innenhof am Ortsrand und schauen über die Hügel in die Ferne, direkt nebenan steht eine uralte kleine Kirche, die auch für den vergessenen Aufbewahrungsort des „Heiligen Grals“ aus einem Dan Brown Roman herhalten könnte. Jedenfalls bin ich mal wieder rundum zufrieden.

Später am Abend erfahre ich dann, das Gemäuer wäre ein Kloster und die Spezialität der Nonnen wären besondere Kekse. Ich bin aber pappsatt will gerade auch keine Vorräte für den nächsten Tag anlegen…

Das war ein wunderschöner Fahrtag mit fantastischen Landschaften und Traumwetter, danach ein entspannter Abend mit sehr netten Menschen. Was will man mehr?

Am nächsten Morgen nehme ich mir vor, einfach nur die Gegend zu geniessen. Ich fahre weiter den Ebro entlang und durchquere heute das Rioja-Weinbaugebiet. Wenn es richtig heiss ist, trinke ich auch mal ein Bier, aber ansonsten bin ich ein grosser Weinfan. (Von meiner grössten Leidenschaft, schottischem Single Malt, mal abgesehen…)

Insofern fühle ich mich heute wie zuhause. Soweit das Auge reicht fahre ich den ganzen Morgen durch Weinberge. Immer wieder stehen Hinweisschilder der Winzer und Weingüter am Strassenrand und ich würde zu gerne eine Weinproben mitmachen. Leider ist das mit meiner Reiseart inkompatibel.

Mich beeindruckt die ausgesprochen gepflegte Erscheinung der Region. Alles ist wirklich perfekt hergerichtet. Man sieht förmlich, mit welcher Liebe und Hingabe die Weinstöcke behandelt werden. Und immer wieder stehen kleine Werbeschilder der Winzer am Strassenrand und laden zu Weinproben ein.

Jetzt fahre ich durch das Baskenland, das in Spanien als autonome Region eine Art Sonderstellung geniesst und auch kulturell einige Eigenarten zu bieten hat.

Mir bleiben einige Orte in Erinnerung, die in der Mitte eine Burganlage oder Kirche auf einem Hügel als markanteste Punkte haben. Das waren auf jeden Fall eine ganze Reihe. Es kann aber auch sein, dass es mir nur so in Erinnerung geblieben ist und auch in anderen spanischen Regionen diese Besonderheiten gibt. (Alle Regionen kenne ich auch noch nicht…)

Mein Tagesziel wäre die Gegend um Burgos, die Hauptstadt der Region Kastilien und Leon, aber durch meine Bummelei heute wird das vermutlich nichts.

Ich schaffe es nur bis Briviesca, am Rande des Izki Nationalparks. Da ich unterwegs keine passende Bleibe finde, muss Booking mich retten. Es wird ein grosses, aber auch nichts sagendes Hotel an Rand einer Landstrasse. Ich bin zunächst skeptisch, denn das Haus ist so gar nicht mein Stil. Von der Art kenne ich hundert namenlose Varianten in Sichtweite deutscher Autobahnabfahrten, die ich in den vergangenen Jahren zwangsweise für Kundenbesuche buchen musste.

Aber schliesslich zahle ich fünfzig Euro für ein richtig gutes Zimmer in einem Hotel mit Biergarten und angeschlossenem Restaurant. Heute siegen meine Bequemlichkeit und die Tatsache, dass der Fahrtag bei deutlich über 30 Grad im Schatten nicht länger sein muss als unbedingt nötig. (Das Haus ist wesentlich besser als die zweifelhafte Absteige in Escarrilla)

Bevor ich jetzt Feierabend mache, steht aber noch die Fahrzeugpflege auf dem Programm, also die Inspektion der Tenere. Ich habe das Gefühl, es wäre mal wieder an der Zeit sich der Technik zu widmen. Ich checke die Laufflächen der Reifen, Reifendruck, Haupt- und Gabelfedern, Kette und Motoröl, sowie alle Anbauteile. Alles sieht gut aus. Meine Tenere verbraucht praktisch kein Öl und ich weiss nicht, ob das bei allen Tenere 700 so ist. Bisher musste ich noch nie ausserhalb geplanter Inspektionstermine nachfüllen.

Dabei hocke ich so auf einem gekennzeichneten Parkplatz vor dem Hoteleingang und arbeite am Motorrad, als ein belgischer Minibus direkt neben mir anhält. Der Fahrer steigt aus, die Familie steigt aus, alles schreit durcheinander und diverses Gepäck fliegt durch die Gegend. Die Ruhe ist vorbei und ich fühle mich wie ein Fremdkörper. Schliesslich platzt mir der Kragen, als der Fahrer mich mit einem Rollenkoffer von hinten einfach zur Seite schiebt, als ob ich gar nicht da wäre. Weitere Fakten dazu darf man nicht mehr schreiben.

Ich schmeisse meine Klamotten ins Hotelzimmer, dusche kurz und setze mich dann für den Rest des Tages faul in den Garten, bei kühlem !Bier! und einer Pizza. (Ich weiss: Unpassend, nicht stilecht! Sag es bitte nicht weiter!) Also, du erwartest jetzt, dass ich hier Tapas esse, Rioja trinke und mit dem Kellner spanische Anekdoten austausche: Tja, Pech gehabt. Heute trinke ich nur Bier und esse Pizza…

Briviesca liegt etwas südlich der nordspanischen Gebirgsketten. Da es mich in die Picos zieht, steuere ich also in Richtung Norden.

Über Ona und Villarcayo führt mich die Route am Morgen, danach geht es über kleinste Strassen in eine Sierra.

Hier habe ich noch einen besonderen Spot ausgesucht: Das Kloster „San Bernabe“ soll ein besonders interessanter Ort sein.

Eigentlich geht es vorrangig um das riesige Höhlensystem, an dessen Eingang am Steilhang klosterartige Gebäude stehen. Der Name dieses seltsamen Ortes ist „Cueva Ermita de San Bernabe“. Über einhundert Kilometer unterirdische Gänge mit achtzehn Haupthöhlen soll es hier geben. Ich fürchte, wenn ich das ablaufen will, komme ich erst im Oktober in Andalusien an…

Es gibt einen kleinen Parkplatz, an dem ich die Tenere abstelle und mich dann auf den Fussweg zum Eingang mache.

Der Eingang des Höhlensystems ist eher unspektakulär. Man sieht nur drei kleine Portale, die an Kircheneingänge erinnern. Sie liegen unterhalb einer Felsklippe und es sind auch hier nur wenige Besucher anwesend.

Ich schaue mir den Eingang zunächst aus der Entfernung an, werde dann aber doch neugierig, was sich dort verbirgt.

Direkt hinter dem rechten Tor befindet sich die kleine Kasse und es werden geführte Touren durch einen Teil der Höhlen angeboten. Leider hat sich eine Tour gerade eben auf den Weg gemacht und auf die nächste müsste ich etwa 45 Minuten warten, zudem dauert die Führung eine gute Stunde.

Hmm, ich habe wirklich keinen engen Zeitplan, aber insgesamt zwei Stunden? Und eine drei viertel Stunde warten vor dem Eingang, wo es ausser einer 200 Quadratmeter Grasfläche gar nichts gibt?

Wenn ich jetzt ohne den Besuch der Höhle weiterfahre, schaffe ich es wahrscheinlich noch bis in die Picos. Zudem verspricht die Anfahrt dorthin noch viel Motorradspass und ein paar verlockende Pässe.

Ich entscheide mich für die Weiterfahrt, behalte San Bernabe aber im Hinterkopf. Ich denke, Nordspanien werde ich mit grosser Sicherheit nochmal bereisen.

Nach der Abfahrt geht es zunächst durch ein etwas flacheres Gelände in Richtung Ebro-See, der etwas westlich von San Bernabe liegt.

Ich entscheide mich für die südliche Route am See entlang, die wirklich schön ist.

Der erste erwähnenswerte Ort ist Arija und kurz hinter dem Ortsausgang verlasse ich kurzzeitig Kastilien und Leon und erreiche Kantabrien. (Die Picos liegen später wieder in Kastilien und Leon…)

Im Navi habe ich nun „Potes“ eingegeben. Der Ort gilt als Einstieg in die Picos de Europa, aber so leicht komme ich da nicht hin. Zwischen mir und Potes liegt noch ein weiteres Gebirge, das man nicht queren kann.

Ich habe nur zwei Möglichkeiten: Einen grossen Umweg in Richtung Norden oder einen grossen Umweg in Richtung Süden. Da der bekannte Palombera-Pass auf der Nordroute liegt, werde ich diese Variante fahren.

Die Landschaft sagt mir: Alles richtig gemacht. (Wahrscheinlich ist es egal, die Südroute wäre wohl ebenfalls schön gewesen…)

Auf den nächsten sehr schönen, sehr hohen und sehr kurvigen Kilometern umfahre ich Unmengen Pferde, Ziegen und Kühe.

Solltest du hier mal lang fahren, pass bitte auf: Die Kühe stehen am liebsten hinter engen, uneinsehbaren Kurven im Weg rum. Im Verhalten sind die Tiere also Snowboardfahrern extrem ähnlich…

Aber, zurück zum eigentlich Thema. Das ist ein schöner Pass und er bietet eine gute Einstimmung für die Picos.

Ein weiterer Vorteil der Strecke ist die Fahrt in der Höhe. Hier oben entgeht man der Hitze in den Tälern und genau diese Hitze werde ich später noch genug erleben.

Kurz hinter dem Palombera-Pass gibt es noch den bekannten Aussichtspunkt „Balcon de Cardosa“.

Hier darfst du ruhig wieder anhalten, denn auf dem kleinen Podest neben der Strasse steht eine schöne Statue und dahinter hat man einen wundervollen Ausblick auf die Weite des spanischen Berglands.

Bei „Puentenansa“ muss ich mich wiederum entscheiden. In Richtung Süden über die C-281 oder in Richtung Westen, weiter auf der 282. Da ich vorher die Nordroute „gewürfelt“ habe, ist jetzt wohl die Südstrecke dran?!

Kur gesagt, es passt. Die Strasse ist noch kleiner, noch kurviger und die Felswände noch steiler.

Einer der schönsten Abschnitte ist die Anfahrt zum Stausee „Embalse de la Cohilla“. Die Staumauer kann man schon vorher beim Aufstieg erkennen. Das „Gemäuer“ sieht aus wie aus einem James-Bond-Film.

Der Beton hat schon reichlich Patina und insgesamt kommen in mir Zweifel auf, ob das Ding noch hält. Der Gesamteindruck ist irgendwie „verranzt“ , also auf gutem Weg in den Zustand deutscher Autobahnbrücken. (Darauf komme ich später nochmal zurück…)

Oben an der Staumauer mache ich einen Stopp und fotografiere die Strasse, die mich gerade hierher geführt hat.

Der Stausee selbst ist jetzt im Hochsommer nahezu leer. Das sieht gerade ähnlich aus wie bei mir unten in Andalusien. Da hat es in den vergangenen zwei Jahren fast gar nicht geregnet.

Mittlerweile bin ich im nordspanischen Motorradhimmel. Die Gegend und die Route sind so gut, dass ich mich nur noch vom Navi leiten lasse und die Fahranweisungen blind befolge. Das Garmin ist der Meinung, ich solle noch einen drauflegen und lotst mich geradewegs ab in die Berge. Nach der dritten Sackgasse, wahlweise im Wald oder vor einem Abgrund, komme ich wieder zu mir und bewerte die Routenführung als vollkommenen Unsinn.

Hier geht es einfach nicht weiter. Es gibt keinen Weg über den Gebirgskamm, egal welche der absurden Varianten ich auch versuche. Endstation Nummer drei ist auf einer Kuhwiese vor einer Schlucht. Keine Ahnung, wieso das Navi mich dorthin haben will. Vielleicht ist es der Meinung, nach den Picos hat man alles gesehen?

Mein letztes Foto dieser Zeitvergeudung mache ich schon leicht frustriert, etwa drei Kilometer vor besagter Kuhweide. (Das Verbotsschild steht diesmal völlig berechtigt!)

Schliesslich fahre ich die ganze Strecke zurück und verliere eine gute Stunde. Ich kann nicht mal mehr sagen, wo genau es mich so erwischt hat. Nur, dass ich die „richtige“ Strasse nach Potes natürlich irgendwann wiederfinde…

Potes ist schön anzusehen und der erste Ort, den ich hier seit langem mit dem Attribut „touristisch“ belegen würde. Es ist auch richtig was los. Nachdem es bisher an diesem Tag fast menschenleer war, stellt Potes diesen Eindruck auf den Kopf. Aber das ist ok, diese Abwechslung kommt mir entgegen.

Sehenswert ist zum Beispiel der „Torre del Infantado“ und die Hauptstrasse oberhalb des Flusses, an der sich Restaurants und Bars aneinander reihen.

An der „Casa del Oso“ hängt ein Banner mit einem Bären. Da fällt mir glatt wieder ein, wieso ich hier unbedingt hin wollte: Es gibt in den Picos de Europa, ganz weit oben, an einer der höchsten befahrbaren Stellen, eine Statue (aus Sandstein?) mit einem Bären. Genau dort will ich unbedingt hin. Da haben sich schon einige Motorradfahrer fotografieren lassen und selbstverständlich kann ich das nicht auslassen!

Potes verlasse ich mit frischem Proviant und genug Wasser für den Rest des Tages. Leider vergesse ich zu tanken. (Das bemerke ich aber erst später…)

Dafür ist es wieder richtig heiss geworden. Wenn es schon hier in den Höhen so warm ist, wie wird es dann erst später in den Ebenen der Extremadura oder in der Gegend um Sevilla, die als eine der heissesten Regionen Spaniens gilt? Na gut, darüber mache ich mir dann Gedanken wenn ich dort bin. Jetzt geht’s zum Bären!

Hinter Potes fährt man praktisch nur noch Kurven. Diese unterscheiden sich durch Kurven hinauf und Kurven hinab. Das sind aber Kurven, die meistens schön flüssig zu fahren sind. Nichts, was dir irgendwie Probleme bereitet. Man ist schnell in einem richtig guten „Flow“.

Alle, die gern zügig unterwegs sind, dürften hier richtig sein.

Und immer gibt es unglaubliche Aussichten in die Weiten der spanischen Sierras.

Bei der Anfahrt aus Richtung Potes kommt man dann am „Mirador del Corzo“ vorbei. Ich würde ja sagen, die Spanier haben sich das leicht gemacht und einfach das Reh (Bock? Hirsch? Kitz?) vom „Balcon de Cardosa“ heute Vormittag kopiert. Na gut, das Geweih (die Hörner?) fehlen, aber sonst…

Ein paar Kilometer weiter kommt man dann an einen Abzweig zum „Collado de Llesba“. Hier geht also hoch zum Bären, ich freue mich schon und bin gespannt ob sich das gelohnt hat.

Es sind die spanischen Gipfel, die es auch mit den Alpen aufnehmen könnten. Vielleicht nicht mit den absoluten Höhen, aber sich in Sachen Silhouette. Hier sind wir also schon mal richtig!

Der gleichen Meinung sind auch ein paar Paraglider, die sich vor einer Traumkulisse auf den Flug vorbereiten.

Am Ende der One-way-Bergstrasse, auf etwa 1.700 Metern, gibt es einen kleinen Parkplatz und von dort sind es nur wenige Schritte bis hinauf zum Bären.

Und dann stehe ich endlich vor ihm:

Da ich mal wieder alleine hier oben bin, muss ich das Beweisfoto wohl oder übel selbst herstellen. Mittels Bluetooth-Fernauslöser erledige ich noch schnell die Tagesaufgabe…

Während ich die Gipfel noch auf mich wirken lasse, bemerke ich die Ruhe hier oben. Da ist nicht mehr viel um einen herum und man fühlt sich wirklich dem Himmel ganz nah. Ich stehe ja auf sowas!

Halte mich für sentimental oder theatralisch, aber solche Tage in solchen Gegenden sind genau meins. Das kannst du nicht einfach bezahlen und All-inclusive buchen, da musst du bis ganz nach oben schon selbst hinfahren. Und wenn du dann angekommen bist, sind das diese unvergesslichen Momente.

Muss ich jetzt wieder runter? Hmmm… Na gut.

Es ist schon später Nachmittag und vielleicht sollte ich mich langsam um eine Übernachtung kümmern? Die Picos sind zwar nicht die bekannteste Region Europas, aber bei den Spaniern durchaus ein Begriff. Alleine bei dem Gedanken an den Rummel in Potes schwant mir, dass ich die Zimmersuche heute vielleicht nicht so ganz lange hinauszögern sollte?

Zudem kann ich nicht mehr beliebig weit fahren, denn mein Kilometerzähler meldet mittlerweile 323 Kilometer seit der letzten Tankfüllung, während die Tankanzeige schon eine ganze Weile blinkt. Sechzehn Liter passen in den Tank der Tenere und ich rechne mit knapp 400 Kilometer Reichweite bei meiner Fahrweise. (Ja, stimmt, ich fahre eher entspannt und geniesse lieber die Landschaft…)

Das mag ich ja in Spanien: Du hast fast überall ein Mobilfunknetz, selbst hier oben. Insofern darf ich ein bekanntes Buchungsportal für meine heute Herberge bemühen. Ich entscheide mich für das „Cumbres Valdeon“ im Örtchen „Posada de Valdeon“. (Die Entscheidung fällt mir leicht, denn es ist das einzige freie Bett innerhalb meiner Rest-Tankreichweite…)

80 Euro ruft Booking auf, aber das erscheint mir eher teuer. Ich wähle die Risikovariante und bete, das letzte Zimmer bucht mir niemand weg, bis ich ankomme.

Meine Hoffnung auf eine Tankstelle während der Fahrt zum Hotel schwindet im Ort „Portilla de la Reina“. Zwanzig Häuser scheinen für Repsol, Cepsa und Co kein lohnenswerter Standort zu sein. Langsam wird es eng. Ich denke es ist an der Zeit, den tatsächlichen Aktionsradius der Yamaha Tenere 700 zu testen.

Und wo würde man lieber mit leerem Tank stranden als hier oben? (Eventuell an einer befahrenen Strecke von Autos mit Reservekanister im Kofferraum?!)

Meine Spritsorgen verflüchtigen sich beim Anblick der höchsten Gipfel der Picos.

Der höchste ist der „Torre de Cerredo“ mit immerhin 2.648 Metern und der Bergkamm liegt heute Abend praktisch direkt hinter meinem Zimmer mit Aussicht.

Das Hotel ist einfach, aber es gibt eine urgemütliche Bar und ein Restaurant mit Spezialitäten der Region. Dazu sehr nette Wirtsleute und ein Bier in der Abendsonne auf der Terrasse vor dem Haus.

Die Tenere steht sich hinter dem Gebäude und beim Abpacken streiche ich noch einmal über den Tank, vielleicht hilft es?!

Als ich es mir auf der Terrasse gemütlich mache, kommt eine Gruppe acht spanischer Männer von ihrer Bergtour zurück. Ich erfahre, sie sind schon seit dem frühen Morgen unterwegs und machen ihre jährliche Wandertour. Nach dem dritten (wohlverdienten) Feierabendbier werden sie von ihren Frauen mit Autos abgeholt. (Drei toxische Sätze, die in Deutschland heute manche „Menschen“ schon hyperventilieren lassen…)

Ich lege mich am späten Abend in mein urgemütliches Zimmer und schlafe wie ein Stein. (An der winzigen Rezeption habe ich gestern Abend übrigens nur 50 Euro in bar bezahlt, nicht die aufgerufenen 80 des Portals, das aber nur am Rande…)

Google hat mir gestern Abend die nächste Tankstelle in Riano am gleichnamigen Stausee empfohlen. Bis dahin sind es heute früh noch 32 Kilometer und die werden bestimmt „spannend“, zumal ich vorher auch noch über den Panderrueda-Pass muss.

Ich beginne zu rechnen: Bei knapp vier Litern Verbrauch auf hundert Kilometer brauche ich also noch etwa 1,3 Liter im Tank, dann könnte das klappen.

Die Anfahrt zum Panderrueda ist bitter kalt. Das Display zeigt mir 11 Grad an und ich bin noch nicht mal oben! Normalerweise komme ich mit meiner Sommerkombi gut klar, aber jetzt gerade würde ich mir eine dritte Lage wünschen…

Auf der Passhöhe sind es nur noch 10 Grad, dafür geht es ab jetzt bergab.

Die Strecke nach Riano ist wieder richtig schön. Das Licht am Morgen lässt Berge, Felsen und Felder erstrahlen und die Ruhe um mich herum ist wunderbar.

Ich komme dann an den Ausläufern des Riano-Stausees an und der Motor schnurrt immer noch wie ein Kätzchen. Als ich über eine Brücke fahre, sehe ich links von mir eine kleine Strasse, die direkt in den See läuft. Die Strasse scheint schon älter zu sein und wurde vermutlich überflutet, als man den See aufgestaut hat.

Ich denke, das wäre ein tollen Fotomotiv und will schon umkehren und die Tenere für einen guten Schuss am Morgen in Position bringen, als mir mein Hauptjob wieder einfällt: Elmar, du musst tanken, provoziere es nicht!

Die Tankstelle in Riano erreiche ich schliesslich ohne Probleme, aber vor mir steht eine Gruppe von etwa zehn spanischen Motorradfahrern, die alle an die Zapfsäulen wollen. Die Spanier haben ja die Ruhe weg und jeder Einzelne erledigt seine Aufgabe mit dem Gleichmut eines buddistischen Mönchs: Absitzen, abpacken, tanken, rumkramen, bezahlen, wieder rumkramen, quatschen, aufsitzen, abfahren. (Erwähnte ich schon mal, dass mir „Geduld“ vollkommen unbekannt ist?)

Ich kann mich nur meinem Schicksal fügen und zerknirscht warten, bis ich an der Reihe bin. Weiterfahren und die nächste Tankstelle suchen, ist gerade keine meiner Optionen.

Als ich endlich an der Reihe bin steigt die Spannung. Die Zapfpistole klackt bei 15,6 Liter. Vielleicht hätte ich doch weiterfahren können? Warte mal, null komma vier Liter würden mich etwa neun Kilometer weit bring… Ähm, ok, lassen wir das.

Mit vollem Tank geht es jetzt weiter. Ab hier werde ich nun in Richtung Süden fahren und die nordspanischen Sierras mit den Picos verlassen. Etwas wehmütig mache ich die letzten Fotos am Rand des Sees mit den sich wunderbar spiegelnden Bergen.

Am Ende fahre ich an die Staumauer und halte auch dort nochmal für Fotos. Jetzt gleich steht „Kilometer machen“ auf dem Programm.

Ich denke, etwa bis Salamanca wird nicht viel Aufregendes kommen und bis in die Provinzhauptstadt, die gleichzeitig UNESCO-Weltkulturerbe ist, sind es ungefähr 300 Kilometer.

Unterbrochen wird die Fahrt nochmal an den Ausläufern des Riano-Gebirges. Querab der Landstrasse erspähe ich aus dem Augenwinkel eine alte Brücke und dahinter ein verfallenes Fabrikgebäude. Sowas weckt meine Neugier, das kann ich nicht links (Sorry: rechts) liegen lassen.

Ich drehe kurz um und schaue mir das nicht abgesperrte Gelände an, das mir nach einer Art Tagebau aussieht. Ausser Schutt und verfallenden Gebäuden kann ich aber nichts weiter erkennen.

Die folgenden Stunden sehen dann aus wie erwartet. Die Landschaft ist flach, die Strasse schnurgerade und die Gegend ohne Fixpunkte. Die einzige Abwechslung stellen kleine Orte dar, die ich dann und wann durchfahre.

Interessanter wird es erst auf der „Via de la Plata“, der spanischen Silberstrasse, auf der ich seit León unterwegs bin. Manche bezeichnen die 800 Kilometer lange Route auch als „Route 66 Spaniens“, was insofern korrekt ist, da die Nationalstrasse N-630 teilweise neben der A-66 Autobahn verläuft.

Neugierig werde ich, als ich neben der Strasse seltsame Mauerreste in den Hügeln erblicke. Das muss irgendwo in der Gegend um Fresno de la Vega sein. Was zunächst wie Ruinen aussieht, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Erdhäuser. Manche sind verlassen und die Eingänge verfallen. Andere sind aber bis heute bewohnt und offenbar im guten Zustand.

Wie weit die „Wohnungen“ in die Hügel hineingebaut wurden, kann man gut an den Kaminen erkennen, die an vielen Stellen oben aus den Erdhügeln hervorkommen.

Jedenfalls scheint es sich nicht nur um zwei oder drei dieser Relikte zu handeln, denn die Erdwohnungen erstrecken sich über mehrere Kilometer neben der N-630.

Teilweise stehen die alten Eingänge neben eher modernen Wohngebäuden.

Es gibt aber auch komplette Hügel, die mit Eingängen und Kaminen gespickt sind. Ich würde mir gerne ein solches Haus von innen anschauen, aber ich finde keine Gelegenheit für einen Besuch. Entweder es handelt sich um bewohnte Häuser oder die Eingänge sind verschlossen. Nirgendwo sehe ich ein Schild, das auf eine Möglichkeit zur Besichtigung hindeutet, schade.

An Salamanca fahre ich vorbei und verlasse dann die Silberstrasse, um mich näher an die Grenze nach Portugal zu bewegen. Es sind jetzt 34 Grad und ich denke (noch), es ist warm genug. Weiter geht es über Ciudad Rodrigo, südöstlich am Douro entlang.

Die Gegend ist weiterhin geprägt von menschenleeren, flachen und weiten Feldern. Du schaust, soweit das Auge reicht über landwirtschaftliche Anbauflächen und Stoppelfelder.

Wenn du hier nicht mit dir selbst im Reinen bist und klarkommst, sind das Fahrtage, für die manche das Wort „monoton“ wählen würden. Ich mag sowas und wenn während der Fahrt mein Blick durch die Gegend schweift und nichts stört, empfinde ich sowas als Genussfahrt.

Bei „Sancti Spiritus“ halte ich am Ortseingang um die Szene zu fotografieren. Mittlerweile wundere ich mich über diese Gegend, denn sie erscheint mir wie leergefegt.

Du fährst hier entweder durch menschenleere, steppenartige Gegenden oder durch menschenleere Dörfer. Teilweise sind die Ortsdurchfahrten wirklich bedrückend. Ich meine, so ganz ohne Bewohner habe ich sowas bisher nur 2019, in der Region um Tschernobyl gesehen.

Und je weiter ich in den Süden komme, umso einsamer wird es. Da ist eine alte Kirche auf einem zehn Meter Hügel direkt ein Highlight.

Aber auch die Häuser spiegeln gut die Region wieder. Schaut man in den Ortsdurchfahrten links und rechts in die Gassen, könnte man einige der Wege auch als trostlos bezeichnen. Einige der Häuser sind wirklich aus Lehm gebaut, unglaublich.

Jede kleine Abwechslung ist mir recht. Manchmal ist es die Getreideernte, ein Solarpark…

…manchmal auch nur eine Stahlbrücke…

Einmal fahre ich seit etwa zehn Kilometern über die Landstrasse, die dann unter einer Autobahn herführen soll. Als ich näher komme, stehen dort zunächst einfache, rot-weisse Absperrungen. Die kann ich noch ignorieren und weiterfahren und auch die zweite Linie der Barriere stellt kein Hindernis dar, aber direkt unterhalb der Brücke haben sie dann einen etwa zwei Meter hohen Drahtzaun aufgebaut.

Die Brücke ist offensichtlich baufällig und deshalb gesperrt. Ich kann das ja verstehen, aber es gab vorher nie ein Hinweisschild oder eine Umleitung. Ich sehe aber auch keine Möglichkeit zur Umfahrung und Lust dazu, jetzt zehn Kilometer zurückzukehren, habe ich ebenfalls nicht.

An einer Stelle ist der Zaun etwa zur Hälfte heruntergedrückt und offenbar hat mal jemand das gleiche Problem gehabt wie ich. Es scheint mir so, als ob dieser Jemand einfach über den Zaun gefahren wäre, vielleicht mit einem Motorrad? Ob ich das auch darf? Sehr wahrscheinlich nicht.

Ich wäge also das Risiko ab und sehe durchaus Chancen, mich hier gleich mächtig auf die Nase zu legen. Was mir in solchen Situationen häufig in die Quere kommt ist mein Dickkopf. Ich denke mir: Kein Schild, keine Gnade, und nehme Anlauf. Noch während ich auf den halb hinunter hängenden Zaun zufahre, fällt mir die Werkzeugkiste unten am Motorschutz ein. Wenn sich die jetzt im Gitter verfängt, wird das eine blutige Angelegenheit. Leider ist es für Vernunft zu spät.

Das ganze Ding scheppert wie ein einstürzendes Gerüst als ich darüber fahre, aber die Bodenfreiheit der Tenere reicht Gott sein dank aus. Hinter mir federt der Zaun zurück und richtet sich sogar weitestgehend wieder auf. Glück gehabt, denke ich mir, aber ich weiss, irgendwann lege ich mich bei einer solchen Aktion fürchterlich (verdient) auf die Fres…

Mittlerweile habe ich Ciudad Rodrigo passiert und überquere den Rio Agueda. Die Temperaturen steigen derweil immer weiter und es sind jetzt am Nachmittag überall 38 Grad, Tendenz weiter steigend!

Meine Pausenfrequenz wird auch höher, denn mit meinem Reisepensum steigen sowohl der Bedarf an Flüssigkeit, als auch mein Wunsch nach Auszeiten. Mal halte ich einfach an einem Feldweg…

…und mal unter schattigen Bäumen an einem Fluss, wobei dies schon die Luxusversion darstellt.

Dann erreiche ich die Grenze zur Region Extremadura. Viele meinen, der Name würde „Extrem trocken“ bedeuten, aber das ist nicht richtig. Der Name bezeichnet die Region „Jenseits des Douro“ also auf der Seite des Flusses Douro. Die Region liegt bereits deutlich südlich des Flusses und warum man diesen Namen so weit unten gewählt hat, weiss ich nicht. Die Variante mit der „trockenen Gegend“ würde mindestens genauso gut passen…

An einer Bergab-Passage halte ich unter Bäumen an, weil aus dem Fels eine Quelle entspringt und ein paar Spanier hier ihre Wasserflaschen füllen. Ich denke, wenn die dem Wasser vertrauen, kann ich das wohl auch.

Während ich meinen Vorrat nachfülle, hält hinter mir ein Spanier in einem VW Bus, springt aus dem Auto und kommt geradewegs auf mich zu. Auf halbem Weg erkennt er das deutsche Nummernschild und macht wieder kehrt, aber ich rufe hinterher „Necesitas ayuda?“ (Deutsch: „Brauchst du Hilfe?“)

Er stoppt, dreht sich wieder um und ist ganz froh, seine Fragen loswerden zu können. Die Tenere 700 findet er ganz toll und will unbedingt wissen, ob ich damit zufrieden bin. Ich kann ihm versichern, er mache mit dem Motorrad nichts falsch, jedenfalls solange er alleine unterwegs ist. Im Zwei-Personen-Betrieb würde ich das Moped nicht empfehlen, aber sonst ist es für diesen Preis wirklich jeden Cent wert!

Er scheint mit der Antwort zufrieden. Auf dem Weg zu seinem Auto macht er nochmal halt und fragt, ob ich jetzt aus Deutschland komme, was ich mit einem deutlichen „Si, klaro!“ bejahe. Er grinst, zeigt den Daumen hoch und ich vermute, er fährt auf direktem Weg zum nächsten Yamaha-Händler…

Der frische Wasservorrat beruhigt mich gerade ungemein, denn ich trinke auch deutlich mehr als in den letzten Tagen. Heute Nachmittag knacke ich in der Extremadura meinen absoluten Temperaturrekord. Bisher waren das 42 Grad im Schatten, 2017 nördlich des „Maja e Cikes“ in Albanien. Hier sehe ich jetzt 43 Grad auf dem Bordcomputer. 43 Grad ist warm. Das ist wirklich warm!

Der nächste Ort, den ich durchfahre ist Moraleja. Das wäre jetzt nicht weiter erwähnenswert, wenn ich nicht bei der Durchfahrt überall seltsame Metallgitter sehen würde. Ich rede jetzt nicht von ein paar Bauzäunen (wie das Ding, dass ich unter der Autobahnbrücke umgelegt habe…), sondern von richtig massiven Gittern (bei denen die Tenere  ganz sicher den Kürzeren ziehen würde!).

Tradition des Ortes ist das Stiertreiben. Hier stehen die Metallgitter zum Schutz der Besucher, vielleicht auch zum Schutz der Protagonisten. Ich kann nicht erkennen, ob die Gitter gerade auf- oder abgebaut werden, aber das ist egal. Heute werde ich wohl keine Stiere sehen und bei dieser Hitze will ich auch nicht länger im Ort bleiben.

Die Dinger stehen aber überall rum und ich kann mir ausmalen, welches grandioses Treiben hier wohl stattfindet.

Am Ortsausgang fahr ich dann durch einen Kreisverkehr, in dessen Mitte die passenden Statuen verewigt sind. Moraleja merke ich mir, denn das Spektakel würde ich mir gerne einmal live ansehen.

Die Weite der Extremadura kommt mir jetzt entgegen, denn wenn es über Land geht, habe ich Fahrtwind. Und Fahrtwind ist gerade bitter nötig. Es ist mörderisch und eine solche Hitze habe ich noch nicht erlebt. Ich bin heilfroh, dass ich in den Bergen meinen Wasservorrat nachgefüllt habe, denn der ist zwischenzeitlich fast wieder leer.

Ich merke deutlich, wie meine Konzentration nachlässt. Da ich damit ungern spasse, kümmere ich mich wohl besser um eine Übernachtung. Viel gibt es hier in der Nähe nicht, aber in „Navas del Madorno“ schaut ein Hotel gut aus. Ich buche online ein und hoffe, ich halte die letzte Stunde Fahrzeit bis dorthin noch durch.

Auf dem Weg dorthin komme ich durch Alcantara, ein Ort mit langer Geschichte.

Die bekannteste Sehenswürdigkeit von Alcantara ist die römische Brücke über den Fluss Tajo, der gleichzeitig der längste Fluss der iberischen Halbinsel ist. Diese Brücke ist knapp zweihundert Meter lang und das grösste erhaltene (und befahrbare!) römische Bauwerk der Welt. Muss ich da drüber? Klar muss ich da drüber!

Weisst du, was mir dabei einfällt? Wir haben da eine Brücke in Leverkusen. Die wurde 1965 gebaut und ist seit 2012 kaputt. Das waren nicht einmal 50 Jahre. Ähnliches gilt für die baugleiche Rheinbrücke Neuenkamp in Duisburg, die ist jetzt auch fratze. Noch einen? Die Brücke Rahmede der Sauerlandlinie A45: Ähnliches Baujahr, Kernschrott!

Das wissen die verantwortlichen Herren (ggf. auch Damen…) seit Jahr-zehn-ten! Ergebnis: Alle Brücken sind immer noch Schrott. Weisst du, wer unter anderem dafür verantwortlich ist? Ein gewisser Hendrik Wüst. Der war nämlich Verkehrsminister in NRW. Und weil er das so schön vergeigt hat, ist er jetzt zur Belohnung Ministerpräsident. Merke: Grundvoraussetzung für hohe politische Ämter in Deutschland sind geballte Inkompetenz, Arroganz gepaart mit Ignoranz und wenns gut läuft auch Raffgier. Haftung für Fehlentscheidungen oder Unterlassung? Wo denkst du hin?!

Ich stehe staunend vor diesem Bauwerk und bewundere die Stabilität. Zudem ist das Teil auch noch eine architektonische Schönheit. Sollte ich noch erwähnen, dass die Brücke als UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen werden soll? Wollen wir mal Hendrik fragen, ob er den Antrag auch für die Rheinbrücken stellt? Harharhar…

Zurück zur Etappe: Dieses Ding hier wurde vor fast 2000 Jahren gebaut, steht immer noch und ich fahre da jetzt einfach drüber!

Meine Pause an der Brücke hat mir glatt wieder die Hitze ins Gedächtnis zurückgerufen. Ich würde sagen, ich schaffe jetzt noch maximal 20 Minuten, dann falle ich noch während der Fahrt vor Erschöpfung vom Moped!

Navas del Madrono erreiche ich aber noch und fahre langsam durch den Ort, auf der Suche nach dem Hotel. Erst nachdem ich zwei Mal daran vorbeigefahren bin, sehe ich das kleine Schild an der Hauswand. Da ich körperlich jetzt wirklich am Ende meiner Kräfte bin, hoffe ich auf einen schnellen Checkin und ein kühles Bier.

Leider wird das nichts. Alle Türen sind verschlossen, es gibt keine Klingel und auf mein Klopfen erfolgt null Reaktion. Ich packe dann meine Sachen vom Motorrad ab und versuche es nochmal, aber es ist immer noch niemand da. Etwas frustriert suche ich in der Buchungsbestätigung nach einer Telefonnummer und finde auch einer 6er-Nummer. Mit 6 fangen in Spanien die Mobilfunknummern an, also könnte das klappen. Am anderen Ende meldet sich eine offenbar ältere Dame, die von meiner Ankunft nichts weiss. Dass sich hierher ins westspanische Nirgendwo jemand verirrt, ist wohl eher selten. Sie erklärt mir, sie braucht etwa eine halbe Stunde bis sie am Haus ist. Hmpfgrr@#!grrrh~>!

Schliesslich trudelt sie irgendwann ein (sie IST alt!) und ich erhalte ein Zimmer mit Bad. Das Haus ist offensichtlich auch alt, vielleicht nicht ganz so alt wie die Brücke in Alcantara, aber alt. Mein Zimmer im ersten Stock ist stockdunkel und hat wohl auch mehr als 40 Grad. Dann erhalte ich eine ausführliche Instruktion zur Zimmertür. Tür und Schloss sind auch alt, sehr alt.

Bei den spanischen Erläuterungen zum Schloss steige ich sprachlich aus. Ich schaue aber interessiert zu, wie sie von innen versucht, die Tür wieder aufzukriegen… Sagte ich schon, dass Frau, Haus und Tür alt sind? (Ja, stimmt, die Brücke in Alcantara ebenso…)

Ich nehme alles hin und will nur noch schnell unter die Dusche, dann runter in den Innenhof. Der sah nach Restaurant aus und ich hoffe, ich täusche mich da nicht, denn sonst würde ich ganz schön alt aussehen, hier in Navas del Madrono. (Sorry, blöde Wortspiele. Das macht die Hitze, weisst du?!)

Nach einer kurzen, kalten Dusche will ich direkt runter, aber Tür und Schloss sind zu. Die Mechanik sieht aus wie aus dem Mittelalter, so mit dicken schwarzen Eisenbeschlägen. Wie die Dame das Ding vorhin wieder aufbekommen hat, ist mir ein Rätsel. Da ich der einzige Gast bin, brauche ich auch nicht um Hilfe rufen. Ich bin bei gefühlten 40 Grad in einem dunklen Zimmer eingesperrt. Was für eine Sch…

Weisst du, was du immer dabei haben musst? Ein Schweizer Messer! Meine Lieblingsversion ist das Modell „Climber“ von Victorinox. Davon habe ich bestimmt acht oder zehn Stück. Eins steckt in meinem Rucksack (den ich mit aufs Zimmer genommen habe) und wird mich jetzt retten. Ich kann die Tür nämlich mit der Schraubenzieher-Dosenöffner-Kombi entriegeln, in dem ich zwischen Tür und Rahmen, am Schloss den Riegel zur Seite drücke. Wie gut und schnell das geht, darüber bin ich selbst erstaunt.

Ich laufe runter in den gemütlichen Innenhof. Hinter der Theke steht besagte alte Dame und bereitet alles für den Abend vor. Der Hotelbetrieb ist zwar praktisch nicht existent, aber offenbar kommen die Einheimischen später hierher zum Essen. Ich bestelle schon mal ein Bier und lümmel mich zufrieden in eine Ecke. Für heute reicht es. Die alte Dame zaubert ein angemessenes spanisches Abendmahl und sorgt zudem für regelmässigen Nachschub an Flüssigkeiten. Ich bin versöhnt.

Das ist alles was ich will, alles was ich brauche. Dieser Tag, die kleinen Probleme, diese Landschaften, die kleinen Erlebnisse. Jede Sekunde, jede Minute hier sind mir tausendmal lieber als das nervtötende, vollkommen überflüssige Raussuchen eines dämlichen Reisekostenbelegs für das beschis… Finan… (Elmar, ist gut, beruhige dich!)

Heute Morgen bin ich sehr früh auf den Beinen, weil ich die Frische des Vormittags ausnutzen will. Ich erhalte um diese Zeit zwar kein Frühstück, aber Senora Baccara hat mir zwei kleine, abgepackte Kuchenstücke bereitgestellt, eine Tüte Osaft und zwei grosse Flaschen Wasser. Das ist ok, damit komme ich über den Morgen.

Als ich die Tenere packe, ist die Sonne noch gar nicht richtig aufgegangen und die ruhige Luft ist wie Seide. Die ersten Fotos des Tages mache ich gleich während der Fahrt durch die Steppe.

Die Weite hier ist atemberaubend. Vor allem die Weite in Verbindung mit der Einsamkeit. Die Extremadura gehört zu den am dünnsten besiedelte Regionen Europas. Hier ist es schon ungewöhnlich, wenn man überhaupt mal einem Fahrzeug begegnet.

Ich fahre schnell von der Landstrasse ab und wähle die kleinstmöglichen Wege in Richtung Alburquerque.

Diese kleinstmöglichen Wege gehen im wahrsten Sinne durch die Steppe. Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde sagen das hier ist nicht Spanien, sondern Kasachstan. Ok, eventuell sind die Strassen dafür zu gut, aber ansonsten ist das hier Kasachstan, mindestens Kasachspan. (Ja, der war flach aber hey, mir fällt nichts besseres ein…)

Weil die Sonne erst dabei ist, den Himmel zu erklimmen, kann ich seltsame Fotos machen.

Ich hätte die Stiere ja auch noch gerne im Hintergrund, aber blöderweise stehen sie genau auf der andern Strassenseite.

Diese Weite und Ruhe, der frühe Morgen, die endlosen Strassen in den sanften Hügeln, das ist genau meins. Auch das Alleinreisen ist meins. Nicht immer, aber jetzt. Ganz zu Beginn war ich sehr unsicher und hatte mehr Angst als Neugier für sowas. Aber recht schnell habe ich dann gelernt, wieviel mehr Erfahrung man auf diese Weise sammelt. Du musst nur wirklich mit dir selbst klarkommen. Und losfahren. Losfahren ist das Wichtigste!

So kann ich jederzeit anhalten und Fotos machen oder einfach nur die Gegend geniessen, wenn es mir in den Kram passt auch alle 300 Meter.

Achso: Später stehen die Stiere dann noch auf der richtigen Seite, aber dann ist die Sonne schon zu weit oben. Irgendwas ist ja immer…

Die einzige grössere Stadt auf meiner heutigen Route ist Badajoz. Das ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Die Extremadura hat sowieso nur zwei Provinzen: Badajoz im Süden und Caceres im Norden. An Badajoz werde ich mich nachher erinnern, wegen einer besonderen Begegnung.

Je näher ich Badajoz komme, umso mehr Fahrzeuge sind unterwegs. Ich erwähne das, weil meine Gedanken jetzt mal nicht in der endlosen Weite schweifen, sondern mein Blick an einem der Fahrzeuge hängen bleibt. Manchmal ist das ja so. Und jetzt ist es ein Daihatsu Cuore L7. Dieses Fahrzeug gehört für mich zu den lächerlichsten Symbolen automobiler Antikultur, etwa auf gleicher Höhe mit einem Fiat Multipla oder Lancia Thesis. Zudem ist die Karre verranzt, verrostet und der Lack von der Sonne verbleicht. Weisst du, es gibt einfach Dinge, die kann man sich auch nicht mehr schönreden, die sind einfach Schei… Und wenn die Grün*Innen die Verbrenner-Pkw verbieten, mögen sie bitte mit diesen Modellen beginnen. (Sorry, ich schweife wieder ab…)

Also: Ich überhole dieses blechgewordene Kamel und bin auf dem Weg vor die Tore von Badajoz. Da ich mir über die weitere Route ab Badajoz nicht sicher bin, halte ich kurz vor der Stadt an einer Tankstelle, um schon mal das nächste Routenziel einzugeben. Ohne das wirklich zu registrieren, fährt der Cuore während des kurzen Stopps wieder an mir vorbei.

Ich habe wirklich nur kurz „Almendral“ als nächstes Ziel eingegeben und bin auch schon wieder auf der Strasse. Ein paar Minuten später erreiche ich die Innenstadt von Badajoz und komme an einen Kreisverkehr, am nördlichen Ende der Brücke „Puente de la Autonomia“.

Ich fahre etwa 200 Meter vor dem Kreisverkehr, als ich den Cuore wieder überhole. Der gibt dann plötzlich Gas und fährt hinter mir her, während der Fahrer hupt. Im Rückspiegel sehe ich ihn zudem noch wild winken. Verflixt, denke ich, habe ich was verloren, etwas verbrochen? Besorgt fahre ich direkt vor dem Kreisel auf den Bürgersteig, halte an und steige ab. Der Cuore fährt ebenfalls rechts ran, hält aber einfach mitten auf der rechten Spur der Strasse. Den Stau, den er dabei verursacht, ignoriert er schlichtweg.

In Erwartung irgendeiner Katastrophe, springt mir der Fahrer entgegen, während sich auch die Beifahrertür des Autos öffnet. Den Fahrer schätze ich auf Mitte Sechzig, die beiden anderen entsteigenden Passagiere, ein Mann und eine Frau, ebenso.

Was jetzt stattfindet, wird eine der skurrilsten Situationen der gesamten Reise: Der Fahrer stellt sich als „Edgar“ vor. Er sei Deutscher, wohne schon seit Jahrzehnten in der Nähe von Badajoz und hätte mein Nummernschild gesehen. Was ein Deutscher denn bitteschön hier in dieser Gegend mache, will er wissen. (Ich traue gerade meinen Ohren nicht… deswegen hat der mich angehalten???)

Ich antworte etwas verdattert, ich sei halt mit dem Motorrad unterwegs, aus Deutschland über Frankreich, die Pyrenäen, Picos undsoweiter (du kennst ja die Route…) Er ist völlig aus dem Häuschen, zieht die beiden Mitfahrer näher zu sich ran und ruft: „Schaut her, das ist genau das, was ich meine! Der macht das ganz alleine, einfach mit dem Motorrad. Und der fährt keine dicke Harley und ist auch selbst gar keiner von diesen dicken Motorradfahrern…

Ich stehe da deplatziert an einem Kreisverkehr in Badajoz, bin völlig perplex und finde keine Worte. Deshalb hält der mich an? Und was meint der bitte mit „…keiner von diesen dicken Motorradfahrern“?

Noch ehe ich zur Besinnung komme, textet er mich zu. Er wäre Privatdetektiv, eigentlich ehemals Banker, aber auch Immobilienmakler (Mir kommt währenddessen der Gedanke, mal seinen Businessplan zu überarbeiten… mindestens eine SWOT-Analyse wäre fällig…) Wenn ich hier ein Haus kaufen wolle, ich solle mich nur bei ihm melden! „Und die Finanzierung kriegen wir dann schon hin…“

Dann zwingt er mich, seine Visitenkarte einzustecken, nicht ohne die Aufforderung: „Wir bleiben in Kontakt!“ (Für mich klingt das nach einer Drohung!)

Ich bedanke mich brav, steige auf das Motorrad, versuche mich wieder auf den Verkehr zu konzentrieren und grüble, ob mir die Sonne irgendwie das Hirn gargeköchelt hat oder ob das da gerade eben real war?!

Südlich von Olive de la Frontera erreiche ich endlich die Grenze nach Andalusien und fühle mich fast wie zuhause, wenn nicht diese brutale Hitze wäre. Auch heute steigt das Thermometer unerbittlich und ich fürchte, ich knacke wieder die 40-Grad-Marke.

Trotzdem möchte ich noch einen Abstecher machen. Meine Papierkarte weist eine Strecke zwischen Santa Ana la Real und Aracena als schöne Route aus. Der Vorteil: Es geht in gewisser Höhenlage durch den Wald. Der Nachteil: Es ist trotzdem zu heiss.

Hier in der Region Alajar gibt es Korkeichenwälder, so wie auch weiter nordwestlich, in Richtung portugiesischer Grenze und in der Sierra de Grazalema. Man kann das gut erkennen, weil die Bäume dann unten „skalpiert“ sind.

Die Route geht in Ordnung und es gibt ein paar gut fahrbare Offroad-Abschnitte. Insgesamt nichts, was die Tenere nicht locker absolvieren würde, auch mit Gepäck kein Problem.

Südlich von Aracena passiere ich nochmal eine Burg, dann komme ich meinem heutigen Tages-Highlight näher.

Dieses Tages-Highlight sind die „Minas de Riotinto“. Der Rio Tinto (Roter Fluss) erhielt seinen Namen von der markanten Wasserfärbung. In der Region um den Fluss gibt es grosse Schwermetallvorkommen und reiche Erzlagerstätten, vornehmlich Eisen und Kupfer.

Chemische Reaktionen der Metalle mit dem Wasser (die ich mangels Chemie-Kenntnissen hier nicht wiedergeben kann…) färben den Fluss in verschiedenen Rot-Tönen. Als ich nun von Norden über die A-461 hierher fahre, kann ich die Farbspiele schon aus der Ferne erkennen.

Entdeckt wurden die Erzvorkommen wohl schon in der Bronzezeit, vor mehr als 3000 Jahren. Dann haben sich die Römer an den Rohstoffen erfreut, bis 1873 die Briten Nägel mit Köpfen machten und das ganze Gelände kauften, um den Abbau zu industrialisieren.

Was dann passierte, veränderte die Struktur der Gegend, der Dörfer und der ganzen Gesellschaft in der Region vollständig, gut nachzulesen hier.

Bis 2001 wurde abgebaut, dann wurde der Grubenbetrieb eingestellt. Die Ruhe währte aber nur so lange, bis die weltweiten Rohstoffpreise anzogen und im Jahr 2016 der Betrieb wieder aufgenommen wurde. Mich interessiert nun, wie weit die neue „Blütezeit“ den Abbau wieder angekurbelt hat.

Direkt hinter dem nördlichen See finde ich links von mir ein altes Gebäude, dessen Form ich sofort erkenne. Bei meinen winterlichen Recherchen habe ich viele Fotos des alten, historischen Elektrizitätswerks der Minen gesehen. Und genau dieses Gebäude steht da oben auf dem Hügel.

Der See, sein Ufer und die Farben sind so unnatürlich, dass ich die Strecke nochmal zurückfahre, um weitere Fotos zu machen. Es ist eine surreale Mischung aus morbider Schönheit und Umweltzerstörung.

Direkt nach dem ersten See erreiche ich „La Dehesa“. Das ist der heutige Haupt-Abbauort. Weniger mit alter Bergbauromantik, dafür mit umso schwererem, modernem Gerät.

Neben der Strecke gibt es etwas erhöht einen Aussichtspunkt. Von dem aus kann man in das riesige Tagebaugelände schauen. Es ist gigantisch!

Von hier aus sieht man gut die Gebäude, Förderbänder, aber auch die grossen Transporter, die das Erz aus den Tiefen der Mine transportieren.

Direkt daneben steht einer der alten Bagger, der aber schon deutliche Rostspuren aufweist.

Als nächstes will ich in die historischen Orte „Old England“ und „Bellavista“. Am Ortseingang kann man eine der alten Lokomotiven auf dem Kreisverkehr bewundern.

Etwas weiter geht es zur alten Tagebaugrube, aber ich komme nicht (mehr) so nah ran, wie ich eigentlich möchte, trotzdem ich es über einige verbotene Routen am Waldrand probiere. Immerhin kann ich mit dem Reisetelezoomdingens noch Fotos aus der Entfernung machen.

Östlich des historischen Orts gibt es die alten Gebäude der Minenarbeiter zu bewundern. Wenn dich das interessiert, würde ich dir vor allem den Ortsteil „Alto de la Mesa“ empfehlen. Dort kann man wirklich eindrucksvolle Bilder an den Hauswänden bewundern.

Ebenso gibt es ein Museum, das vor allem die historische Zeit des Bergbaus in der Region erzählt. Ich bin hin und hergerissen. Einerseits entsetzt mich das Bild, das der Bergbau in dieser Region hinterlassen hat. Was der Mensch der Natur hier angetan hat, ist wirklich heftig.

Andererseits bin ich fasziniert von der Geschichte, die man in ähnlicher Form auch im Ruhrgebiet bewundern kann. Die Fördertürme sehen dort zum Beispiel genau so aus.

Die Minas de Riotinto sind mein vorletzter Fixpunkt auf dieser Reise. Eigentlich will ich noch in den Donana-Nationalpark, aber die Sommerhitze, die jetzt doch heftiger ist, als ich es erwartet habe, macht mir ehrlich gesagt zu schaffen. Unter anderen Umständen würde ich noch durchhalten, aber eine Tagestour von hier entfernt locken Haus, Kühlschrank, Liege und Pool. Mir fällt es gerade etwas schwer, mich für weitere Tage auf dem Motorrad zu motivieren.

Ich übernachte heute kurz vor den Toren Sevillas und mache mir am Abend Gedanken über die folgenden Tage. Die Kurzversion: Ich entscheide mich für die Heimfahrt. Den Donana kann ich später noch in einer Tagestour erreichen, der kommt auf meine „ToDo-Liste“.

Den letzten Tag könnte ich kurz mit „Heimfahrt“ abfassen, aber zwei Dinge sind dann noch erwähnenswert. Zum einen führt mich mein Navi ungewollt mitten durch Sevilla, wobei ich abermals meinen Temperaturrekord übertreffe: 45 Grad! Mir fehlen die Worte, vor allem während der innerstädtischen Ampel-Rotphasen…

Und westlich von Malaga brennt mal wieder der Baum, ähem, der Olivenhain. Durch die extreme Trockenheit ist die Vegetation ohnehin schon am Rande des Kollaps. Da reicht dann eine Unachtsamkeit und der ganze Berg brennt. Das ist eine meiner Sorgen, dass es irgendwann mal „unseren“ Berg erwischt. Diesmal ist es die Region um Mijas, westlich von Malaga und ich kann die Rauchsäule über vier Tage lang sehen.

Mein letztes Foto mache ich diesmal am Ortseingang von Ziel und Zuhause. Selten habe ich meinen Kühlschrank und den Sprung in den Pool so ersehnt wie in diesen heissen Tagen.

Ich hoffe, du verzeihst mir das Warmduscher-Gehabe, aber ab 40 Grad ist meine Wohlfühl-Obergrenze erreicht, deshalb habe ich mir diesen letzten Tag in der Donana geschenkt.

Doch obwohl ich etwas früher angekommen bin, dauert es nicht lange, bis in meinem Kopf die Idee für die nächste Tour reift. Beim abendlichen Blick von der Terrasse schaue ich auf die Silhouette am südlichen Horizont, wo sich die Gipfel des Rif-Gebirges in Marokko vom Mittelmeer abheben. Da habe ich noch eine offene Aufgabe, einen Punkt, den ich bei meiner ersten Marokko-Reise nicht erreichen konnte, weil mir die Temperaturen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Also ganz ähnlich der aktuellen Situation. Ich denke, das muss ich sehr bald nachholen.

Aber das ist dann die nächste Geschichte!

 

Zahlen

Gesamt-Kilometer: 3.744

Reisezeit: Juli 2022

Durchschnittsverbrauch Tenere: 3,7 Liter pro 100km

Tiefste Temperatur: 10 Grad am Morgen; Picos de Europa

Höchste Temperatur: 45 Grad Sevilla Innenstadt

 

Fragen? Anmerkungen? Kommentare? Lust auf mehr?

Schreib mir!

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6 Kommentare

  1. Frank 10/02/2023

    Das ist ein sehr sehr sehr schöner Reisebericht. Danke dafür. Du sprichst mir aus der Seele, wenn du sagst – du genießt es alleine zu reisen und die Momente an bestimmten Orten so intensiver zu erfahren. Mir geht es genau so. Viele meiner Bekannten und Verwandten können das nicht verstehen. Ich war im September 2022 dort unten und habe Teile deiner Tour erlebt … auch die Temperaturen (43 Grad). Ich hatte das vor 25 Jahren schon vor und es kam immer etwas dazwischen. Nun könnte ich eigentlich einen Haken dran machen – aber deine Bilder von Orten, die ich nicht gesehen habe, lassen das nicht mehr zu! Die Picos wollte ich sowieso noch einmal anfahren und da ich die K in eine GS getauscht habe, werde ich unbedingt auch Bardenas einplanen. Wie lange warst du für diesen Trip unterwegs?

  2. ebee 10/02/2023 — Autor der Seiten

    Hallo Frank, mach das, du wirst es nicht bereuen. Ich hatte 3 Wochen geplant, woraus dann aber (du wirst es gelesen haben) zweieinhalb geworden sind. Das schafft man gut ohne Gewalt-Etappen!

  3. Alex Joest 13/02/2023

    Hallo Elmar,

    ein klasse Bericht von dir! Ich habe einen Teil dieser Tour (speziell Pyreneen und Picos) selber schon erleben dürfen. Jetzt freuen wir uns gerade ab dem 5.3. wieder in Malaga zu landen und dann…

    Alex ( der mit der GS bei Kevin und Phil parkt)

  4. Elias 13/02/2023

    Sehr, Sehr schön beschrieben, interessant, informativ und hinreissend.
    Ja die berühmt-berüchtigte RioTinto, die streckt ihren Tentakeln weltweit aus, im Sinne der Familie Roth-Schield…..
    Ténérista lässt Grüssen

  5. Julian 02/04/2023

    Danke für diesen tollen Reisebericht. Ich würde am liebsten direkt losfahren.
    Wie lange warst du unterwegs?
    VG Julian

  6. ebee 02/04/2023 — Autor der Seiten

    Hallo Julian,

    ich hatte für die Tour 3 Wochen geplant, habe dann aber aufgrund der extremen Temperaturen zum Schluss etwas Gas gegeben. Letztendlich waren es dann zweieinhalb Wochen.

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