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Korsika vs. Sardinien 2016

Ausgangslage

Wir beginnen Mitte Juni im verregneten Münsterland, fahren in Richtung Süden und sind ganz froh, dass es an diesem Tag mal trocken ist. Seit Mai fällt nicht nur ständig Regen vom Himmel, es schüttet immer wieder wie aus Kübeln. Aber an diesem Sonntag bleibt es mal trocken und wir starten unsere Reise mit den Zielen Korsika und Sardinien. Etwa eine Woche wollen wir uns pro Insel Zeit nehmen und sind ziemlich gespannt, wie sich die beiden im direkten Vergleich schlagen.

Dieses Jahr starten wir auf dem Motorrad statt mit dem Cabrio. Die Reaktionen im Vorfeld schwankten bei Freunden, Kollegen und Kunden zwischen Fassungslosigkeit und Unverständnis. Wieso tut man sich sowas an? Wie willst Du denn alle Deine Sachen mitkriegen? Das waren alles bevorzugt Fragen an Carola, die Ihrerseits in solchen Dingen ziemlich unkomliziert ist. Ich habe den Eindruck, dass unsere Gesellschaft mittlerweile ganz schön verwöhnt und bequem geworden ist. Eine Vorstellungskraft für Reisen abseits von Katalogpauschalen ist nur noch selten vorhanden. Was man da so alles verpasst…

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Anfahrt

Für die Hinfahrt plane ich drei Tage. Es sind von uns etwa 1200 Kilometer bis zum Hafen von Genua, wo die Fähre ablegt. Die Fährpassage für Hin- und Rückfahrt ist auch das Einzige, was vorgebucht war. Übernachten wolllen wir möglichst flexibel immer dort, wo es uns gerade gefällt.

Im Schwarzwald wohnt ein Geschäftspartner von mir und fast schon traditionell machen wir dort auf unseren südwärts führenden Reisen Halt. Gleichzeitig sind damit die ersten knapp 600 Kilometer auf eher unspannenden deutschen Autobahnen abgespult. Alles klappt ohne Probleme.

Der nächste Tag führt über Basel und den Gotthardpass durch die Schweiz an den Comer See. Wir nehmen den Pass statt den Strassentunnel, denn wir haben sowohl die Zeit als auch die Neugier und das Wetter spielt auch noch mit, verspricht also nette Fotos.

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Am Comer See hat es uns im vergangenen Jahr so gut gefallen, dass wir nochmal in Gravedona am Westufer übernachten. Wir buchen ein nettes kleines B&B über booking.com und genießen den Abend in einem Restaurant am Ufer.

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Am nächsten Morgen stehen nur gut 200 Kilometer auf dem Programm um die Abendfähre in Genua zu erreichen. Wir fahren diesmal am Westufer herunter, da wir das Ostufer schon im letzten Jahr gesehen haben. Dabei bietet das Westufer auch deutlich bessere Aussichten und die Strasse führt meist durch schöne Örtchen am See entlang. Selbstredend versuchen wir in Laglio das Anwesen eines gewissen Hollywoodstars zu finden, besitzen aber leider kein Gala-Abo und sind entsprechend schlecht vorbereitet. Da bringt Carola das Thema Mailand ins Spiel. Die Stadt liegt doch auf dem Weg nach Genua und wir könnten einen Abstecher machen, zeitlich passt es locker. Also fahre ich vom westlichen Autobahnring um Mailand in Richtung Zentrum ab. Es dauert nicht lange und wir stehen bei 32 Grad Celsius im stockenden Verkehr. Carola hat schon fünf Kilometer vor dem Stadtkern die Nase voll und möchte zurück zur Autobahn, aber mein Ehrgeiz ist geweckt: Sie wollte Mailand, sie bekommt Mailand! Mindestens der Dom muss formatfüllend vor uns auftauchen. Da dürfen Sommerhitze, Kopfsteinpflaster mit Straßenbahnschienen, Einbahnstraßen, Verkehrschaos und Kamikaze-Motorroller kein Hindernis darstellen. Irgendwann stehen wir vor dem Dom. Ich grinsend, stolz auf meinen Dickkopf und Carola komplett bedient. Aufgabe gelöst, Haken dran und raus aus der Metropole in Richtung Genua. In Wirklichkeit bin ich heilfroh, das Motorrad nicht irgendwo angeeckt oder im Schienenverkehr hingeschmissen zu haben.

Die weiteren Autobahnkilometer nach Genua ziehen sich irgendwie. Da sind die nervigen Mautstationen schon fast eine willkommene Abwechslung. Vor Genua wird es nochmal bergig und wir erreichen die Küstenstadt bereits am frühen Nachmittag. Genua stellt praktisch die Mitte der ligurischen Küste dar, was sich ja im Prinzip ganz gut anhört. Praktisch möchte ich es mal so beschreiben: Was in Norditalien ins Klo gespült wird, kommt in Genua raus. Genua ist bestimmt eine der schlimmsten Städte die ich in Europa kennengelernt habe, aber was solls: Wir brauchen ein Schiff zu den Inseln und das braucht nunmal einen Hafen. Während ich irgendwo an den Promenade (sorry – an der städtischen Abrisskante) eine Parkmöglichkeit für das Moped suche, finde ich nach gefühlten 30 Minuten den einzigen dafür nutzbaren Flecken: Kurz vor einem amerikanischen Schnellrestaurant auf der einen und einer bestialisch stinkenden öffentlichen Toilette auf der anderen Seite. Und das alles, während die Sonne brennt und sich neben uns eine Gruppe Penner streitet. Genua: Was für ein Loch!

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Wir holen uns ein kühles Getränk und fangen dann doch lieber an, das Fährterminal zu suchen. Aber da haben wir die Rechnung ohne die Italiener gemacht. Dabei ist die Aufgabe theoretisch lösbar: Wir sehen den Hafen und sogar eines der Schiffe der gebuchten Moby-Line, nur kommen wir nicht hin. Die Großbaustelle verhindert aus beiden für uns ersichtlichen Direktionen das Näherkommen in Richtung Zufahrt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, die jeweils an Absperrungen enden, gebe ich die genauen Adressdaten ins Navi ein. Das hilft zunächst auch nicht, da das Navi die Baustelle nicht kennt. Und schwupps fahren wir in sengender Hitze wieder auf der Autobahn. Und die führt uns – natürlich – direkt an ein Mautterminal an dem wir ein Ticket ziehen müssen um dann wenig später am Flughafen von Genua wieder 50 Cent herauszukramen und in den bescheuerten Automaten der nächsten Mautstation zu schmeissen.

Der Trick besteht nun darin, am Flughafen in Richtung Fährhafen zu fahren, ohne die Autobahn zu erwischen. Wir dümpeln durch ein hässliches Industriegebiet und ich versuche mittels Navibildschirm, Instinkt, Wünschelrute und Sonnenstand einen befahrbaren Weg zum Terminaleingang zu finden. Irgendwann ignoriere ich ein Durchfahrtsverbot und wir stehen im dunklen Schatten unter einer Schnellstrassenbrücke vor einem Einweiser. Zu diesem Zeitpunkt bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob ich mich über den Herrn in offizieller Kleidung freuen oder ihn massakrieren soll. Egal – Carola versucht in dem Chaos den laut Google-Maps existierenden Supermarkt zu finden, während ich auf unser Zeugs aufpasse (vor allem vor dem seltsamen Vogel der auf unser Zeugs aufpassen will..) und mich später dann noch ganz nett mit einem dazustossenden Belgier auf einer nagelneuen GS unterhalte, der auf seine Fähre wartet und bis nach Sizilien runter will.

Die Fährgesellschaft Mobylines gibt an, man solle mit Fahrzeug spätestens 90 Minuten vor Abfahrt an der Fähre sein, gleichzeitig darf man aber nicht mehr als sechs Stunden vorher dort auftauchen. Wir sind satte drei Stunden zu früh und ich plane daher das rechtzeitige Entern des Schiffs inklusive Bezug unserer gebuchten Kabine. Aber Fehlanzeige: Unser Schiff hat noch nicht einmal angelegt. Also warten wir stundenlang auf einer farblich markierten Asphaltspur, immerhin unter einem schattenspendenden Pavillion, während das EM-Spiel Deutschland gegen Nordirland ohne unsere Unterstützung stattfindet. Nur gut, dass ich Fussball eigentlich nicht mag. Aber Genua, was für ein Loch!

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Erst eine gute Stunde vor der geplanten Abfahrt dümpelt die Fähre in den Hafen und „parkt rückwärts ein“. Das folgende Bild ist im übrigen eine unverschämte Schmeichelei für die Stadt!

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Nachdem nur erstaunlich wenige Fahrzeuge und Passagiere das Schiff verlassen sind nahezu ebensowenig neue Reisende an der Reihe. Ich fahre die insgesamt ordentlich bepackte BMW aufs Schiff und denke dabei schon an die Gurtbänder, mit denen das Motorrad seegerecht und sicher zu fixieren ist, ganz so, wie ich es von der DFDS-Nordseefähre her kenne. Aber da ist der Italiener eher pragmatisch veranlagt. Statt doppelt mit Ratschen gesicherter Gurtbänder knotet ein stummer Bediensteter im Blaumann nur ein Stück Paketband über den Sitz, fertig! Ok, wenns hält…

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Wir beziehen schliesslich unsere Kabine und essen klassisch-spartanisch Brot mit Käse aus dem Supermarkt. Später nehme ich die Gelegenheit wahr, Fotos der Ausfahrt aus dem Hafen zu machen. Diese werden der Stadt Genua aber in keinster Weise gerecht, denn so idyllisch kann die Hölle nur bei Dunkelheit glimmen.

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Korsika

Wir schlafen gut und erreichen am Morgen die korsische Hafnstadt Bastia. Was für ein Kontrast zu Genua! Bastia empfängt uns mit herrlicher, morgenlicher Sommerfrische und einem traumhaften Blick auf das Uferpanorama.

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Die Abfahrt aus der Fähre erfolgt schnell, geregelt und unkompliziert und wir fahren einfach in Richtung Norden. Für den ersten echten Reisetag in der Zielregion steht der Norden Korsikas mit Cap Corse auf dem Programm. Wir fahren auf der D80, die immer an der Küste entlang führt. Die Ausblicke auf das Meer sind schon mit Verlassen von Bastia schön.

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An der „Marine de Pietracorbara“, knapp 20 Kilometer nördlich von Bastia, machen wir einen Frühstücksstopp und genießen direkt am Strand den Ausblick.

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Weiter geht es zur „Moulin Mattei“, dem bekannten Aussichtspunkt mit der ehemaligen Windmühle im Norden des Kaps. Ich hatte ein Bild in Erinnerung, auf dem zwei Motorradfahrer sich mit ihren Maschinen vor der Mühle fotografiert hatten und wollte das selbst auch gerne machen. Was ich nicht wusste war, welche Astrengungen man dafür unternehmen muss. Denn wer diese Szene selbst nachstellen will, muss mitsamt Motorrad hier hoch:

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Das lassen wir dann mal lieber mit einer vollbepackten Reise-GS und beschränken uns auf die Aussicht als Fussgänger.

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Weiter geht es an der Westküste von Cap Corse hinunter in Richtung Saint-Florent. Die Strassen sind in tadellosem Zustand und ein Traum für Motorradfahrer. Gerade jetzt – in der zweiten Junihälfte – ist auch noch sehr wenig Verkehr. Wir sehen kaum andere Autos und Wohnmobile und nur erstaunlich wenige andere Motorradfahrer. Es fährt sich traumhaft und ich bin irgendwann sogar froh, wenn die Strasse mal 100 Meter geradeaus führt.

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Gegen Mittag erreichen wir Saint-Florent und machen einen Abstecher ins Zentrum des kleinen, aber sehr feinen Hafenstädtchens. Es empfiehlt sich hier in der Tat eine Pause. Speziell die Gegend um den Marktplatz ist wunderschön anzusehen und wir nutzen die Zeit für ein leichtes Mittagessen in einem der netten Restaurants.

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Unten am Hafen warten derweil die Yachten auf ihre Besitzer. Alles hier sieht nach Reichtum aus und ich bin froh, dass wir oben am Marktplatz gegessen haben. Die Rechnung wäre direkt an der Hafenstrasse mit Blick auf die edeln Boote mindestens doppelt ausgefallen. Wie immer empiehlt sich ein Blick in die zweite Reihe, abseits der Touristenzentren. Saint-Florent ist jdenfalls ein sehenswerter Ort!

Weiter geht es auf der D81 der Nordküste entlang, vorbei am Naturschutzgebiet „Desert des Agriates“ bis nach Calvi.

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Dort stranden wir dann am frühen Nachmittag am Hafen, direkt unterhalb des alten Festungsturms. Wir lassen uns in einem Cafe nieder und befragen die Booking-App nach ansprechenden, freien Hotelzimmern in der Nähe.

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Dabei fallen die Angebote im Ort Calvi selbst aus dem Raster: Entweder zu teuer für die angebotenen Leistungen oder es gibt in der Stadt keine gute Abstellmöglichkeit fürs Motorrad. Stattdessen sehen wir einige interessante Möglichkeiten im Ort Algajola, den wir erst kurz vorher durchfahren haben. Wir fahren daher die etwa 15 Kilometer zurück und finden in Algajola das kleine Hotel Serenada direkt am Strand.

Die Dame an der Rezeption weist mir wie selbstverständlich einen Garagenplatz für das Motorrad zu und wir beziehen das blitzsaubere, modern hergerichtete Zimmer mit Balkon.

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Es ist perfekt und wir sind begeistert! Wir sind heute nur knapp 200 Kilometer seit Bastia gefahren, aber die Route hatte es in sich. Speziell Cap Corse erfodert die volle Konzentration: Die Strassen bestehen nur aus Kurven und ständig geht es irgendwo mindestens 100 Meter steilab über die Klippen ins Meer. Dafür sind die Aussichten traumhaft und die Landschaft einfach grandios!

Für den nächsten Tag muss ich aufpassen: Wenn ich Carola jetzt nicht etwas schone, steigt sie mir aus. Wir genießen deshalb ein ausgedehntes Frühstück auf der Hotelterrasse direkt am Strand und den Rest des Vormittags auf den hoteleigenen Strandliegen unter dem Sonnenschirm. Gegen Mittag checken wir aus und fahren über Calvi und „Punta Bianca“ mit toller Aussicht dann südlich über Galeria die berüchtigte D81b in das nur etwa 95 Kilometer entfernte Porto.

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Natürlich geht es wieder durch unberührte Landschaften, über Hügel und an Olivenhainen vorbei. Zwischen Punta Bianca und Galeria ist die D81b nahe am Zustand einer kasachischen Schotterpiste, während sie kurz vor Porto teilweise einspurig aus dem Fels gehauen wurde.

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Wir benötigen drei Stunden mit Fotopausen und erreichen dann Porto, den Ort, den die Unesco zum Welt-Naturerbe erklärt hat. Dort checken wir für zwei Nächte im Hotel Capo D´Orto ein. Die Zimmer sind tadellos, mit Balkon und Blick auf 1178 Meter hohe Felsformationen auf der einen und den Golf von Porto auf der anderen Seite. Dazu ein Pool, ein Garagenplatz fürs Moped und nettes Personal – es ist einfach toll!

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Für den nächsten Tag überlege auch ich kurz eine Pause einzulegen, reisse mich dann aber doch zusammen und planen einen Solo-Tag: Von Porto über Calacuccia, Castirla und wenn alles gut läuft in die ehemalige Inselhauptstadt Corte in die Restonica. Morgens nach dem Frühstück rüste ich die GS ab und fahre gegen halb Zehn ohne Koffer, Gepäck und Sozia in Richtung Corte. Es ist ein schöner Sommermorgen bei 24 Grad und im Hinterland rieche ich zum ersten Mal den typischen Geruch Korsikas. Meine Fahrt muss ich gefühlt alle 100 Meter unterbrechen um Fotos zu machen, so dermassen fantastisch ist die Landschaft und die Ausblicke.

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An einer Stelle treffe ich ein Pärchen mit Stuttgarter Kennzeichen, die mir eindringlich den Besuch der Restonica-Schlucht ans Herz legen! (als hätte ichs gewusst…) Ich folge gerne dem Tipp und weiter dem Verlauf der traumhaften D84 – einer Strasse wie aus dem Bilderbuch.

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Schroffe Steilwände, flüssige Kurvenpassagen, tiefe Schluchten und hohe Kiefernwälder wechseln sich gegenseitig ab, zwischendurch unterbrochen durch kurze Stopps wegen kreuzender Wildschweine, schlafender Kühe oder stoischen Ziegen mitten auf der Strasse.

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Es geht vorbei an der fabelhaften „Scala di Santa Regina„, den treppenartigen Wasserfällen hinter dem Stausee ins wirklich schöne Corte.

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Der Einstieg in die Restonica-Schlucht ist in Corte ganz gut ausgeschildert und die schmale Strasse – entgegen einigen anderslautenden Berichten – in beiden Richtungen befahrbar.

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Jetzt, Ende Juni scheint auch hier noch keine Hauptsaison zu sein, jedenfalls ist es ziemlich leer und mir kommen nur selten andere Fahrzeuge entgegen, einmal aber eine Gruppe Motorradfahrer mit ihren Damen hinten drauf: Und zwar im Bikini! Mittlerweile hat es heisse 36 Grad im Schatten (ja, auch wegen der Sonne…) und selbst am Ende der Schlucht auf 1300 Metern über dem Meeresspiegel sind es nicht viel weniger Grade.

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Am Ende gibt es einen Parkplatz, eine Holzhütte mit Bar und regionalem Schnickschnack und die Gelegenheit für Wanderungen und Fotos.

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Ich beschränke mich auf letztere, schon wegen der Zeit für die Rückfahrt. Das diese über die gleiche Strecke wie auf der Hinfahrt führt, freut mich schon jetzt – ich könnte die Route wohl auch vier Mal fahren.

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Irgendwann am späten Nachmnittag meldet sich auf meinem Display etwas zaghaft das Ölkannensymbol, verschwindet aber kurz später wieder. Das kannte ich von meiner ehemaligen GS (2008er Baujahr) nicht. Die aktuelle Maschine (2013er) möchte langsam Schmierstoffnachschub, worauf ich gar nicht eingestellt war und deshalb auch keine Reserve dabei habe. Ich bin aber sowieso kurz vor Porto und halte an der Tankstelle im Ort. Die Dame an der Kasse will mir einen Liter Premium-Tankstellen-Edelöl kaltgepresst für 23 Euro andrehen, welches nicht mal der nötigen Viskositätsklasse entspricht. Ich bin nicht begeistert, trete wieder auf die Strasse und sehe nur 50 Meter weiter eine ziemlich rummelige Werkstatt mit jeder Menge alter Reifen und einer Mobil-Fahne vor der Tür. Im „Büro“ sitzt… ähm, also in der Werkstatt residiert… ähm, also zwischen dreckigen Blechregalen befindet sich… Also „inmitten eines Haufens Schrott“ sitzt ein „älterer, wohlgenährter Herr“, der, nachdem ich meinen Wunsch äussere, in aller Ruhe aufsteht und eine Flasche lupenreines 20W-50 aus irgendeiner Ecke kramt und „Treize“ murmelt. Ich ermittle auf Basis meiner jämmerlichen Reste Schulfranzösisch die Zahl 13 und zahle mit einem zufriedenen Grinsen. Das ganze hat etwas von den „Ludolfs“ auf Korsika, aber zwei Männer und ein Motorrad sind nun bestens zufrieden!

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Ich fahre noch runter in die Bucht von Porto, mache Fotos und kaufe einen Korsika-Sticker für die Alukoffer, ein paar Old-School-Postkarten (ja, die auf Karton), Briefmarken (ja, die auf Papier) und fahre dann zurück zum Hotel: Was für ein Tag – ich bin im Himmel!

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Am nächsten Tag liegt der Süden der Insel vor uns. Der Plan sagt, über Piana und die Hauptstadt Ajaccio, Propriano, Sartene runter nach Bonifacio an den Südzipfel zu fahren. Direkt hinter Porto sind es am Morgen nur weniger Meter bis zu den „Calanches de Piana„, der berühmten Felsengruppe, die bei entsprechendem Licht scheinbar rot glühen und verschiedene Figuren darstellen.

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Wir sind an diesem Morgen eigentlich viel zu schnell durch und ich ärgere mich später das ich mir nicht mehr Zeit für Fotos genommen habe. Die Kulisse hätte es verdient. Gleichzeitig habe ich aber Sorge, im Angesicht der Streckenlänge das Tagessoll nicht zu schaffen. Die vergangenen Etappen waren ziemlich kurz, haben aber wegen der sehr kurvigen Strassenverläufe viel Zeit in Anspruch genommen.

Aber heute wird die Landschaft direkt hinter Piana flacher und wir kommen ziemlich gut voran bis Ajaccio.

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Es ist Samstagmittag und der Verkehr in der Inselhauptstadt macht keinen Spass. Scheinbar fährt gerade jeder Einwohner zum Einkaufen. Wir kratzen deshalb die Innenstadt und den Hafen von Ajaccio nur an und nehmen die sehr gut ausgebaute Schnellstrasse mit ihren langgezogenen Kurven über die Hügel in Richtung Süden. Badebuchten wechseln sich nun mit tollen Aussichtspunkten ab und wir erreichen die Hafenstadt Bonifacio so schon unerwartet früh gegen 15 Uhr. Dabei hält speziell die letzte dreiviertel Stunde bis Bonifacio wieder landschaftliche Highlights bereit, die viele Fotostopps erfordern. Bonifacio selbst präsentiert sich uns als lebhafte Hafenstadt mit darüber thronender alter Festung.

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Nur, wir finden einfach keine gescheite Übernachtungsmöglichkeit. Es ist wohl einiges im Angebot, aber den richtigen Wohlfühlcharakter der vergangenen Hotels vermittelt keines der angebotenen Häuser. Gleichzeitig erscheinen mir die Preise irgendwie noch höher als bisher. Die Booking-App schmeisst stattdessen jede Menge schnuckeliger Optionen in Santa Teresa Gallura, also an der Nordspitze von Sardinien aus. Das ist zwar eigentlich noch gar nicht unser Ziel, aber was solls, wozu sind wir frei und ungebunden unterwegs.

Wir fahren also runter an den Fähranleger und ich stelle mich einfach auf den Parkplatz. Der Einweiser fragt nach meinem (noch nicht vorhandenen) Ticket und verweist mich kurzerhand an das Ticketbüro nebenan. Ich kaufe am Schalter die Passage nach Sardinien und kann, am Motorrad angekommen, direkt aufs Schiff fahren. Die Fährgesellschaft ist wiederum „Mobyline“ und ich muss beim Anblick der Paketschnur zur Fixierung des Motorrads sofort wieder grinsen. Wenige Minuten später legt der Kahn ab und wir sind weitere 50 Minuten später auf der nächsten Insel: Sardinien. Etwas Wehmut schwebt dabei schon mit, denn Korsika war derart fantastisch, dass wir die Insel schon jetzt vermissen. Gleichzeitig sind wir nun gespannt auf Sardinien. So weit liegen die Inseln nun ja auch nicht auseinander und die Berichte aus dem vergangenen Winter waren auch fast alle gut.

Sardinien

Wir fahren somit gegen 18 Uhr von der Fähre und checken kurz später in einem kleinen, aber feinen Bed&Breakfast in der Via Magenta ein.

2063Der Empfang ist wirklich nett und anhand eines Stadtplans bekommen wir sofort Empfehlungen für das Abendessen. Der Supermarkt ist um die Ecke und das Stadtzentrum fussläufig erreichbar. Was jetzt aber nicht bedeutet das wir zu Fuss gegangen sind. In Turnschuhen und Shorts fahren wir am Abend durch die Strassen. Für italienische Verhältnisse ist das eine gehobene Sicherheitskleidung. Eine gelbe Warnweste legt man hier vielleicht an, wenn man eine Panne hat, aber sicher nicht um auf ein Moped zu steigen das noch mit eigener Kraft fährt! Wir essen dann im Ristorante Mediterraneo auch mal wieder zu „normalen Preisen“, denn in Bezug auf Übernachtungen und Essen war Korsika finanziell schon eine echte Ansage!

Neuer Tag, neues Ziel: Vorbei an Palau und Arzachena ruft die Costa Smeralda mit Porto Cervo, dann weiter über Olbia die SS125 hinunter über San Teodoro und Posada bis nach Cala Liberotto, denn dort habe ich ein (laut Beschreibung) nettes Hotel gefunden. Wir verlassen also Santa Teresa Gallura bei 24 Grad am Morgen und mit einem Super-Frühstück vom B&B im Bauch. Landschaftlich ist das hier aber eine deutliche Umstellung zu Korsika. Sehr viel flacher und weiter. Auf den Strassen kommt man viel schneller vorwärts und was mir auch auffällt ist die teils sehr seltsame Art der Italiener, Strassen und Orte zu beschildern. Wenn gerade noch ein Schild übrig ist, kommts an die Strasse und wenn nicht, dann eben nicht. Und wenns gerade da ist und nicht zur Richtung passt, dann ist das auch nicht schlimm. Navi und Beschilderung sind jedenfalls gerne und häufig unterschiedlicher Meinung! Achso – und in Schild mit Pfeil nach links bedeutet in 90 Prozent aller Fälle geradeaus. Das ist zwar nicht logisch, aber eine Tatsache. Im nächsten Winter mache ich mir mal Gedanken wo die Römer wirklich hin wollten als sie in Xanten gelandet sind… Wir verfahren uns jedenfalls das erste Mal so richtig in Palau. Irgendwann finde ich mit Sonnenstand, Navi und Glück wieder zur SS125, die uns hinter Arzachena an die Costa Smeralda führt.

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Jetzt lockt uns Porto Cervo und das ist ja sozusagen des Auffanglager für das obere Ende von Maslows Bedürfnispyramide. Wir tuckern zunächst durch die Strassen nördlich des Yachthafens und sehen das ganze Elend dieses Ortes. Überall muss man sich um die Bewässerung des Grüns, den Spaziergang des Hündchens, den Sitz der Gucci-Sonnenbrille oder die Lackpflege des Ferraris kümmern, welch eine Verantwortung! Wir wechseln daher zur Südseite der Bucht und folgen dabei einer sehenswert verranzten alten Honda Transalp im Military-Look. Ich denke mir: Wo der hinfährt sind wir richtig und folge dem graumelierten Herrn auch direkt ins Verderben.

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Er entert jedenfalls den Promi-Hafen und stellt seine vergilbte Maschine direkt vor einem Cafe in der ersten Reihe gegenüber den Luxusyachten ab. Wir folgen brav und setzen uns ebenfalls in die bequemen Sessel während ich mich darüber wundere, dass die Sitzbezüge alle ein Maserati-Logo ziert und der Champagner-Kelch schon am Vormittag eisbefüllt neben uns steht.

2071Höflich spreche ich den Herrn an, ob ich denn ein Foto von seinem Motorrad machen dürfe. Er schaut dabei etwas irritiert und bedeutet mir mit einer gönnerhaften Geste, er liesse mich wohl gewähren, so es mich danach gedünkt. Währenddessen ordert Carola zwei Cola Light (und erhält diesmal wirklich „Light“ und nicht „Zero“). Ich fotografiere also die Transalp (die ich wirklich geil finde, weil sie so überhaupt nicht hierher passt) währenddessen neben mir der Achtzylinder eines weissen Maserati GranCabrio MC wummert, da der Fahrer mal eben einen Schwatz mit den zufällig getroffenen Kumpels hält. Getroffen hatte er die schon als wir kamen, aber das ist ja kein Grund den Achtzylinder nicht die Klimaanlage mit Super Plus befeuern zu lassen, bei offenem Dach in der prallen Sonne wohlgemerkt. Direkt neben dieser surrealen Szenerie polieren zwei komplett in schwarze Anzüge gekleidete Herren den Lack dreier Rolls-Royce-Limousinen, denn hier befindet sich auch die örtliche Niederlassung der britischen Edelschmiede und die Auslegeware soll jederzeit ansprechend dargeboten werden. Man weiss ja nie, wer gerade einem spontanen Impulskauf nicht wiederstehen kann…

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Ich liebe es, solch ein Geschehen zu beobachten. Das ist besser als jeder Spielfilm, man muss nur immer schön auf die Details achten. Dann kann man sich ausmalen, welche Mühen auf den Schultern dieser Menschen liegen. Genug nun des Mitleids, denn auch wir haben unsere Last zu tragen. Und zwar in Form des weiteren Tagesprogramms. Wir zahlen also die zehn Euro für die beiden Cola Null-Drei und ich lege noch gönnerhaft zwei Euro Trinkgeld drauf, sonst denken die am Ende noch wir hätten nicht mal ein Boot?!

Wenige Kilometer weiter kommt uns nach einer Kurve ein Luxus-SUV mit Lichthupe entgegen und ich bin schon versucht, meine neuen Freunde (oder heisst das jetzt „Homies“?) zu begrüssen, besinne mich dann aber doch darauf aus reiner Vorsicht mal auf die Strasse zu achten. Und schon kurz später kriecht in aller Ruhe eine Schildkröte über den Asphalt, wobei sie sich wohl eklatant bei der Entfernungs- und Geschwindigkeitseinschätzung des motorisierten Verkehrs vertan hat. Sie erhält jedoch humane Hilfe bei der Querung und ich bin mir sicher, dass in Porto Cervo noch am gleichen Abend eine adäquate Charityveranstaltung stattfinden wird. Tierschutz geht ja eigentlich immer…

Zurück zur Etappe: Hinter Olbia steigt die Temperaturanzeige schon bis auf 37 Grad (Aussen-, nicht Öltemperatur).

2081Immer wieder verliert sich die Strasse im Nichts mit unsinnigen Beschilderungen und mein Navi (BMW Navigator IV = Garmin Zumo 660) quittiert nun auch noch seinen Dienst. Ich wünsche mir mein gutes altes 60Csx zurück, das ist unkaputtbar, liegt aber natürlich zuhause. Schön, dass ich die guten Papierkarten dabei habe, aber eigentlich reicht es uns und wir sind froh, dann in Cala Liberotto anzukommen. Der Ort bietet in einem Teil eher Campingflair, südlich davon aber unten am Meer einige versteckte kleine Hotels.

2087Wir checken so am frühen Nachmittag im Hotel „Fuile e Mare“ ein und freuen uns über eine Bar mit Terrasse, Meerblick, Palmen und Pool und ein Doppelzimmer mit Frühstück und Klimaanlage für 68 Euro die Nacht!

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Zum EM-Spiel Deutschland-Slowakei sind wir allemal rechtzeitig und schauen das Spiel mit wenigen weiteren Deutschen Urlaubern in einer nahegelegenen Bar. Deutschland gewinnt (erwartungsgemäss?!) mit 3:0, ich denke noch kurz an den Erwerb eines neuen Maserati, bestelle dann aber schliesslich doch nur eine Flasche trockenen Vermentino.

Der Montag beginnt mit dem Abrüsten der GS, denn Carola bleibt wieder am Pool. Ich baue die Koffer ab und beschränke mich auf den Tankrucksack und die Papierkarte. Mein heutiges Verhängnis besteht darin, die gleiche Kartengrösse wie in Korsika vor der Nase zu haben, Sardinien deshalb aber im anderen Masstab vorzufinden, ohne diesem kleinen, aber feinen Detail die gebührende Beachtung zu schenken. Dazu gesellt sich sodann die Existenz der „Monti del Gennargentu„, einem Gebirgskamm, den man nicht queren kann. Dies, zusammen mit den Worten „wenns ganz gut läuft bin ich vielleicht erst gegen Nachmittag zurück…“ mixt man sich ohne es zu merken zu einer echt kritischen Masse!

Zuerst muss ich tanken. Ich hoffe in Orosei auf eine „bemannte“ Tankstelle, denn wenn ich etwas in dieser Welt auf den Tod hasse, sind das Automaten in jedweder Form und Funktion. Ich kann mich da an eine Agip-Tankstelle in Norditalien erinnern, die 2005 mal 30 Euro von mir geschluckt hat ohne Sprit rauszurücken. Das hat dann  zu einem Gegenschlag meinerseits geführt, aber gut, andere Story… Die erste Tanke in Orosei ist eine…? Na…? Ratet! Ich ignoriere sie natürlich und darf am Ortsausgang eine Q8 mit richtigen Menschen an der Kasse ansteuern, welch ein Glücksgefühl, denn die Italiener lieben diese bescheuerten Tankautomaten. Hinter Orosei passiere ich die beeindruckend grossen und tiefen Steinbrüche, in denen der beige Marmor gebrochen wird, der wohl einen der Exportschlager Sardiniens darstellt. Riesige LKW fahren in die gigantischen Gruben und ich finde leider keine Gelegenheit die Maschine zum fotografieren sicher abzustellen.

2090Weiter geht es nach Dorgali, einem Ort der mir nur als der „halbfertige“ in Erinnerung verblieben ist. Alle Häuser befinden sich im Rohbau, sind aber offensichtlich bewohnt. Wie gesagt – in Dorgali sind sie noch nicht fertig geworden… Dann führt die SS125 einen wirklich fantastischen Berghang entlang und hier gibt es auch Gelegenheiten für Pausen, Fotos und tolle Aussichten.

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Kurz vor Santa Maria Navarrese fährt man noch durch „Baunei“, angeblich das schönste Dorf auf Sardinien. Also echt jetzt, das ist schon nett, aber dann war auf Korsika jeder Ort eine Filmkulisse. Ok, ich vergass, Baunei hat am Ortsausgang einen schönen Friedhof!

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Es geht hinab nach Tortoli und ich erblicke auf der Karte Arbatax. Da ich viel von Arbatax gehört habe, entschliesse ich mich für einen ungeplanten Abstecher und durchquere zunächst halbverfallene Industrieausläufer. Danach kommt eine lange gerade Strasse, in die ich wegen dem vielen Verkehr kaum einbiegen kann. Schliesslich finde ich den Hafen von Arbatax, der für mich den Charme des Ruhrgebiets an einem Sonntagmorgen verströmt. Nun gut, Arbatax existiert, ich weiss nur nicht wozu?!

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Es geht fix zurück in Richtung Tortoli und ich wechsle nun auf die SS198 in Richtung Lanusei und weiter nach Seui. Das sind tolle Strassen, es geht die Berge hoch und runter und ich erahne wieder, warum Sardinien bei Motorradfahrern diesen guten Ruf hat.

2100Bei Gairo ist der Wald schwarz verbrannt und dann folgt eines der verlassenen Dörfer.

Immer wieder bieten sich schöne Aussichten. In Seui mache ich nun – mittlerweile schweissnass und durstig – einen ersten echten Halt,  stehe am Ortsrand vor einem Brunnen und überlege unsicher, meine leere Wasserflasche mit dem eigentlich frisch erscheinenden Quellwasser zu füllen. Ob man das trinken kann? Ich vermute ja, aber eine Magenverstimmung will ich mir auch nicht einhandeln. Während ich so grüble, fährt ein uralter Fiat Panda vor und ein eher betagter Mann steigt aus. Er fragt mich höflich ob ich denn fertig sei und er an den Brunnen dürfe. Ich nicke nur etwas irritiert und beobachte das folgende Geschehen:

2107Der Typ füllt nun also das Wasser kanisterweise ab und bedeutet mir mir einem breiten Grinsen wie gut das reine, klare Bergwasser hier sei. So gut, dass alle Einwohner im Umkreis sich permanent dessen bedienen. Ich komme mir wie ein Idiot vor, quatsche aber irgendwie eine ganze Zeit lang mit dem netten Kerl obwohl ich überhaupt kein Italienisch kann. Seltsamerweise verstehen wir uns trotzdem und er empfiehlt mir dringend den Besuch der nahen Grotte „Is Janas“. Ich glaube aber, dafür reicht es heute leider nicht und in diesem Moment realisiere ich vier Dinge: Meinen Standort, die Uhrzeit, die Reststrecke und meinen physischen Zustand. Hinzu kommt noch die Unmöglichkeit den Rückweg abzukürzen, da recht breiter, 1000 Meter hoher Fels im Weg rumsteht. Also ab aufs Moped und hinter Seui die klitzekleine SP8 in Richtung Norden nach Aritzo fahren.

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Passenderweise steht am entsprechenden Abzweig ein Schild „Durchfahrt verboten“ und irgendwas in Italienisch was sich wie „Strasse kaputt nach 15 km“ anhört. Super! Die ganze Strecke zurück will (und kann) ich ja auch nicht, also was macht man nun? Richtig: Einfach ignorieren! Ich kenne da einen Kumpel, der mich bei einer solchen Entscheidung gelyncht hätte, aber der war Gott sei Dank zuhause in Deutschland, ha! Während ich nun die kleine Strasse bergauf und bergab fahre, versuche ich die Überlegungen zu vertreiben, warum ich so verflucht einsam bin. Vielleicht ist die SP8 einfach nur nicht die Haupttangente Sardiniens? Wahrscheinlicher ist aber, dass nach gut 17 Kilometern die Erdverwerfung mit aufgerissener Asphaltkante den Grund darstellt, während ein paar Meter weiter der Abhang irgendwie der Schwerkraft zum Opfer fiel. Ok, für einen PKW eine Herausforderung, aber wozu hat Gott die BMW R1200 GS auf Conti TKC70 erfunden?!

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2123Für das Durchkommen bedanke ich mich heute noch, denn so langsam neigt sich der Tag dem Ende. Ich habe Sorge, ob ich es bei Helligkeit noch ins Hotel schaffe und sehe zu, dass ich weiterkomme. Zum ersten Mal schmerzt heute meine rechte Hand und ich bekomme Blasen vom ständigen reissen am Gas. Nicht, das ich das so will, sondern die Streckenführung fordert das. Geraden habe ich schon seit Stunden nicht mehr gesehen. Auf der SS295 geht es dann über Tonara nach Fonni und dann in Richtung Mamoiada.

2129Hier realisiere ich mal wieder die Umgebung, da es sich wohl um ein recht grosses Weinanbaugebiet handelt. Hinter Orgosolo gehts dann endlich Richtung Norden auf die SS129, die nach Orosei und Cala Liberotto führt. Bei Einbruch der Dunkelheit komme ich völlig fertig aber auch glücklich wegen des unglaublich schönen Tourentags im Hotel an.

2138Diese Tour war einfach nicht gut geplant, da deutlich zu lang. Es waren „nur“ 358 Kilometer aber ich habe am Morgen zu viel Zeit mit so Dummheiten wie Arbatax verbummelt. Andererseits hat die Tour Sardiniens Ruf bei mir gerettet und ich habe viele nette Leute getroffen. An dieser Stelle zum Beispiel Grüsse nach Zwickau zu den beiden Generationen mit dem Wohnmobil… es würde den Rahmen hier sprengen.

Der nächste Standortwechsel steht an. Es geht an die Westküste Sardiniens und wir wollen die Insel zügig durchqueren. Das bedeutet, wir fahren die SS129 von Cala Liberotto über Orosei, Nuoro, Macomer nach Bosa. In Bosa geht es dann auf die vielfach angepriesene Küstenstrasse SP49/SP105 nach Alghero. Die Fahrt durch das Sardische Hinterland verläuft unspektakulär. Landschaftlich ist es hier nicht wirklich aufregend und sogar die Strassen sind ziemlich gerade, so dass wir gut vorankommen. Erst kurz vor Macomer erblicke ich auf der linken Seite der Strasse eine kleine Kirche mit der direkt daneben liegenden Nuraghe.

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Und Sardinien ohne die Besichtigung einer Nurgahe geht schon mal gar nicht!

2148Wir haben also die kleine Kapelle „Santa Sarbana“ etwa neun Kilometer vor Macomer erwischt. Die Gebäude stehen auf einer flachen Ebene, inmitten der weiten, unbebauten Pampa. Es gibt keine Bäume, keine Sträuche, nichts. Aber am Eingang steht ein netter alter Mann hinter einem selbstgebauten, improvisierten Tischchen und verkauft die Eintrittskarten für 2,50 EUR (oder so…) und hält selbstkopierte Papierflyer mit Informationen bereit. Wir sind die einzigen Besucher weit und breit und nehmen uns Zeit für die Besichtigung, Erkundung und Fotografie von Kirche und Nuraghe.

Dann geht es weiter bis Bosa und wir biegen am Ortsende ab auf die spektakuläre Küstentrasse SP49 nach Norden.

2164Endlich wieder Landschaft, Ausblicke, Kurven, Meer. Dieser Streckenabschnitt stellt tatsächlich eines der Highlights von Sardinien dar.

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Am frühen Nachmittag halten wir dann an einem Restaurant mit Blick über die Klippen. Am Nebentisch sitzt ein Spanier der uns interessiert nach unserer Motorradreise ausfragt und erzählt, er sei seit längerem zu Fuss in Europa unterwegs! Seine Route führte ihn über Frankreich, Belgien, Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen wieder herunter nach Italien, Korsika und jetzt Sardinien. Respekt! Und das alles zu Fuss! Korsika wäre am schlimmsten für ihn gewesen, da zu Fuss mit der grössten Anstrengung verbunden. Das will ich gerne glauben.

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Die Strasse geht dann weiter hoch in Richtung Alghero und wird irgendwann von der SP49 zur SP105, ohne das ich dafür einen Grund erkennen könnte, aber fahrerisch und landschaftlich ist es ein Traum. In Alghero befragen wir – wie fast immer – Booking und entscheiden uns für das „Sa Cheya Hotel Relais“ vor den Toren von Alghero im Osten der Stadt nahe der SS127. Wir wollen es gegen Ende der Reise nochmal „krachen lassen“ und checken in dem Vier-Sterne-Plus-Hotel ein.

2186Der Empfang ist ausgesprochen nett und wir können uns in Ruhe ein Zimmer ansehen bevor wir zusagen. Die Entscheidung dauert dann etwa zwei Sekunden, denn Zimmer, Bad, privater Balkon, Aussicht, Pool und Anlagen sind sicherlich Spitzenklasse.

2184Für den Rest des Nachmittags haben wir uns den Pool verdient und kurz nach Bezug zweier Liegen mit Sonnenschirm erhalten wir von Ricardo bereits zwei wohltemperierte Gläser Weisswein. Es ist traumhaft!

Mittlerweile ist Mittwoch und wir könnten im Sa Cheya auch locker eine ganze Woche verbringen. Leider erwischen uns daheim ein paar logistische Probleme und wir müssen abkürzen. Zunächst buche ich die Fähre online um, was über die Webseite von Mobyline kein Problem darstellt. Der Tag beginnt zum ersten Mal seit unserer Ankunft etwas bewölkt und ich beginne wieder einen Tag Solo, während meine zweite Hälfte verdientermassen den Pool geniesst. Ich fahre erstmal durch Alghero um die Stadt und den Hafen kennenzulernen und stelle dabei fest, dass im Tankrucksack noch die Postkarten von Korsika liegen. Blöd, denn darauf kleben französische Briefmarken und so muss ich nochmal vier Italienische kaufen und drüberkleben.

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Am Hafen finde ich ein ansprechendes Restaurant für den Abend und mache dann eine Entspannungstour über Fertilia zum Capo Caccia.

2198Hier gibt es tatsächlich mal Touristen und Wohnmobilaufläufe, wobei mir ein interessiert fragender Sarde im perfekten Deutsch erklärt, dass jetzt bald die Hauptsaison beginnen und das Capo Caccia dann völlig überlaufen sein wird. (Oha, dann wirds hier aber bald wirklich voll!)

2200Ich kann verstehen, dass die Gegend um das Kap die Touristen (mich eingeschlossen) anzieht, denn hier gibt es schon echt spektakuläre Panoramen. Wer zum Capo Caccia hochfährt sollte übrigens unbedingt das Schild „Panorama“ rechts an der Strasse beachten, diese kurze Nebenstrasse wählen, anhalten und rechts den kleinen Felshügel hochlaufen. Denn auf der anderen Seite wartet dann der Ausblick auf die „Isola Foradada„.

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Weiter im Norden will ich über kleine Strassen nochmal an die Küste. Die kleine Strasse wird zu einem Weg, der zu einer Schotterpiste, diese zu einem Sandpfad. Aber dann stehe ich mitten im Nichts und Kilometer um mich herum ist kein Mensch mehr zu sehen. Ich stehe in der Nähe des „Torre Bantine Sale“ und finde diesen Ort fabelhaft!

2219Das ist gleichzeitig ein schönes Beispiel für die Existenzberechtigung von klassischen Papierkarten. Google Maps kennt den Ort nicht, meine Marco-Polo-Karte sehr wohl. Google Maps kennt viele Strassen, aber Marco-Polo weiss ob diese auch landschaftlich schön sind und markiert diese dann grün. Ich wollte nicht darauf verzichten und Stand heute ist die Landkarte Google-Maps sehr wohl noch überlegen!

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Auf dem Rückweg  gehts noch in den Ort Maristella, den man sich abgesehen von einem Festungsturm schenken kann, aber an der Landstrasse zurück nach Alghero mach ich noch an der Ausgrabungsstätte der „Nurgahe Plamavera“ halt. Der Komplex gehört zu einer der grösseren Nuraghenstätten auf Sardinien und ist wohl auch recht bekannt.

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Nach heute nur 84 Kilometern komme ich am Nachmittag wieder im Hotel an und geniesse noch ein paar Stunden Pool. Am Abend wollen wir mal Hummer essen und fahren wieder mit italientypischer Motorradkleidung (Shorts, Hemd, Turnschuh) an den Hafen von Alghero ins „Aquatico“. Den Hummer können wir vorab auswählen und wir bekommen dafür zwei fangfrische Exemplare lebend präsentiert.

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Wir haben einen letzten tollen Abend in Alghero mit allem was dazugehört, inklusive Hafenblick und Sonnenuntergang und fahren dann – mittlerweile bei Dunkelheit – die wenigen Kilometer zurück ins Hotel.

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Heute geht unsere Fähre zurück nach Genua. Wir müssen gegen 11 Uhr auschecken, da das Hotel zwischenzeitlich ausgebucht ist, aber das Personal unternimmt wirklich alles um uns noch einen angenehmen Tag zu bescheren. Wir sind weiterhin ausdrücklich willkommen, bleiben noch bis 15 Uhr am Pool und bekommen dann Dusche, Umkleideräume und Waschgelegenheiten. Es verstreicht keine Gelegenheit, ohne Hilfsangebot oder ein freundliches Wort. Wenn man ein Hotel besonders hervorheben sollte, dann das „Sa Cheya“ in Alghero und würde ich ein Hotel besitzen, ich würde mindestens Ricardo abwerben, besser gleich das gesamte Personal – ganz sicher!

Irgendwann müssen wir dann aber doch los. (Sorry, ich vergaß: Natürlich nicht ohne die 1950er Moto Guzzi des Rezeptionschefs bewundern zu dürfen!) Dann gehts ab in Richtung Sassari, Ossi um bei Oschiri endlich die hässliche SS597 bzw. E840 in Richtung Norden verlassen zu dürfen.

2251Wir entscheiden uns für die wahrlich schönere Variante über die SS392 am „Lago del Coghinas“ über Tempio und dann die SS127 in Richtung Olbia.

2257Diesmal begehen wir aber nicht den Fehler einer zu frühen Ankunft im Hafen und suchen uns in einer Nebenstrasse eine Pizzeria um nicht in die Verlegenheit zu geraten, das Abendessen auf der Fähre einzunehmen (Wie häufig: Mieseste Qualität, dafür aber teuer). So sitzen wir unter Bäumen, geniessen das Essen und schwatzen noch nett auf Englisch mit dem Restaurantchef über dies und das und vereinbaren mit einem Schmunzeln, Italien rechtzeitig zu verlassen, bevor in 48 Stunden unsere beiden Mannschaften bei der EM in Frankreich aufeinander treffen. Erst etwas zu spät bemerke ich den darüber ziemlich finster dreinblickenden Familienvater am Nebentisch, der ein T-Shirt mit Union Jack trägt und dessen „Three Lions“ gerade sensationell vom Fussballzwerg Island aus dem Turnier gekegelt wurden. Anyway – wir kommen ziemlich pünktlich 90 Minuten vor Abfahrt am Terminal an, fahren praktisch direkt auf die Fähre und begeben uns nach Bezug unserer (vom Zustand her grenzwertigen) Kabine mit einer Flasche Weisswein an Deck.

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Am nächsten Morgen weckt uns wenigstens die Sonne, da wir bei der Umbuchung nur noch eine teurere Aussenkabine erhalten haben. Bei der Einfahrt in den Hafen erblicke ich die jämmerlichen Reste der „Costa Concordia„, die sich mitten im Abwrackprozess befindet und kaum noch zu erkennen ist.

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Mit Schaudern denke ich an Genua und freue mich, weil wir nur von der Fähre herunter und dann schnell in Richtung Mailand fahren müssen. Aber da habe ich die Rechnung ohne Genua gemacht! Wir stehen ziemlich weit hinten in der Fähre und es dauert eine Ewigkeit bis die Fahrzeuge davor entladen sind. Die wenigen Meter aus dem Bauch der Fähre bis auf den Hafenkai werden nun die letzten flüssig gefahrenen in Genua sein, denn wenn diese wirklich grosse und hässliche Hafenstadt auf eines nicht vorbereitet ist, dann ist das die Ankunft einer Fähre im Hafen. Eine Stunde lang geht gar nichts, weil durch die Baustelle die Menge an Fahrzeugen nicht in den Stadtverkehr gelangt. Nach einer Ewigkeit stehen wir an einem Kreisverkehr wo die Polizei ohne auch nur den geringsten Erfolg den Verkehr zu regeln versucht. Dahinter verhindert ein Unfall in einem Tunnel den Verkehrsabfluss aus dieser Kloake Europas. Und das alles bei schon 30 Grad am Morgen. Genua, das ist die Hölle auf Erden!

Bis Mailand hat sich meine Laune dann wieder beruhigt und wir kommen mittlerweile ganz gut voran, abgesehen von den Mautstationen. Über Lugano fahren wir in die Schweiz und den Gotthardtunnel. Kurz vor dem Tunnel machen wir nochmal Halt und ich knöpfe mir wegen des 17 Kilometer langen Tunnels die Jacke zu und schliesse alle Reissverschlüsse, weil ich im Berg mit Kälte rechne (ich Idiot!). Schon kurz nach Einfahrt wird mir warm und ich kontrolliere die Temperaturanzeige im Display: 27, 30, 32, 35 Grad. Nach einigen Kilometern verzeichne ich unseren neuen Temperaturrekord bei 38,5 Grad Celsius. Ich brate im eigenen Saft und habe Schweissperlen auf der Stirn. Wieder bin ich eine Erfahrung reicher: Tunnel sind nicht immer kalt, der Gotthard schon gleich gar nicht!

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Na gut, wir kommen immerhin bis hinter Basel nach Weil am Rhein und buchen uns in der Nähe von Gengenbach im sehr gut bewerteten kleinen „Hotel Hirsch“ ein. Ich freue mich auf einen urgemütlichen Biergarten und ein kühles Getränk. Was ich dabei allerdings übersah: Das Restaurant besitzt einen Michelin-Stern. Wer brauch sowas? Wir finden uns inmitten von betagten Herrschaften wieder, die sich an drei Gängen Schickimicki-Menü erfreuen und mit der Kellnerin diverse Geschmacksnuancen erörtern. Währenddessen bearbeitet der Handwerkernachbar in 10 Metern Entfernung am Freitagabend um halb Acht noch seine restlichen Trapezbleche mit Hammer und Trennhexe. Dabei wollte ich doch nur ein gemütliches Bier zum Schnitzel… Egal – nach der Bestellung einer Karaffe Weisswein ziehen wir uns in unsere Gemächer zurück um am nächsten Tag die restlichen gut 500 Kilometer Heim zu fahren. Also das Haus war schon ok und die Zimmer prima und grosszügig, aber vielleicht wären wir einfach in der zünftigen Gaststube um die Ecke besser aufgehoben gewesen.

Fazit

Das war eine fantastische Zeit. Wir waren 2015 an den oberitalienischen Seen schon begeistert, aber diese Reise hat nochmal deutlich einen draufgesetzt! Meine Recherchen im Winter vorher haben keinen direkten Vergleich zwischen Korsika und Sardinien ergeben, daher möchte ich die Gelegenheit für eine Kurzversion nutzen:

Korsika:

Ein klares Plus in Sachen Küste, Strassen, Panorama, Berge. Landschaftlich unfassbar schön ist die Insel fast nicht mehr zu toppen, vor allem in der Nordhälfte. Die Strassen sind überwiegend im ausgezeichneten Zustand, aber wenn man auf einen beschädigten Abschnitt trifft, dann ist der auch gleich richtig kaputt! Und wer nicht zu 100 Prozent bei der Sache ist sollte besser nicht fahren, denn die Aufmerksamkeit ist jederzeit gefordert. Das Tankstellennetz ist dicht, der Verkehr dagegen praktisch nicht vorhanden. Die Korsen sind im Umgang teilweise speziell und machen den Eindruck sie blieben lieber unter sich, nach wenigen Sätzen wird die Atmosphäre meist aber freundlicher. Korsika als französisches Territorium ist deutlich teurer (etwa Faktor Zwei gegenüber Italien), vor allem beim Essen und bei den Übernachtungen. Mit Englisch kommt man nicht so gut voran, dagegen bringt schlechtes Französisch einen eher weiter.

Sardinien:

Etwa doppelt so groß wie Korsika und von dessen Südspitze mit der Fähre in 50 Minuten erreichbar. Landschaftlich ganz nett, solange man Korsika nicht kennt. Auf Sardinien muss man sich die tollen Gegenden hart erarbeiten, wird dann aber auch belohnt. Vor allem die Bergregion im Bereich zwischen Nuoro, Laconi, Lanusei ist klasse und hält unglaublich viele kleine Nebenstrassen bereit auf denen man über Kilometer alleine unterwegs ist. Hier kann man tagelang fahren und sucht sich am Besten ein Basislager an der Ostküste. Die Städte und Dörfer sind teils ungepflegt und etwas lieblos dahinbetoniert. Strassenschilder sind vorhanden, dienen aber maximal der groben Orientierung ob man noch auf der richtigen Insel ist. Was auf Google-Maps grün erscheint ist auch schön, aber man sollte alleine hiermit mal beide Inseln vergleichen. Wirklich nachvollziehen kann ich die Sardinien-Euphorie nicht, trotzdem ist die Insel ganz nett.

Unsere Reise-Fakten:

4.099 Kilometer auf eigener Achse (ohne Fähren)

Zeitraum Mitte Juni bis Anfang Juli 2016 (Ende der Vorsaison)

10 Verschiedene Übernachtungen (teilweise mehrere Nächte pro Haus)

2.554,69 EUR inkl. Übernachtung/Essen/Fähren/Maut/Sprit/usw.

(Kosten f. 2 Personen, bei absolut nicht sparsamen Verhalten!)

Individualschäden: Keine

Kollateralschäden: Genua

 

Route Korsika

RouteKorsika

Route Sardinien

RouteSardinien

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