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Marokko extrem (Teil 1)

„And I don’t know where I’ll be tonight but I always tell you where I am“ (Textzeile aus: Dire Straits – „Tunnel of Love“)

 

Ich starte alleine, Mitte Mai von Andalusien. So habe ich schon mal den logistischen Vorteil, dass ich praktisch keine Anreisestrecke berücksichtigen muss. Carola will nicht mit und ist gestern von Malaga nach Deutschland geflogen. Ich habe knapp vier Wochen Zeit, bis ich sie wieder am Flughafen in Malaga abholen werde.

Das ist meine dritte Tour in das nordafrikanische Land und ich hatte die bekannten Hotspots eigentlich schon alle besucht, deshalb standen nun die Orte und Strecken auf dem Plan, die ich nur alleine fahren kann.

Da ich die spanische Exklave Melilla noch nicht kenne und von Motril aus eine Fähre über Nacht dorthin fährt, habe ich diesmal diese Variante gewählt.

Meine Familie ist nicht restlos von der Idee begeistert, dass ich das alleine machen will. Konkret geht es mir um einen hohen Offroad-Anteil, einige Schotterstrecken quer durch den mittleren Atlas, die Wüste im Süden (abseits Merzouga), eine alte Rallye-Strecke im Draa-Tal, die Westsahara und eine Runde im Nord-Atlas. Wie weit ich es bis Süden schaffe, weiss ich jetzt noch nicht und will mich überraschen lassen.

Ich will mit der Tenere fahren. Auch, weil es im Netz eine lebhafte Diskussion darüber gab, ob die Tenere 700 überhaupt für sowas geeignet ist: „Zu schwer, Fahrwerk passt nicht, Schwerpunkt schlecht“ undwasweissichnoch. Irgendein Möchtegern-Influenzer hat ein Negativvideo über die Tenere „fabriziert“. Und wer könnte den ganzen Unfug jetzt besser widerlegen, als ein hinsichtlich Fahrtalent durchschnittlich begabter Schreibtischtäter?!

Anekdote am Rande: Nachdem es in Südspanien seit zwei Jahren praktisch gar nicht mehr geregnet hat, giesst es am Abreisetag wie aus Kübeln. Eine stabile Schlechtwetterfront legt sich ausdauernd über Andalusien und den Norden Marokkos und ich sitze an diesem Donnerstag vor dem Fenster und starre frustriert in den Regen. Nur ab und zu laufe ich zur Garage um die Tenere zu beladen und ein paar Ausrüstungsteile hin und her zu packen.

Am Abend erwische ich aber mit Glück ein trockenes Zeitfenster für die einstündige Fahrt bis zum Hafen von Motril. Von Motril nach Melilla fährt die Gesellschaft Balearia. Ich habe das Ticket bereits vorab online gebucht und für Mensch, Motorrad und eine komfortable Einzelkabine 232 Euro bezahlt.

Den Hafen erreiche ich zeitig und habe noch etwa eineinhalb Stunden, bevor das Boarding losgehen soll.

Als ich die Maschine unter dem Dach der Abfertigungspuren abstelle, stellt wenige Minuten später ein weiterer Motorradfahrer seine Africa Twin neben mir ab.

Wir kommen ins Gespräch. Er stellt sich als Pablo vor und ist heute im Dauerregen aus Madrid angekommen. Es ist nicht seine erste Reise nach Marokko und er will sich diesmal die Gegend um Sidi Hakem anschauen, vorrangig Offroad fahren und campen. Bemerkenswert, denn da gibt es eigentlich nichts ausser Sand, Steine und Wüste, aber jeder wie er mag. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung davon, wieviel Sand ich selbst diesmal durchfahren werde.

Meine Kabine beziehe ich gegen 23 Uhr und am nächsten Morgen werde ich bereits um 5:30 durch ein Klopfen an meiner Kabinentür geweckt. Das ist etwas früher als ich erwartet hatte und auf meine Frage, wann wir denn in den Hafen einfahren erhalte ich die Antwort „Jetzt“.

Ich mache mich in Windeseile fertig, muss die Dusche auslassen und beeile mich nach unten zum Parkdeck, wo ich etwas hektischer als gewöhnlich das Motorrad packe. Schon um 6:30 kurve ich durch die noch leeren Strassen von Melilla. Um diese Zeit hat nicht mal ein Cafe offen und ich fürchte, das wird nichts mit Frühstück heute früh.

Da es noch dunkel ist, wird das heute nichts mit den schönsten Stadtfotos. Mehr als ein zentraler Platz, ein paar Gebäude und leere Strassen finde ich nicht.

Ich gebe die marokkanische Grenzstadt „Nador“ ins Navi ein und lasse mich lotsen. Das geht zunächst schief, denn mein BMW Navigator führt mich an einen alten, geschlossenen Übergang nördlich des Flughafens. Hier komme ich nicht rüber nach Marokko. Stattdessen stehe ich mitten im Morgenappell der spanischen Guardia Civil. Die Truppe hat hier ja reichlich zu tun…

Ich werde freundlich angewiesen, einfach immer der Strasse am Zaun entlangzufahren, dann würde ich schon den richtigen Grenzübergang erreichen. Gleichzeitig nehme ich mir vor, ab jetzt bevorzugt das Smartphone-Navi mit OpenStreetMaps einzusetzen. Vielleicht ist die Navigation aktueller und weniger fehlerbehaftet.

Die Grenzanlagen hier sehen übrigens exakt so aus wie die innerdeutschen bis 1989. Ich kenne schon die Anlagen in Ceuta von meinen ersten beiden Marokko-Reisen. Aber die hier sind nochmal größer, stärker und beeindruckender.

Den Zweck des Zauns kannst du dir vermutlich selbst denken.

Die Abfertigung der Spanier ist fix erledigt, aber der marokkanische Posten nimmt seine Aufgabe heute morgen besonders ernst. Einer winkt mich zur Seite, ein anderer prüft die Papiere, während der nächste schon den Inhalt meiner Taschen und Koffer prüfen will. „Drohnen, Waffen?“ fragt er. (Klar doch, meine Glock steckt immer schussbereit am Tank…)

Ich muss alles öffnen, auspacken und Sinn und Zweck erklären. Als er bei meiner Kleidung angekommen ist, werden meine Antworten leicht ungeduldig. Was soll ich als reisender, motorradfahrender Mann  denn bitteschön antworten, auf die Frage nach dem Zweck meiner Kleidung? Ich schaue ihn an nach dem Motto: Was erwartest du nun für eine Antwort?

Dann stellt er die Frage aller Fragen: Ob es Arbeit in Deutschland gibt? Ich bejahe das. Dann folgt, ob man dafür Deutsch sprechen muss? Ich bejahe nochmals.

Vermutlich hat er als Grenzsoldat in Marokko überdurchschnittliches Glück. Wieso er nun nach Deutschland will und welchen Job er sich dort verspricht, darüber kann ich nur rätseln. Während ich in Gedanken mal wieder mit Fragen beschäftigt bin, die ich weder mir noch meinem Gegenüber beantworten kann, sehe ich ein paar Meter weiter Pedro, der bereits von einem Strassenverkäufer abgefangen wurde. Pedro soll hier eine SIM-Karte kaufen und ich vermute, so nah am Grenzübergang wird das ein schlechtes Geschäft. Gleichzeitig will ich mich darum auch noch kümmern, aber erst später.

Erwartungsgemäss ist die Kontrolle nun erledigt und es geht in Richtung Nador. Da ich nicht durch die Stadt fahren will wähle ich kurz hinter der Grenze schon die kleine Nebenstrecke P6209 durch die Berge. Die lohnt sich.

Heute habe ich nur den Tazekka Nationalpark als Durchfahrtsziel.  Das kann ich aber gleich knicken, denn in dieser Richtung hängen dunkelste Wolken. Wenn ich heute Nachmittag in Midelt ankomme, bin ich schon zufrieden. Deshalb fahre ich auf dem gut 400 Kilometer langen Weg nur die Navigationspunkte in Form von Orten ab: Guercif und Outtat el Haj, dann einfach Midelt. In Guercif tanke ich und erhalte den dringend nötigen Kaffee.

Es ist immer noch ungewöhnlich frisch und ich fahre mit der Unterjacke, die ich in Spanien normalerweise nicht brauche. Zweimal erwischt mich ein Regenschauer, bevor es ab Mittag etwas freundlicher wird. Aber immer noch bleiben die Temperaturen niedrig und liegen bei maximal 14 Grad. Blöd, da frieren sogar die Kamele…

Dafür bin ich nicht ausgerüstet. Bei Marokko denkt ja jeder sofort an Wüste, brennende Sonne, Hitze. Aber Nieselregen bei 14 Grad? Gut, dass ich T-Shirts und einen Pullover dabei habe. So kann ich mich wenigstens mit Zwiebeltechnik einkleiden…

Der viele Regen der vergangenen Tage hat auch in den sonst trockenen Flussbetten für ordentlich Bewegung gesorgt. Ich glaube nicht, dass diese Wassermassen hier sonst üblich sind.

Der Rest des Tages heute ist für marokkanische Verhältnisse unspektakulär. Das obligatorische Kamelschild am Strassenrand ist einer der wenigen Fotostopps.

Midelt erreiche ich am frühen Nachmittag bei 12 Grad und Nieselregen. Ich steuere direkt das „Riad Villa Midelt“ an, das ich gut kenne und schätze.

Sie haben wieder ein Zimmer für mich und für den Abend bestelle ich mir auch direkt einen Tisch zum Essen. Ich möchte später nicht nochmal raus in die Kälte.

Als erstes wärme ich mich in meinem Zimmer auf. Morgen früh steht der „Cirque Jaffar“ auf meinem Plan. Ob das bei dieser Witterung so eine gute Idee ist?

Eine Aufgabe habe ich heute aber noch: Internet!

Ich habe zwar meinen mobilen Hotspot dabei, aber das iPhone möchte ich zusätzlich noch mit einer marokkanischen SIM versorgen. Dazu habe ich vor einiger Zeit meine heimische Karte gegen eine eSIM ausgetauscht. Dadurch ist nun der physische Slot für Landeskarten frei.

Ich stapfe also los in die Innenstadt um einen Laden der Maroc Telecom zu suchen.

Den Laden finde ich an einem Kreisverkehr in einem übergrossen Gebäude. Der Beamte unten in der Halle weist mich nach oben in den ersten Stock. Warum sie die Karten nicht unten in der Halle verkaufen, ist und bleibt mir ein Rätsel. Unten ist ausser dem „Wegweiser“ nichts, nur die grosse, leere Halle mit dem Ordner.

Also laufe ich die Treppen hoch und stehe ratlos in einem Flur mit vielen Türen. Eine am Ende ist leicht geöffnet und ich schaue vorsichtig in das Büro. Dort knien zwei Männer auf dem Boden und beten. Das ist mir unangenehm weil ich nicht stören will und ich entscheide mich dazu, erst meinen Bargeldbedarf in Dirham an einem Automaten zu decken, dann nochmal zurückzukehren.

Eine Viertelstunde später bin ich wieder im Büro und die beiden sitzen nebeneinander hinter einem Schreibtisch. Ich halte mein Smartphone in die Höhe und sage „Internet?“. Dann erhalte ich ein Papierkuvert mit einer Prepaid-SIM und frage nach dem Datenvolumen. Sie erklären mir, dass es hier zwar die SIM-Karte, aber kein Datenvolumen gibt und zeigen aus dem Fenster auf die gegenüberliegende Strassenseite. Dort gäbe es „Gigabyte“. Ich bin skeptisch, denn sie zeigen in den Park gegenüber und das es dort Internet-Datenvolumen gibt, halte ich für unwahrscheinlich. Aber ok, das ist hier Marokko, da rechne ich mit allem.

Wieso man nur für die SIM ein solch imposantes Bauwerk vorhält, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Wahrscheinlich mache ich mir einfach zu viele Gedanken?!

Mit einer Prepaid-SIM für 20 Dirham, aber ohne Daten verlasse ich das Gebäude der Maroc Telecom und stapfe in den Park. Dort gibt es ein kleines Cafe unter Bäumen. Das müsste einen Versuch wert sein. Wieder halte ich mein Smartphone in die Höhe und frage nach „Gigabyte?“. Der Mann im Cafe zeigt hinter mich, wo ein alter Marokkaner etwa zwanzig Meter entfernt im Schatten sitzt und eine kleine Holzkiste vor sich bewacht.

In der Holzkiste sind Zigaretten, Päckchen die aussehen wie Kaugummi und Pappumschläge mit Maroc-Telecom-Logo. Ich bin gleichzeitig happy und beeindruckt und erhalte tatsächlich einen Code für die Aufladung mit 8 GByte für weitere 80 Dirham. Der Einfachheit halber rechne ich für den Eurokurs durch zehn, gebe also zusammen 10 Euro für SIM und Daten aus. Das dürfte für meine gesamte Zeit in Marokko reichen.

Wieso es den Aufladecode nicht im Gebäude der Maroc Telecom gegenüber gegeben hat, kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht wollten die beiden Männer dort auch nur, dass auch der Alte hier etwas zu verkaufen hat. Keine Ahnung. Marokko: Nicht wundern, nur staunen!

Auf dem Fussweg zurück zum Riad treffe ich auf einen Berber und wir kommen ins Gespräch. Er kommt eigentlich aus Imilchil (Kenne ich, war ich schon, liegt in den Bergen), wohnt jetzt „im Winter“ aber in Midelt. Wir haben zwar schon Mai, aber klimatisch gebe ich ihm Recht: Gefühlt ist Winter. Wie schön wäre jetzt ein anständiger Klimawandel. Wenn man ihn mal braucht, ist er nicht da.

Das Riad hat seit meinem ersten Besuch 2018 „aufgerüstet“ und man hat fast den Eindruck, man isst in einem Sternerestaurant.

Der Morgen startet mit einer Dusche und ich öffne das kleine Fenster im Bad, aber nur bis ich den ersten Luftzug spüre. Wow, das ist kalt! Das erste Foto heute aus meinem Badezimmerfenster ist ernüchternd.

Als ich nach dem Frühstück auf die Tenere steige, bin ich immer noch unschlüssig über mein Tagesprogramm. Die Temperaturanzeige der Tenere meldet 10 Grad. Das ist definitiv nicht meine Wohlfühl-Reisetemperatur!

Meine ersten echten Reiseziele befinden sich in der Nähe von Midelt: Die Bleiminen bei Ahouli und der berüchtigte „Cirque Jaffar„. Letzterer ist für den Nachmittag geplant.

Ich fahre also in Midelt los und ringsherum liegt der Schnee auf den Bergen. Warm ist es wirklich nicht, aber dafür ist die Anfahrt zu den Minen schon richtig gut. Die Berge dort sind glücklicherweise nicht so hoch und ich komme noch ohne Winterausrüstung durch.

Am Ortsausgang von Midelt ist alles noch fein. Die Strasse verläuft schnurgerade in die Berge. Die Luft ist frisch, die Kette geschmiert, die Stimmung gut.

Wie so oft in Marokko geht es aber schon nach einigen Kilometern ans Eingemachte. Immer wieder wird der Asphalt von Schlamm- und Geröllmassen überschwemmt. Das ist kein Problem für eine Reiseenduro, man muss nur damit rechnen und etwas aufpassen.

Fürs Morgenprogramm ist das ein toller Auftakt. Weil die Minen eher unbekannt sind, ist man hier alleine unterwegs und muss die Bergwelt nicht teilen.

An einer abenteuerlichen Brücke treffe ich auf „Sahid“. Er ist zu Fuss unterwegs in Richtung Mibladene, einer Ansammlung von spärlichen Häusern zwischen Midelt und Ahouli.

An Mibladene bin ich vorhin langekommen. Er sagt, wenn ich zurückkomme soll ich bei ihm reinschauen auf einen Tee und ich wette, wenn ich im Ort nach ihm fragen würde, würden sich alle bemühen ihn zu finden. Vielleicht wäre das auch gar nicht schwer. So viele Menschen wohnen nicht in Mibladene…

Dass die Brücke „abenteuerlich“ ist, kann ich später revidieren. Es gibt noch ganz andere…

Dann erreiche ich das Tal mit dem Fluss und die ersten verfallenen Gebäude.

Die Franzosen hatten die Erzvorkommen entdeckt, die eigentlich geschlossen und verlassen sind, jetzt aber illegal und unter Lebensgefahr der Arbeiter weiter abgebaut werden. Ich erhalte einen Einblick in die Arbeit und bin ehrlich schockiert, welche Risiken die Männer hier eingehen.

Die deutsche Berufsgenossenschaft hätte eventuell ein paar Tipps für Optimierungen.

Dann fahre ich noch bis ins abgelegene Ahouli. Das ist der letzte Ort in den Bergen hinter den Minen und im Prinzip eine Sackgasse.

Von dort gibt es nur noch eine sehr schlechte Schotterstrecke in Richtung Norden, aber die spare ich mir und drehe um, wieder zurück Richtung Midelt. Die Infrastruktur auf dem Weg hat mir für den Morgen gereicht. Ich hatte das Adjektiv „abenteuerlich“ bei der Brücke heute früh wieder gestrichen. Jetzt kann ich es wirklich verwenden:

Da es heute Morgen so gut geklappt hat, bin ich am späten Vormittag zurück in Midelt. Die Infos, die ich vorab zum „Cirque Jaffar“ bekommen habe, waren abschreckend und mit Anblick des Schnees  in den Bergen will ich den Punkt zunächst streichen. Aber jetzt, nach der Rückkehr aus Ahouli überkommt mich Zuversicht und Motivation, die Route doch zu fahren.

Zuerst wird ein neuer Navigationspunkt zurechtgelegt. Dieser markiert den Start der Strecke am südwestlichen Ortsrand von Midelt.

Am Anfang klappt das auch noch ganz gut, wobei alles ab hier nur noch Dirt-Track und Offroadpiste Richtung hoher Atlas ist. Schon für die Anfahrt benötige ich viel Zeit. Ich lasse Midelt hinter mir und es geht stets bergauf. Es gibt es auch keine Ortschaften mehr oder Häuser. Ab Midelt ist Feierabend mit Behausungen.

Irgendwann erreiche ich einen Bergrücken und schaue in ein Tal. Die abschüssige Piste ruft Respekt in mir hervor. Schön langsam arbeite ich mich nach unten. Dass ich mir gerade das erste Problem schaffe, realisiere ich dabei noch gar nicht.

Unten im Tal angekommen habe ich dann etwas die Orientierung verloren. Vom Gefühl her müsste ich auf der anderen Seite wieder hinauf, aber das sieht nicht befahrbar aus.

Ich versuche es trotzdem in die vermutete Richtung, muss aber stoppen. Ein Erdrutsch hat die Strecke verschüttet und ich komme den Berg nicht mehr hoch. Es ist so steil und rutschig, dass der Hinterreifen ständig durchdreht. Das wird hier nichts. Die Strecke kann durch den Erdrutsch im Moment offenbar nicht komplett befahren werden. Mir bleibt nur übrig umzukehren.

Als ich die Maschine wieder ohne Blessuren im Tal habe, will ich die Piste wieder hochfahren und realisiere schon bei der Anfahrt, dass ich hier zwar mit Mühe runtergekommen bin, jetzt aber das gleiche Problem auf mich wartet wie auf der südlichen Talseite: Ich komme den Weg nicht wieder nach oben, weil das Hinterrad auf dem losen Geröll keinen Halt findet. Oha: Ich stecke auf 2000 Metern Höhe in einem winterlichen Tal, aus dem ich nicht mehr raus komme.

Zum ersten Mal seit ich mit dem Motorrad unterwegs bin, habe ich Sorge, dass ich hier ohne fremde Hilfe in einer ganz blöden Situation stecke. Und mein Navi ist sowieso schon ratlos.

Aufgeben ist keine Option und die Letzte ist ein trockenes Flussbett, etwa einen Kilometer entfernt in nördlicher Richtung. Ich denke, wenn hier mal Wasser fliesst, muss das ja irgendwo hin. Hinter mir ist es höher, also fliesst es auch nach Norden.

Über Stock und Stein fahre ich dahin. Wobei „fahren“ gerade nicht das korrekte Verb ist… „Klettern“ (begleitet von übelsten Flüchen) trifft es besser. Und „Stock und Stein“ stimmt auch nicht. Es ist nur „Stein“, ähm, eher „Fels“.

Ich überlege wirklich lange, ob ich das machen soll, muss es dann aber versuchen. Und wo lande ich jetzt? In genau der Schlucht, vor deren Durchfahrt in einem Bericht gewarnt wurde! Mir fällt das erst auf, als ich die ersten Meter zwischen den steilen Felswänden hinter mir habe. Wie zum Teufel haben hier andere Menschen hergefunden?

Wenn eine Reisekonfiguration jetzt ungeeignet ist, ist es meine voll „bekofferte“ Tenere! Einmal liegt sie auf der linken Seite, dann auf der rechten. Die Steine und Felsen sind hier so gross, dass ich mehrmals hängen bleibe und überlege, abzubrechen und umzukehren. (Eine rein theoretische Überlegung, denn zurück geht es nicht…)

Zweimal komme ich nur weiter, als ich die Koffer abbaue, dann die Maschine 30 Meter weiterfahre und sie zu Fuss nachhole.

Als ich die tiefe und enge Schlucht geschafft habe, öffnet sich das Tal wieder etwas. Ich will jetzt nur noch zurück nach Midelt.

Mittlerweile ist es zu meiner Freude auch heller und etwas wärmer geworden und ich kann eine grobe Fahrspur erkennen, die aber wieder den Berg rechts von mir hinaufführt. Das sieht marginal weniger steil aus als vorhin, aber ich bleibe skeptisch.

Diesmal versuche ich es mit Anlauf. Ich komme etwa 100 Meter hinauf, dann ist wieder Schluss. Der Hinterreifen hat sich so tief eingegraben, dass die Maschine nicht mal mehr umfällt, als ich feststecke. Ich komme einfach nicht nach oben.

Positiv: Ich bin geübt im Koffer abbauen. Negativ: Wie kriege ich die Maschine wieder nach unten? (Runterwerfen ist gerade keine Option!)

Neben den Koffern nehme ich erstmal auch Gepäckrolle, Tankrucksack und den restlichen losen Krempel ab. Dann schaufle  ich mit den Händen das Hinterrad frei und schwöre mir: Nächstes Mal habe ich einen Klappspaten dabei!

Mehrmals muss ich am Lenker hin und herziehen und das Gas einsetzen, um das Motorrad in dem blöden Geröll wieder freizukriegen. Dabei stehe ich links neben der Maschine um sie notfalls abzustützen, falls sie fällt. Für das Stück zurück nach unten ins Tal benötige ich eine halbe Stunde und bin dann völlig fertig. Pause!

Ich habe zu Beginn der Tour neue TKC70 aufziehen lassen, weil ich mit 8000-10000 Kilometern gerechnet habe. TKC80 wären zumindest hier im Geröll die bessere Wahl gewesen. Egal, ich habe sie nicht und muss nun mit dem klarkommen, was aufgezogen ist. Die TKC70 sind super, stossen aber hier an ihre Grenzen. Das ist kein Problem der Reifen, sondern meine Fehleinschätzung in Kombination mit extremem Gelände.

Kräftemässig bin ich jetzt eigentlich durch, aber schlafen möchte ich schon gerne in einer festen Behausung. Ich will auf keinen Fall hier im Nirgendwo übernachten und habe auch kein Zelt mit. Egal was passiert, ich will wenigstens noch zurück nach Midelt.

So: Es gibt eine allerletzte Option auf der anderen Seite. Die hatte ich vorhin nicht gewählt, weil mir das als ein Weg ins Nichts erschien. Mal schauen, wie „das Nichts“ aus der Nähe ausschaut. Das ist auch gleichzeitig meine allerletzte Chance.

Als ich alles wieder beisammen habe und starten will, nimmt die Maschine kein Gas mehr an. Und jetzt wird mir langsam unwohl.

Ich drehe am Gasgriff, aber nichts passiert. Links an der Seite verläuft der Gaszug nach unten. Während ich den Griff drehe, schaue ich nach. Der Zug bewegt sich nicht, hat aber eine gewisse Spannung. Ich ziehe mit der linken Hand am Zug, kurz über der Drosselklappe und der Motor dreht hoch. Ok, theoretisch komme ich weiter. Ich müsste nur links unten ziehen statt rechts oben drehen, aber hier im Gelände ist das nicht die optimale Art der Fortbewegung. Was ist nur passiert?

Ich vermute, irgendwas am Gasgriff ist beim Hin und Her am Berg kaputt gegangen. Offenbar rutscht der jetzt durch. An meiner Tenere sind die Original-Yamaha-Heizgriffe montiert und ich weiss nicht genau, wie die im Griff befestigt sind, vermute aber, dass sich dort irgendwas gelöst hat.

Nur manchmal, nach mehreren Drehversuchen, packt der Griff. Aber sobald ich loslasse oder den Griff zurückdrehe, geht das Theater von vorne los. Ich kämpfe mich mehr schlecht als recht durch eine steppenähnliche Gegend in Richtung Norden, weil ich vermute, ich müsse da irgendwann auf die N13 treffen. Was für ein Schlamassel.

Wiederum eine halbe Stunde später erreiche ich tatsächlich die Verbindungsstrasse. Von der Richtung her müsste es rechts nach Midelt gehen, aber immer öfter nimmt die Maschine kein Gas mehr an. Gut ist, dass ich wieder auf befahrbarem Untergrund unterwegs bin. Schlecht ist, dass ich mit dem Gasproblem mehr Verkehrshindernis als Teilnehmer bin. Ich muss den Gasgriff lösen, dann wieder neu drehen. Mal klappt es, mal nicht. So kann das aber nicht weitergehen. In Midelt halte ich an und packe mein Werkzeug aus. Ich kann weder einen defekten Gaszug entdecken, noch schaffe ich es, die Mechanik des Griffs zu öffnen. Die Schraube am rechten Griffende will sich einfach nicht lösen.

Meine Idee: Wenn ich jetzt die Heizgriffe einschalte, dehnt sich der Griff vielleicht etwas aus und hat wieder „Grip“? Verblüffend: Es klappt, zumindest meistens. Ich fahre mit Griffheizung auf „Stufe Toaster“ weiter, weiss aber gleichzeitig, dass das so nicht weitergehen kann. Wenn es in der Wüste warm ist, sind beheizte Griffe kontraproduktiv.

Aber jetzt bin ich erstmal in Midelt und „safe“. Was für ein Auftakt. Ich wollte diesmal mehr Offroad fahren, aber so?! Vielleicht sollte ich mich auf Gelände konzentrieren, das ein normaler Mensch fahren kann, ohne sich in heftige Schwierigkeiten zu bringen?

Ich treffe die Entscheidung, für den Rest der Reise auf Experimente dieser Art zu verzichten!

Das nächste Ziel ist Merzouga. Zum dritten Mal! Beim ersten Besuch 2018 habe ich Erg Chebbi auslassen müssen, weil die Wettervorhersage 44 Grad angekündigt hatte. Beim zweiten Mal, letztes Jahr, habe ich mit der grossen 1200er Adventure und Sozia das Sandexperiment selbst gestrichen. Diesmal soll es soweit sein.

Die 260 Kilometer von Midelt über Er-Rich und Errachidia bis Merzouga sind schön zu fahren und ich lasse mir viel Zeit. Keine Felsbrocken im Weg, gescheiter Asphalt unter der Maschine und tolle Aussichten vor der Nase. Vor allem der Ziz-Canyon ist sehenswert und liegt direkt an der Strecke.

Leider muss ich heute die verlassene, antike Stadt südlich von Errachidia streichen. Die kommt auf meine nächste Marokko-Liste. In Merzouga werde ich nochmal einen Reparaturversuch am Gas versuchen, andernfalls finde ich dort bestimmt eine Werkstatt.

Ich erreiche Merzouga am Abend und freue mich schon auf die Wüstentour morgen. Mein Ziel ist dann die Geisterstadt im Süden und vielleicht noch etwas Spielen im Sand.

Eingecheckt wird im Riad Ali, am südlichen Ende von Merzouga. Da war ich letzten Oktober schon mit Carola und das gefiel uns gut.

Damals waren wir die einzigen Gäste neben einem anderen Paar, diesmal bekomme ich aber das letzte Zimmer.

Dafür gibt es einen schönen Platz zum Schrauben und neben der Tenere steht noch eine GS mit Dresdener Kennzeichen.

Den Abend geniesse ich mit einem wunderbaren Sonnenuntergang und unglaublichen Aussichten in die Wüste. Alles wirkt so friedlich und ruhig, aber der Schein trügt. In diesem Moment freue ich mich noch auf den nächsten Tag, an dem ich endlich mit dem Motorrad durch den Sand pflügen will.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen will ich einen weiteren Reparaturversuch starten, aber den rechten Griff bekomme ich immer noch nicht ab, auch nicht mit erheblichem Kraftaufwand. Kann das sein? Ich versuche es links und das klappt problemlos. Ist ja klar: Da wo es nötig ist, klappt es nicht. Da wo es egal ist, lässt sich die Schraube problemlos öffnen.

Zudem zieht ein Sandsturm auf. Im Hotel bitte ich um eine grössere Zange, aber das Personal bewegt sich nicht. Zudem frage ich präventiv nach einer weiteren Übernachtung, aber sie wollen jetzt tatsächlich 85 Euro für die nächste Nacht. Cash versteht sich. Wegen dem Sandsturm versteht sich. Ich checke aus, schade.

Es ist heiss und sehr windig. Sand und Staub kriechen in jede Ritze. Das einzige was ich noch schaffe, ist die kurze Fahrt zum 4×4-Museum am Ortsrand von Merzouga. Da stehen allerhand Fahrzeuge herum: Klassiker und Skurriles, alles Offroader. Früher war ich auf Sportwagen fixiert und hatte auch ein paar schöne Exemplare, aber mittlerweile steigt mein Interesse an 4×4-Offroad-Fahrzeugen. Aber das ist ein anderes Thema, das kommt auf meine Aufgabenliste!

Ich will nun endlich das Problem mit dem Gasgriff fixen und finde im Ort eine Toyota-Werkstatt. Zwei Jungs sind mit der Reparatur eines alten Renault beschäftigt und stoppen ihre Arbeit sofort, als ich das Motorrad abstelle und mein Problem erkläre.

Der ältere der beiden schnappt sich dann seine Zangen: Drei Stück! Eine kleine, die zu klein ist, eine mittlere die abbricht und einen furchteinflössenden Prügel, der es unter erheblichem Kraftaufwand schafft, das Lenkerende am Gasgriff zu lösen.

(Yamaha: Wenn ich den erwische, der den Griff montiert hat, gibt es Theater! Ich hätte das problemlos selbst reparieren können, wenn die rechte Zentralschraube nicht mit 500 Newtonmeter angezogen worden wäre. Was soll das?)

Tatsächlich hat sich der Kleber unter dem Heizgriff gelöst. Dadurch ging der Kontakt zum Innenteil verloren. Die Jungs beheben das Problem mit zwei Lagen Isolierband. Immerhin kann ich nun endlich mit unbeheizten Griffen weiterfahren.

Wobei „Weiterfahren“ nicht klappt. Der Sandsturm wird immer schlimmer und meine Fahrt durch die Wüste kann ich mal wieder streichen. So ein Mist.

Ich suche mir schnell eine neue Bleibe. Es wird das „Les Portes du Desert“ für 32 Euro inklusive Frühstück. Einige andere Motorradfahrer sind hier ebenfalls untergekommen.

Schon beim Abstellen der Maschine werde ich von Paolo aus Portugal empfangen. Er fährt eine KTM, arbeitet in der Schweiz, spricht gut Deutsch und wir sind sofort auf einer Welle. Die erste halbe Stunde verquatschen wir schon auf dem Parkplatz an unseren Motorrädern und kommen nicht mal richtig zum abpacken.

Dann gibt es noch ein Paar aus Italien. Er ist letzte Woche am Ortsrand von Merzouga mit seiner Maschine umgekippt und hat sich das Bein gebrochen. Seit dem sitzen die beiden hier fest. So ein Pech. Morgen soll ein Wagen kommen und sie abholen. Die Maschine wird dann nach Tanger gebracht. Sein Bruch ist provisorisch geschient. Ich überlege kurz, wieviel Glück ich bei meiner Aktion im Cirque Jaffar hatte.

Zwischendurch verkrieche ich mich auf dem Zimmer und beobachte, wie der Sandhaufen unter der Zimmertür langsam höher wird. Das andere Highlight des Tages ist mein Kleiderschrank. Irgendwie soll es wohl nicht sein mit der Sandfahrt. Aber da ich auch noch bis in die Westsahara will, besteht Hoffnung.

Später treffe ich mich wieder mit Paolo im Restaurant des Hotels, wo es auch eine Bar gibt. Im Raum steht ein Kühlschrank und wir erblicken darin Flaschen mit Wein und Bier. Der Abend ist gerettet!

Am späten Nachmittag gehe ich nochmal raus und checke die Lage. Es ist jetzt noch schlimmer. Der Sandsturm hat mit Windgeschwindigkeiten um 70 km/h zugelegt. Fahren ist unmöglich. Alle verkriechen sich in den Häusern und auf den Zimmern.

(Oder eben im Restaurant. Ich spare mir die Rekapitulation des Abends…)

Ich bin gerne früh raus und frühstücke als erster Gast im Hotelrestaurant. Die meisten anderen schlafen noch. Dann checke ich aus und gehe zum Motorrad um alles wieder aufzupacken. Paolo hat mich gesehen und kommt zur Verabschiedung. Es ist ein wunderschöner Morgen mit klarer Luft und strahlend blauem Himmel, ganz anders als gestern. Wir stehen da, schauen in die Weite der Wüste und können unser Glück nicht fassen. So frei und relaxed durch Nordafrika reisen zu können, ist ein Traum. Es gäbe die Idee, gemeinsam weiterzufahren, aber Paolo will nicht so weit in den Süden und hat eine andere Route.

Der Sandsturm hat sich verzogen und ich fahre zunächst in den Ort Merzouga. Da gibt es einen Quad-Verleiher, bei dem ich vorgestern einen Hochdruckreiniger im Einsatz gesehen habe. Ich denke, wenn ich ihm ein paar Dirham gebe, nimmt er sich die Tenere auch mal vor. Das klappt auch und der fiese, feine Sandstaub ist zehn Minuten später entfernt.

Nächstes Ziel: Gara Medouar. Das ist ein Ort, mitten in der Steinwüste westlich von Rissani, wo ein Gebirgszug in Hufeisenform einen idealen Platz für die Erbauung einer Festung geschaffen hat. Rundherum ist nichts, absolut nichts, nur Sand und Steine.

In jüngeren Jahren sind zwei Dinge passiert: Zum einen die Wahl als Set für eine James Bond Filmkulisse, zum anderen die Entscheidung von Yamaha, das Werbevideo für die Tenere 700 hier zu drehen. Klar, dass ich da hin muss oder?

Dann fahre ich von Merzouga nach Rissani, dort auf die N12 in Richtung Westen. In Rissani ist viel Militär stationiert und man spürt die Nähe zu Algerien. (Marokko und Algerien mögen sich nicht so gerne…)

Etwa 14 Kilometer hinter Rissani muss man nach Norden in die Wüste abfahren. Dann sollte irgendwann Gara Medouar erscheinen. Soweit die Theorie.

Ich stelle den Tageskilometerzähler in Rissani auf Null und fahre bis die 14 erscheint. Das passt, denn es gibt da ein paar Fahrspuren im Sand und wenn man die Silhouette von Gara Medouar kennt, kann man die Felsen in der Ferne erahnen.

Gara Medouar habe ich für mich alleine, wobei ich nicht weiss, ob es hier sonst lebhafter ist als an diesem Morgen. Die Ruhe kommt meiner Fotoleidenschaft entgegen.

Ich kann Bilder aus allen Richtungen machen und die unendliche Weite Marokkos einfangen. Das ist das faszinierende an diesem Land. Es gibt in diesem Land so viele Orte, da glaubst du, du bist der einzige Mensch auf dieser Erde. Es ist gleichzeitig unfassbar, wunderschön und furchteinflössend.

Tagesordnungspunkt Nummer zwei heute ist der erste Pass: Tizi Tazazert. (Ok, der Zweite, wenn man die Anfahrt zum Cirque Jaffar mitzählt) Dazu geht es weiter nach Westen über Alnif, dann N’Kob. Das sind 200 Kilometer, aber nur, wenn man direkt fährt. Ich habe das nicht vor.

Bis Alnif fahre ich runter von der Hauptroute und ab in die Wüste zum „Sand testen“. Die Temperaturen liegen bei maximal 25 Grad, also sehr motorradfreundlich. Wenn ich Wüstenfahrten ausprobieren will, dann hier und jetzt!

Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen, einfach nach Gefühl zu fahren. Noch dazu in einem fremden Land, oder gar in einer Steinwüste am Rand der Sahara. Jetzt bin ich zuversichtlich. Denn wenn es eine grobe Schotterspur gibt, so wie hier, bin ich sicher nicht der einzige Mensch auf dieser Strecke. Du weisst eben nur nicht, wann der andere kommt…

Die Landschaft ist aber Marokko pur. Weite, trockene Ebenen wechseln sich ab mit etwas Grün an den Stellen, wo Spuren von Wasser einfache Vegetation erlauben. Und du kannst fahren wo du willst. Keine Absperrungen, keine Schilder, keine Regeln.

Meine einzige selbst gesteckte Regel ist: Bleib oben und verletze dich nicht!

Es geht immer weiter nach Westen und irgendwo – ich glaube es ist noch vor Alnif – verliere ich auf einer der Pisten den Überblick. Ich müsste mich jetzt in der Nähe von Ait Ziggane befinden, aber mangels Mobilfunkversorgung (die sonst überall in Marokko wirklich hervorragend ist) kommen mir erste Zweifel und ich kann es nicht nachprüfen. Das Garmin hat da wo ich jetzt bin, weder Strasse noch Route. Ich fühle mich gerade etwas verloren.

Vorteil: Nördlich meiner Position müsste irgendwo die N12 in West-Ost-Richtung verlaufen. Damit habe ich eine prima „Auffanglinie“. Ausweichnavigation über Auffanglinien habe ich in meiner Pilotenausbildung gelernt und solche Tricks helfen eigentlich überall. Daher bin ich weiter zuversichtlich und spiele mit einer neuen Kamera-Fernsteuerung herum…

Naja, und manchmal kann man auch einfach die Bilder für sich selbst sprechen lassen.

Früher wäre ich schon beim Gedanken an Orientierungsverlust in so einer menschenleeren Umgebung ins Schwitzen gekommen.

Mittlerweile bin ich etwas entspannter und natürlich erwische ich die N12 dann wieder kurz vor Alnif. Übrigens hat jedes Smartphone heute einen Kompass. Unsere Generation weiss noch, was das ist…

Die Strecke von Rissani über Alnif nach Souk Tazarine ist übrigens viel schöner als Erfoud-Tinjedad-Tinghir. Den Tipp kann ich dir geben, weil ich jetzt beide Varianten ausprobiert habe.

(Auf der klassischen Marokkorunde fährst du irgendwann von Merzouga nach Tinghir. Wenn du das machst, fahre lieber über Alnif. Wobei, dann verpasst du die unterirdischen Wasserkanäle nordwestlich Jorf. Ach, es gibt so viel zu sehen…)

Zwischenfazit: Die Wahl der Tenere 700 für diesen Trip war bisher genau richtig. Ich sage jetzt nicht, dass sie hier besser geeignet ist als eine GS, aber bezogen auf das eingangs angesprochene Video, mit den ganzen angeblichen Unzulänglichkeiten, sollte der Verfasser eventuell zunächst an sich selbst arbeiten. Das Motorrad schafft die Herausforderungen locker. Im Canyon des Cirque Jaffar hatte ich mich selbst in die prekäre Situation gebracht. Dass ich keine Voll-Offroadreifen vom Format TKC80 aufgezogen hatte, war ebenfalls meine Entscheidung.

Hier in der weiten Ebene Südmarokkos funktioniert die Tenere einwandfrei. Und auf festen Schotterstrecken harmoniert sie hervorragend mit den Conti TKC70. Ich fahre die TKC70 schon seit Jahren und hinsichtlich Laufleistung, gepaart mit dem sehr weiten Einsatzspektrum, sind die eine sichere Bank. Ich gebe aber zu, dass ich seit zwei Jahren auch ein tägliches Sportprogramm durchziehe. Ohne stelle ich mir die Aufgabe schwierig vor.

Egal, jetzt folgt einer der ersten Pässe, die ich auf meiner Todo-Liste habe. Es sind einige diesmal. Den Auftakt dieser Liste bildet der Tizi-n-Tazazert. Sozusagen „zum Aufwärmen“. Ich fahre den 2.300 Meter hohen Pass mit Neugier an, denn während meiner Routenplanung von Süden (N’Kob) nach Norden (Boumalne) habe ich keine gesicherten Informationen über den Strassenzustand bekommen.

In N’Kob beginnt die Anfahrt zum Tizi-n-Tazazert an einer Tankstelle. Prima, denn die Tenere verlangt Nachschub. Beim Tanken spricht mich ein Marokkaner auf Französisch an. Auf sein „Ca va“ antworte ich reflexartig, aber falsch mit „Todo bien“ woraufhin er kurzum in ein fliessendes Spanisch wechselt. Welches breite Sprachtalent viele Menschen hier haben, das überrascht mich immer wieder. Gleichzeitig bin ich darauf wirklich neidisch.

Nun geht es hinauf in den „Jebel Sarhro“ mit seinem dunklen Fels. Dieser Gebirgszug, südlich des riesigen Atlas ist vulkanischen Ursprungs. Zu meiner Enttäuschung ist die Strecke mittlerweile durchgehend asphaltiert, wie so viele der klassischen Routen in Marokko. Dafür ist die Landschaft sagenhaft.

Bei der Auffahrt will ich an einer schönen Stelle Fotos machen und werde dabei von zwei Marokkanern angesprochen. Sie sind mit ihrem Moped ohne Benzin liegen geblieben und bitten vorsichtig um Sprit. Ich habe zwei Liter Reserve in einem kleinen Kanister dabei und kippe den Inhalt kurzerhand in ihren Tank, was sie mächtig freut.

Der Fahrer meint nach ein paar Schlucken, es wäre genug, aber wenn ich mir überlege, was mich das bisschen Sprit kostet und was er hier vermutlich verdient… Bei der nächsten Gelegenheit mache ich die Reserve wieder voll. Bis Boumalne komme ich mit dem in N’Kob gefüllten Tank allemal.

Auf der Passhöhe (2.308 Meter) sehe ich zum ersten Mal auf dieser Reise andere Motorradfahrer „in freier Wildbahn“. Es ist eine Gruppe Franzosen mit geführter Tour und Begleitfahrzeug. Begleitfahrzeug? Auf Asphalt? Echt jetzt?

Sie sind ebenfalls auf Tenere 700 unterwegs und mächtig stolz auf die „Bezwingung“ des Passes, als sie mich fragen, wo meine Gruppe ist… Ich stelle fest, dass wir nicht kompatibel sind.

 

Oben sind es nur 14 Grad und ich trinke einen Kaffee bei Brahim, einem netten Menschen, der das Lokal hier betreibt.

Er hat einen Arbeitsplatz mit unglaublichen Aussichten über den Jebel Sarhro! Das gefällt mir besser. Brahim versorgt mich mit Kaffee und einer kleinen Stärkung, während ich alleine und in Ruhe hier sitze und das Panorama geniesse.

Dann geht es bergab nach Boumalne. Die Strecke vom Tizi-n-Tazazert nach Boumalne (Dades) ist schön, aber ebenfalls keine Herausforderung. Das kann man mittlerweile locker mit jedem Motorrad fahren.

Es ist mittlerweile später Nachmittag und ich fahre noch bis El-Kelâa M’Gouna. Etwas weiter nördlich des Ortes finde ich eine gemütliche Kasbah, die von einer ursprünglich französischen Dame mit viel Liebe wieder hergerichtet wurde und jetzt als Bed&Breakfast dient.

Ich wähle die Kasbah, weil sie logistisch sehr günstig liegt, um morgen früh eine für mich spannende Route über drei ziemlich abgelegene Pässe zu fahren.

Die Strecke hatte ich letzten Winter recherchiert und keine belastbaren Informationen dazu gefunden, was meistens bedeutet, dass es meine Neugier weckt.

Die Route ist in meiner Karte (Reise-Knowhow Marokko) gar nicht vorhanden und ich weiss nicht, ob mein Plan klappt. Laut Auskunft der Französin wäre das sehr, sehr hoch und „nur mit Saumtieren passierbar“. Ich muss erstmal nachlesen was „Saumtiere“ sind… (Esel, Maultiere, etc.)

„Mit Saumtieren“ steht auch auf der abgegriffenen Karte (Auf deutsch!) die an der Wand im Flur der Kasbah hängt. Heisst das, dass ich da mit dem Moped nicht durchkomme? Ich denke an das Youtube-Video vom Winter, in dem jemand der Tenere die Geländefähigkeiten abspricht und muss schmunzeln. Na dann schaun wir mal…

Sie fragt genauer nach meinem Plan und ich erkläre ihr die Pässeroute, dann weiter über Tabant und Demnate, von dort wieder nach Süden, grob in Richtung Ouarzazate. Sie bezweifelt, dass das in einem Tag möglich ist. Die Strecke von Tabant über Demnate nach Ouarzazate wäre sehr schlecht. Mir ist das egal und ich bin zuversichtlich, irgendwo ein Dach über dem Kopf zu finden, falls es schief geht. Asphalt kann jeder.

Der nächste Morgen ist wieder genau so schön wie der vorherige. Aber frisch ist es, wirklich frisch: 12 Grad. Wieder ziehe ich die Unterjacke an und kann mich einfach nicht daran gewöhnen.

Ich fahre nach Norden, immer bergauf und die Strasse ist hier auch noch ganz gut. In den kleinen Dörfern laufen Kinder am Strassenrand auf dem Weg zur Schule.

Bevor es auf die drei Pässe in den hohen Atlas geht, liegt noch eine Schlucht auf meiner Route. Die „Gorges Amejgag“ habe ich per Zufall während meiner Winterrecherche gefunden. Ich weiss aber nicht, ob man die durchfahren kann.

Im Ort Amejgag frage ich mich durch und werde geradewegs durch kleinste Gassen geschickt, bevor ich den Eingang zur Schlucht finde. Zu meiner Freude ist sie deutlich einfacher zu fahren als die im Cirque Jaffar und die Optik wird nur durch die Betonrinne gestört, die Amejgag mit Wasser aus den Bergen versorgt.

Fahrtechnisch ist die Schlucht nur an den Stellen eine Herausforderung, an denen es so eng ist, dass man durch den Fluss fahren muss. Ich komme aber auch mit Koffern und Gepäck einigermassen gut durch. Und Flussdurchfahrten sind sowieso meine persönliche Vorliebe.

Man kann die komplette Schlucht durchfahren und gelangt dann am nördlichen Ausgang wieder auf die Route zu den Pässen, aber ich fahre alles nochmal zurück weil die Serpentinen direkt hinter Amejgag so verlockend aussehen. Zurück im Ort gerate ich direkt in eine Musikgruppe, die bei meinem Anblick auch direkt anfängt zu spielen.

Den Auftakt macht der erste Pass namens „Tizi n Ait Imi“. Ich bin begeistert, denn die Sonne strahlt zwischen ein paar Schönwetterwolken hervor und präsentiert den hohen Atlas von seiner schönsten Seite. Meinen Tank hatte ich in Boumalne gefüllt (inkl. Reservekanister) und genug Wasser ist auch dabei. Theoretisch müsste ich gut vorbereitet sein. Die Strasse bis hierher ist in Ordnung und asphaltiert, also steht der Fahrt zum Pass Nummer Eins nichts entgegen.

Ich erreiche den Ait Imi dann auch problemlos auf etwa 2.900 Metern. Der Belag ist hier oben zwar nicht mehr so gut und es ist eher ein Mix aus Schotter, Split und Asphaltresten, aber soweit akzeptabel. Nur recht kalt ist es geworden, irgendwas um die 8 Grad sind es und meine Finger merken das auch. Dass die Griffheizung funktioniert, weiss ich ja…

Andere Fahrzeuge gibt es übrigens nicht. In einem der Dörfer habe ich noch einen alten Mercedes Bus gesehen, aber abgesehen davon bin ich hier alleine unterwegs.

Dann wird die Strecke merklich schlechter. Der Asphalt endet und die restliche Route führt auf einer Schotterpiste weiter. Zudem sehe ich auf den Höhen des nächsten Gebirgszugs Wolken, die sich von Norden nach Süden über den Kamm quälen. Über mir ist es jetzt zwar noch sonnig, aber was da auf mich zukommt, sieht nicht gut aus. Gar nicht gut.

Dabei konzentriere ich mich auf Pass Nummer Zwei, den „Tizi n Ait Hmed“ und der hat es in sich. Die Strecke zeichnet sich durch erhebliche Schäden aus, die wohl noch vom letzten Winter zeugen. Grosse Schlaglöcher, Erdrutsche und notdürftig abgesperrte Abrisskanten prägen das Bild. Einige Stellen sind so eng und verschüttet, dass ich Sorge habe, abzurutschen. Das wäre hier blöd, denn es geht hunderte Meter abwärts.

Fotos mache ich mittlerweile mit der Sony APC-Kamera, weil ich die mit meinen klammen Fingern noch einigermassen bedienen kann. Ich habe Sorge, dass mir das iPhone aus der Hand fällt und pack es deshalb nur noch selten aus. Auf der Passhöhe muss es aber sein, denn mit 3.005 Metern stellt das den marokkanischen Rekord dar.

 

Meines Wissens gibt es in Marokko keine höhere befahrbare Route als diese hier. (Falls du eine kennst, sag mir bitte Bescheid) Sie wird in meinem Navi übrigens als „Route Terciaire“ angezeigt. Vielleicht hat der Name etwas mit den drei Pässen zu tun?!

Bei Passhöhen, zumal bei solchen über dem nächsten Tausender, wird ja gerne geschummelt und ich prüfe es mit beiden Navis nach: 3.003 Meter laut Anzeige. Hier scheint es also zu stimmen. Ich glaube, es gibt in ganz Europa keinen Pass mit mehr als 3.000 Metern. Du musst also mindestens bis nach Nordafrika, um das zu schaffen.

Dann wird es ungemütlich. Ich bin nun schon eine Weile unterwegs, fahre auf Pass Nummer Drei zu und mittlerweile liegt Schnee am Rand. Schnee!

Nachdem ich vom Ait Hmed wieder durch ein tiefer gelegenes Tal gefahren bin, muss ich für Pass Nummer Drei (angeblich heisste er „Tizi Tigdane“) natürlich wieder in die Höhe und in genau die Richtung, aus der die ungemütliche Wolkenfront herankommt. Mein letztes Foto für die nächsten Stunden ist dies hier:

Was dann folgt, ist eine wirklich haarsträubende Tour auf den Tizi Tigdane, von dem ich nicht viel erzählen kann. Die Sicht liegt bei 10 Metern, bestenfalls mal 20 und der Weg besteht nur noch aus Steinen, Löchern, Wasserlachen, Schneefeldern, Furchen, Rinnen. Das alles im dichten Nebel, der mir die Möglichkeit nimmt, den nächsten Abhang rechtzeitig zu erkennen. Das ist kein Spass mehr, sondern harte Arbeit mit einer schweren Reisemaschine. Fünfzig Kilo weniger wären auch ok…

Ich habe Sorge, irgendwo abzustürzen oder gegen eine Felswand zu knallen. Dass es hier keine Schilder, Stangen oder gar Leitplanken gibt, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Die Temperatur jetzt liegt nur noch bei 3 Grad und mir wird langsam Angst und Bange. (Ich gebe das hier mal ehrlich zu, aber sag es bitte nicht weiter!) Ich habe keine Sicht mehr und taste mich Meter für Meter vorwärts, weil ich den Verlauf der Strecke gar nicht mehr richtig erkenne.

Manchmal bin ich unsicher, ob ich noch auf der richtigen Route bin, so schlecht ist der Pfad. Immer wieder Steine, Geröll, Matsch, Dreck, Schnee. Und ich friere mir dabei den Ar… ab. Verflucht ist das kalt hier oben!

Nach etwa einer Stunde im Nebel kommen mir drei Marokkaner mit besagten „Saumtieren“ entgegen. Selten war ich so froh darüber, Menschen zu sehen. Irgendwie war mir unwohl bei dem Gedanken mich hier oben, so weit weg von der Zivilisation, alleine mit der Maschine abzulegen. Ich frage die drei zur Sicherheit nach „Tabant“ und bin dann ganz froh, als sie in meine Fahrtrichtung zeigen. Im Gegensatz zu mir sind sie übrigens gescheit gekleidet. Es ist wirklich saukalt und mit solchen Bedingungen hatte ich in Marokko nicht gerechnet. Vielleicht habe ich mir diesmal etwas zu viel vorgenommen? Hier oben alleine, wirklich?

Ich treffe die Entscheidung, für den Rest der Reise auf Experimente dieser Art zu verzichten!

Die Piste ist vom Winter dermassen übel zugerichtet, dass ich nun weitere drei Stunden benötige, um bis nach Demnate zu kommen. Normalerweise esse ich tagsüber sehr wenig, aber in Demnate brauche ich eine Pause mit warmem Tee und Energiezufuhr in Form von Nahrung. Ich finde eine Art Gartencafe direkt am Strassenrand, kurz vor Demnate, wo die Strasse wieder in Richtung Süden abzweigt.

Es ist schon Nachmittag, der Mann dort ist sehr freundlich und empfiehlt mir frisch gegrillte Spiesse mit Fleisch. Normalerweise esse ich tagsüber nicht und wenn, dann kein Fleisch. (Ich bin kein Vegetarier, aber nahe dran). Hier mache ich eine Ausnahme, weil ich merke, dass mein Körper Energie benötigt. Ich bin schon etwas ausgelaugt und man sollte auf seinen Körper hören.

Als ich fertig bin, will ich bezahlen und es werden 125 Dirham verlangt. Das ist für einen Tee und drei Spiesse in Marokko eine Frechheit. Ich will mich nicht beschweren, ringe aber mit mir. Normalerweise sollte ich meinen Unmut kundtun. Andererseits bin ich froh, hier zu sitzen und nicht mehr im Dreck oben zwischen 2.500 und 3.000 Metern umherzuirren. Hier sind es nur noch 1.100 Meter und ich bin knapp unter der Wolkendecke.

Ich überlege, wie schlimm von hier die Piste – ab jetzt wieder nach Süden – wohl sein mag und ob ich es noch bis Ouarzazate schaffe oder unterwegs irgendwo einkehren muss. Aber immerhin knackt die Aussentemperatur gerade die 10-Grad-Marke und ich habe wieder Sicht. Unter dichten Wolken zwar, aber Sicht.

Dreieinhalb Stunden sollen es von hier noch bis Ouarzazate sein, bestenfalls. Ich zweifle aber am „Bestenfalls-Zustand“ der Piste, nachdem was ich bisher erlebt habe…

Das Ergebnis der folgenden Sauerei jetzt mal ohne viele Worte:

Die Route nach Ouarzazate ist über weite Strecken in einem erbärmlichen Zustand. Sie bauen streckenweise, aber für mich sieht das eher nach Schadensbeseitigung vom Winter aus.

Irgendwann komme ich wieder in einer Region an, in der Infrastruktur in Form einer „Strasse“ erkennbar ist. Die ganze Aktion mit den drei Pässen war mindestens grenzwertig und die Streckenlänge ambitioniert. Nicht, weil man das nicht fahren könnte – wobei ich einigermassen Kondition und Erfahrung durchaus empfehlen würde – sondern weil durch das Sauwetter und die schlechte Strecke an Pass Drei, sowie die vielen Kilometer Schlammpiste danach, sehr viel Zeit verloren ging. Das ist eben Hochgebirge, dessen sollte man sich bewusst sein. Ich hatte es schlichtweg vergessen und trotz meiner dritten Marokkoreise immer noch das Sommer-Wüstenbild vor Augen. Es gibt Dinge, bei denen ich etwas mehr Respekt zeigen sollte!

Je weiter ich nun nach Süden fahre, desto wärmer wird es. Das ist auch dringend nötig, denn den ganzen Tag habe ich in meiner Sommerkombi gefroren.

Ich schaffe es am späten Abend bis Ouarzazate und finde am Ortsrand eine rustikale Unterkunft. Alles ist ziemlich einfach, aber die Leute sind sehr freundlich (und tolerant gegenüber verdreckten Motorradfahrern).

Die Tenere parke ich im geschlossenen Innenhof, mitten im südlichen Teil der Stadt.

Mein Zimmer ist – wie soll ich sagen – etwas skurril und besteht eigentlich nur aus Fliesen, dafür sauber und ordentlich. Ich brauche jetzt nur noch ein Bett, dann ist alles gut.

Dann telefoniere ich nach Hause und schildere (grob) den Tag: „Ja, alles prima, alles heil, schöne Berge, nichts Besonderes…“

Ich unterhalte mich am Abend noch eine Zeit lang mit dem netten Hausherrn, dann schlafe ich schneller ein als es dauert, ein Motorrad umzukippen.

Für den nächsten Tag muss ich mir eine Entspannungsroute suchen, sonst verfalle ich noch in den Stressmodus und das wär ja blöd… Ich weiss aus meiner Vorbereitung, dass es nicht weit entfernt einen wirklich schönen Ort geben soll: Die „Oase Fint“.

Vielleicht taugt die als Kontrastprogramm?

Hier geht es weiter zu Teil 2

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3 Kommentare

  1. Reiko 10/12/2023

    Herrlich !! Das war gestern mein Samstagabendprogramm, hat echt Spass gemacht. Du hast mir Marokko näher gebracht ,greifbarer und super schmackhaft gemacht. Freue mich auf die Fortsetzung.
    Besten Dank.
    …wunderlich das Deine Reise durch Marokko auch mit dem kleinen 16 Liter Tank funktioniert. Beste Grüsse Reiko

  2. Klaus 30/12/2023

    SUPER1

    ehrlicher Bericht, so ist es mir auch ergangen abseits der großen Strassen. Marokko ist immer eine Reise wert.

    Grüsse
    Klaus

  3. Michael Bergheim 11/01/2024

    Die Lektüre hat mir ein Grinsen ins Gesicht getrieben. Genau mein Ding. Freue mich schon auf Teil 2

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