Ich bin gerade von einer längeren Tour nach Deutschland, über die Route des Grandes Alpes, die Cote d’Azur und den ACT Pyrenäen zurück.
Meine engeren Kontakte haben das verfolgt und speziell zum ACT gab es viele Nachfragen. Ich vermute daher, dass das Thema für einen weiteren Kreis interessant ist. (Für mich selbst war es da ja auch…)
Die zentrale Fragestellung lautet, ob man das in einer speziellen Konfiguration fahren kann bzw. wie schwierig das ist. Wie immer ist es nicht ganz so einfach, dies zu beantworten und ich habe mir dazu eine mehr oder weniger strukturierte Herangehensweise überlegt.
Generell sind die ACT-Tracks dazu erstellt, dass man mit einer Reiseenduro in fünf Tagen einen solchen Track bewältigen kann. Fünf Tage deshalb, weil man dann mit einer Woche Urlaub, An- und Abreise einen ACT befahren kann.
Ein ACT soll dazu aus etwa gleichen Teilen Asphalt und Offroad bestehen, möglichst gut Land und Natur präsentieren, und einige Herausforderungen bieten.
Natürlich sind die Offroad-Passagen der spannendste Teil dabei und die Fragen zielen darauf ab, wie schwierig sowas ist. Nachdem wir (diesmal war ich tatsächlich nicht allein…) den ACT Pyrenäen komplett befahren haben, würde ich für die Beurteilung die folgenden fünf Punkte in der genannten Reihenfolge als wesentlich für die Befahrung nennen:
1. Wetter
Das Wetter ist der absolute „Gamechanger“! Ein Track, den jeder Laie bei Trockenheit als einfach bezeichnen würde, kann bei Regen und Nässe schnell zu einer unüberwindbaren Hürde werden. Wir hatten unser diesbezügliches Erlebnis an Tag 4, als wir oben im Wald in einer mehrere Kilometer langen Schlammpassage stecken blieben.
Bei knapp 30 Grad im Schatten hatten wir unter uns pitschnassen, klebrigen Schlamm, der sich 40 Zentimeter unter der Oberfläche von 30 Meter langen Pfützen versteckte. Zudem hatten schwere Waldfahrzeuge zum Holztransport in den Pfützen tiefe Spuren hinterlassen, deren genaue Position im schmutzigen Wasser nicht mehr sichtbar waren.
Als sich in diesem Dreck dann das Profil unserer Reifen mit Schlamm zusetzte, war der „Spass“ komplett.
An anderen Stellen ging es durchs Geröll mit Kindskopf grossen Steinen, die bei Nässe glatt wie Schmierseife sind. Auf einem solchen, nassen Track wegzurutschen ist nicht gut fürs Material.
Ganz zu schweigen von einem Erdrutsch, der die Weiterfahrt an dieser Stelle komplett unmöglich gemacht hat.
Generell würde ich sagen, dass ein vollständig trockener ACT wesentlich einfacher zu befahren ist als bei Nässe. Ein kompletter ACT im Dauerregen ist ein Alptraum.
2. Gewicht
Das Gesamtgewicht ist der zweitwichtigste Punkt. Ich bin auf der Tenere 700 mit Alu-Seitenkoffern gefahren. Das Gepäck hatte ich im Gegensatz zu meinen vorherigen Touren reduziert und schwere Sachen (z.B. Werkzeug) möglichst tief platziert. Das Werkzeugfach der Tenere am Unterfahrschutz ist dafür ideal. Auf meine Packrolle habe ich diesmal komplett verzichtet. Alles, was nicht mehr in einen der beiden Seitenkoffer passte, wurde konsequent aussortiert.
Ich rechne mal grob: 210kg Motorrad, 30kg Gepäck, 80kg Fahrer macht 320kg Gesamtgewicht. Mit einem noch höheren Gewicht würde ich einen ACT nicht fahren wollen.
Mein Mitfahrer war auf seiner Husqvarna 901 Norden Explorer mit Soft-Taschen unterwegs und insgesamt geschätzt nochmal 20-30 Kilogramm schwerer.
Generell gilt – wie immer im Gelände – jedes Kilo weniger hilft.
3. Reifen
Auf der Tenere hatte ich neue Conti TKC 70 aufgezogen, Detlef war auf Pirelli Scorpion STR (den ich persönlich nicht so mag) unterwegs, die auch erst 1.000 Kilometer runter hatten.
Mit reinen Strassenreifen würde man sich generell sehr schnell in Schwierigkeiten bringen, auch im Trockenen. Reine Offroad-Reifen wie z.B. der Conti TKC 80 sind wenig komfortabel auf der Landstrasse und dann nach 2.000 Kilometer Anreise auch schon deutlich mitgenommen.
Ich würde immer wieder zu einem ausgewogenen Mischreifen greifen. Beim nächsten ACT vermutlich zum noch besser geeigneten Mitas Enduro Trail+ (Ehemals: E07), der mir auf meiner spanischen GS Adventure seit einigen tausend Kilometern sehr gut gefällt und noch einen Tick mehr ins Gelände passt als der TKC 70.
Wer den Mitas auf Langstrecke benötigt, bestellt sich den in der „Dakar“-Version mit angepasster Mischung für längere Haltbarkeit.
Aber auch ein Heidenau K60 Scout ist auf dem ACT keine schlechte Wahl.
4. Motorrad
Einen Abend hatten wir ein Hotel neben der vom ACT empfohlenen Unterkunft. Dort habe ich mich mit zwei Portugiesen unterhalten. Die beiden waren nach ihren Erfahrungen auf dem ACT Portugal (Der soll sehr sandlastig sein…) auf Honda CRF 300 unterwegs. Sie sagten, sie hätten speziell für den ACT Portugal die leichten Bikes gewählt. Die Anreise in die Pyrenäen fanden sie aber nicht so bequem.
Ich habe vorher überlegt, die Tour mit meiner neuen 1250 GS Adventure zu fahren, mich dann aber kurz vorher entschieden, doch lieber die Tenere zu nehmen. Gottseidank.
Wenn du einen ACT mit einer schweren GS fahren willst, solltest du schon genau wissen was du tust und alle hier genannten Punkte penibel berücksichtigen.
Natürlich kann man einen ACT auch mit einer schweren GS fahren. Die Frage ist nur, ob man sich damit einen Gefallen tut. Ich würde nach meinen Erfahrungen jetzt immer wieder die Tenere 700 der BMW GS vorziehen. (Auf dem ACT natürlich, nicht generell!)
Und dann gibt es ja auch BMW GS mit weniger als 270 Kilogramm Gesamtgewicht.
5. Erfahrungsstand
Detlef und ich haben in etwa den gleichen Level in Sachen Fahrkönnen. Detlef ist mit sehr leichten Bikes (Beta) sehr viel im Hoope Park bei Bremen gefahren. Das ist eine wirklich fordernde Strecke und ich habe das mal ein Wochenende mitgemacht. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen solchen Muskelkater wie in den Tagen danach… Sowas übt aber gewaltig.
Ich kann zudem auf etwas Offroad-Erfahrung aus dem Enduropark Hechlingen und aus der Praxis der letzten 10 Jahre zurückgreifen. Uns beide würde ich weder als Profis, noch als totale Novizen bezeichnen. Wir liegen irgendwo dazwischen, vielleicht mit etwas Tendenz nach oben.
Der ACT Pyrenäen war für uns gut fahrbar, wenn man mal von der erwähnten Herausforderung im Schlamm absieht. Einzelne Passagen sind aber durchaus technisch schwierig und ganz bestimmt kein Kindergeburtstag. Bergaufpassagen über sehr grobes Geröll gehören dazu, oder auch mal umgestürzte Bäume.
Der ACT empfiehlt auf seiner Homepage, dass die Tracks für diejenigen gut sind, die mindestens zwei Offroad-Trainings unter professioneller Anleitung absolviert haben. Diese Aussage würde ich genau so unterschreiben.
Fazit
Ein eher unerfahrener Fahrer auf einer schweren BMW GS Adventure mit Strassenreifen legt sich bereits an Tag 1 „die Karten“. Dann braucht man nur noch Topcase, Übergewicht und ein paar Regenschauer und würde sagen: „Unfahrbar“, was in so einer Konfiguration dann auch stimmt.
Ein durchtrainierter Profi auf einer CRF 300 mit Rucksack und Sonne im Herzen pfeift wahrscheinlich auch im nassen Wald noch fröhlich vor sich hin.
Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit und du kannst dir die ganze Sache so angenehm wie möglich machen, wenn du die oben genannten Punkte berücksichtigst und für jeden einzelnen davon das maximal Beste für dich wählst.
Ich kam mit der Tenere 700 super klar und habe mich nicht ein einziges Mal auf die Seite gelegt, geschweige denn, dass ich gestürzt bin. Zwar habe ich ein paar mal geflucht, nur gehört das irgendwie dazu, oder?
Insgesamt waren speziell die fünf Tage auf dem ACT aber ein Motorrad-Traum und ich kann nur jedem mit Interesse an Motorrad-Reisen abseits asphaltierter Pfade empfehlen, den ersten ACT möglichst bald in Angriff zu nehmen. Der Pyrenäen-ACT führt durch fantastische Landschaften, die ich wahrscheinlich selbst nicht gefunden hätte.
Der komplette Reisebericht kommt dann später, inklusive jeder Menge spannender Erlebnisse und dem Zeitpunkt, an dem auch wir an unsere Grenzen gestossen sind.
Ich hoffe, das oben genannte hilft dir bei der Einschätzung, ob du mal einen ACT fahren möchtest. Habe ich noch etwas vergessen? Schreib es in die Kommentare.