Die Idee:
Urlaub mit Kindern, zumal mit zwei nicht völlig anspruchslosen Mädchen, hat auch Nachteile. Sie wissen ziemlich genau was sie wollen und finden zwei Wochen Strandurlaub All-Inclusive einfach besser als eine Tour quer durch die Alpen. Die Idee der älteren Tochter, den Urlaub zu splitten, fanden wir toll! Denn so konnte jeder seinen Wünschen folgen.
Auf unserem Programm standen somit diverse Dinge, die wir zwar schon sehr lange vorhatten, die aber aus oben genannten Gründen bisher nie zur Durchführung gelangten. Die oberitalienischen Seen (Maggiore, Lugano, Como, Iseo, Garda) waren genauso gesetzt wie der Bodensee, die Dolomiten, ein paar Pässe wie Stelvio, Ofen und Reschen und die Region um Berchtesgaden.
Dabei wollten wir uns einfach treiben lassen, nichts vorbuchen und dort verweilen wo es uns am besten gefällt.
Die organisatorischen Limits waren nur noch die Zahl der Urlaubstage und das Budget. Für die Vorbereitung hab ich auf das sehr gute Kartenmaterial von Marco Polo zurückgegriffen (Motorradkarten Alpen für 29,90 EUR, Blattsammlung im Ordner). Ausserdem noch Google Maps mit Routenplanung für die grobe Abschätzung der Etappen (Strecke und Zeitbedarf). Zudem natürlich diverse Google-Recherchen für Sehenswürdigkeiten, Tipps und lokale Infos zu den Zielen.
Unsere Route führte uns aus dem Münsterland zunächst in den Schwarzwald nach Durbach wo ich einen Geschäftsfreund besuchen wollte. Hier beginnt daher auch unser Bericht:
1. Tag, 521km (16.07.2015)
Route: Münsterland bis Durbach im Schwarzwald
Via: Köln, Frankfurt und unspektakulär, da nur Autobahn
Überachtung: Hotel Rebstock Durbach
Wir sind nicht zum ersten Mal in Durbach, aber das erste Mal im Hotel Rebstock. Ein wirklich empfehlenswertes Haus mit hervorragendem Ambiente, einem sehr gemütlichen Garten (den wir auch sofort mit den Sonnenliegen nutzen), sehr schönen Zimmern und einer herausragenden Küche. Leider bleiben wir hier nur eine Nacht, da wir ja ganz andere Pläne für unseren Urlaub hatten.
2. Tag, 301km
Route: Durbach bis Salem (Bodensee)
Via: Triberg, Konstanz, Überlingen
Übernachtung: B&B über einer Pizzeria ohne Namen
Vom Schwarzwald aus wollen wir nun nicht mehr über die Autobahn und fahren ziemlich quer über Triberg und finden dort den angeblich höchsten deutschen Wasserfall.Wie man das gemessen hat ist wohl nicht ganz nachvollziehbar, aber später in Berchtesgaden finde ich augenschienlich spektakulärere Varianten. Immerhin fahren wir unterwegs auch am Kuckucksuhren-Outlet vorbei. Die Betonung liegt dabei auf „vorbei“…
Meine letzten Tagen am Bodensee sind ungefähr 30 Jahre her. Der grösste deutsche See ist daher unser Ziel für den heutigen Tag. Wir schauen uns Konstanz an, eine Stadt die zumindest im Zentrum einiges zu bieten hat und uns auch gut gefällt. Die Route führt uns dann im Uhrzeigersinn um den See und wir durchfahren auch Ludwigshafen und Überlingen, während wir eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. Die Idee war ohnehin die spontane Suche. Leider sind die Gastronomen darauf nicht eingestellt und auch nicht sonderlich flexibel hinsichtlich zweier Reisender mit dem Wunsch nach einem Bett und einem Frühstück. Man kann es vorweg nehmen: Nie wieder auf unserer Reise sind wir auf so unfreundliche Menschen gestossen wie am Bodensee. Erst abseits des Sees in der Nähe des Ortes Salem finden wir eine Pizzeria die auch zwei Ferienwohnungen mit Frühstück anbietet. Wir nutzen die Gelegenheit und ändern fortan die Taktik: Ab jetzt wird mittels Booking-App gesucht und anhand von Beschreibung, Bildern und Berichten eine Vorauswahl am Zielort bestimmt. Da wir uns in der relativ einfachen Ferienwohnung bei 35 Grad und ohne Klima ziemlich unkomfortabel fühlen buchen wir für den folgenden Tag ein Hotelzimmer in der Deluxe-Variante für ca. 140 EUR inklusive Frühstück. In weiser Voraussicht habe ich vor unserer Abreise für mein Ipad eine internationale Daten-SIM bestellt. Die gab es im Internet für ca. 36 EUR. Diese SIM beinhaltet ein Volumen von 1GByte für 30 Tage und ist unter anderem gültig in der Schweiz, Österreich und Italien. Und damit ist sie auch für normale Menschen benutzbar und eine echte Alternative zu den seit Jahren gängigen, unverschämten Auslands-Abzockertarifen unserer heimischen Mobilfunkverbrecher.
3. Tag, 353km
Route: Bodensee (Salem) bis Meina (Lago Maggiore)
Via: Lindau, Bregenz, Chur, San Bernadino, Locarno, Ascona, Brissago, Stresa
Übernachtung: Hotel Bel Sit
Wir fahren morgens in Richtung Süden und passieren dabei Friedrichshafen und Lindau. In Lindau ist vor allem die Altstadt (auf der Insel) sehenswert. Weiter geht es über Bregenz und Chur in Richtung San Bernadino. Wir passieren Lichtenstein und überlegen kurz einen Abstecher, verwerfen aber die Idee und genießen das Alpenpanorama. Es ist mittlerweile wieder ziemlich heiss geworden und wir wollen lieber in Richtung Lago Maggiore und Locarno. Die Schweiz durchfahren wir nur, da es hier nun schon recht teuer geworden ist. Der See selbst empfängt uns wie erwartet: Wunderschöne Gegend, tolle Häuser, Palmen und mediterranes Flair. Speziell die italienische Seite hinter Brissago glänzt mit tollen alten Hotels. Die meisten und schönsten davon findet man im Ort Stresa, den schon Ernest Hemingway schätzen lernte. Etwas weiter südlich liegt dann der Ort Meina direkt am Ufer des Lago Maggiore und hier ist auch unser erstes (via BookingDotCom) gebuchte Hotel. Wir findes es sofort und wollen einchecken als uns der nette Herr an der Rezeption eröffnet, er hätte das gebuchte Doppelzimmer nicht verfügbar und hätte uns stattdessen auf die Suite upgegradet. Nunja – so soll es sein und wir wollen uns mal nicht beschweren…
Als wir das Zimmer beziehen und im Wohnbereich unserer Suite stehen, schauen wir uns nur ungläubig an. Wir eilen zurück zur Rezeption und wollen direkt eine weitere Nacht buchen, leider ist die Suite für den nächsten Tag bereits belegt. Schade, ein Versuchs wars wert. Wir lassen uns noch eine Empfehlung für das Abendessen mit Blick auf den Lago Maggiore geben und genießen die Zeit im Hotel „Bel Sit„. Es könnte wohl schlechter laufen!
4. Tag, 61km
Route: Meina bis Mergazzo
Via: Invorio (SP33), Bolzano Novarese, Crabbia, Lago Mergozzo
Übernachtung: B&B Il Picchio
Am Morgen gibt es ein prima Frühstück mit allem Drum und Dran im Bel Sit und wir müssten gegen Mittag auschecken. Da es uns so gut gefällt, bleiben wir tatsächlich bis etwa 12 Uhr und genießen unsere privaten Sonnenliegen am Ufer. Dann geht es nach dem auschecken in die Berge in Richtung Westen. Wir erhielten ein paar Tage zuvor eine Empfehlung für den „Lago Mergozzo“ der sich nordwestlich von Meina und dem Lago Maggiore befindet. Mein Navi (das gute alte Garmin 60Csx) füttere ich mit den Orten Bolzano Novarese und Crabbia. So fahren wir auf kleinen Waldstrassen durch die Berge und finden zwischen den Bäumen immer wieder prachtvolle alte Villen, kleine Kirchen und gepflegte, private Ferienhäuser. Die Gegend ist einfach schön! Auf der Route sehen wir auch bereits die Ostseite des Lago d’Orta, den wir bis dato noch gar nicht auf dem Plan hatten. Auf jeden Fall ist auch der Ort Mergozzo, der dem davor liegenden See seinen Namen gab, sehenswert. Oberhalb des kleinen Städtchens finden wir am Berghang auch unser neues Quartier, das ebenfalls empfehlenswerte B&B Il Picchio, wiederum via Booking gefunden und gebucht. Am Abend fahren wir noch runter nach Mergozzo und essen in dem wunderschönen Dorf am Ufer des Sees.
5. Tag, 112km
Route: Mergazzo bis Orta San Giulio
Via: Varallo, Borgosesia, Orta
Übernachtung: Hotel Fontaine Bleue
Wir frühstücken auf der Terrasse des Il Picchio und planen heute eine Tour mit kleinen Umwegen an den Ortasee bzw. Lago d’Orta. Wieder zieht es uns durch die Berge, die auf der Westseite des Ortasees sogar schon eine Herausforderung für die 1,8 Liter Hubraum des 1er Cabrios darstellen. Wir schauen uns den schönen Ort Varallo an und fahren über Borgosesia nach Orta San Giulio. Wenn man irgendwo in der Nähe des Lago Maggiore ist sollte man sich dieses wunderschöne Städtchen auf keinen Fall entgehen lassen. Unten am Hafen fahren Taxiboote regelmässig auf die kleine, vorgelagerte „Isola San Giulio“ auf der es unter anderem ein Kloster und einen kurzweiligen Rundgang gibt. Der Ort selbst bietet eine Vielzahl uralter Häuser aus der Renaissance und dem Barock. Viele der Häuser sind zudem nett bemalt. Wenn ich mir einen typischen Ort an den oberitalienischen Seen aussuchen müsste, es wäre Orta San Giulio! Wir haben es bereits Nachmittag und die Sonne brennt. Da unsere nächste Übernachtung nicht weit entfernt am südlichen Ufer des Ortasees liegt machen wir uns schnell auf den Weg ins Hotel um noch ein Bad und den Sandstrand geniessen zu können.
6. Tag, 139km
Route: Orta bis Gravedona (Comer See)
Via: Borgomanero, Varese, Lugano, Menaggio
Übernachtung: Hotel Lauro
Der nächste See, oder besser die beiden nächsten Seen stehen auf dem Programm. Es geht vorbei an Varese hinauf zum Luganer See im schweizer Kanton Tessin. Wir hatten uns im Vorfeld sehr viel vom Tessin versprochen und es ist auch recht schön, aber nach unserer heutigen Erfahrung nicht wirklich auf einer Stufe mit dem Lago Maggiore. Der Schweizer hats halt lieber etwas sicherer und baut gerne mit viel Beton. Und genau das sieht man immer wieder zwischen den sicherlich sehr schön anzuschauenden Häusern mit südlichem Flair. Aber irgendwie stört es auch die Gesamtoptik. Das erwartete Mittelmeerfeeling am Rande der Alpen will daher am Luganer See nicht so richtig aufkommen. Wir sind deshalb auch nicht böse das wir weiter Richtung Osten und damit auf den Comer See zufahren.
Über die SS340 geht es hinunter nach Menaggio. Dieser Ort am Westufer des Comer Sees passt dann auch wieder auf Anhieb in unsere Vorstellungen. Nach einem leckeren Eis in der Nähe des Hafens entscheiden wir uns jedoch für ein Quartier etwas weiter nördlich. Menaggio ist wunderschön, aber auch eher hochpreisig. So werden wir dann im Ort Gravedona fündig. Das Hotel Lauro liegt zwar nicht direkt am See, lockt aber mit Klimaanlage (es sind immer noch 35 Grad im Schatten) und einer eigenen Pizzeria. Auf dem Weg ins Hotel kamen wir an einem Bootsverleih vorbei und ich werde schwach bei jeglicher Art von Verbrennungsmotoren! Da trifft es sich gut das man am Comer See Boote bis 40PS ohne Bootsführerschein mieten darf. Wir mieten uns kurzerhand eines und geniessen das Uferpanorama der vielen netten Orte aus der Seesicht.
7. Tag, 81km
Route: Rund um den Comer See
Via: Montecchio, Varenna (dort Fähre) nach Bellagio
Übernachtung: Hotel La Villa
Ein Besuch in Bellagio darf am Comer See eigentlich nicht fehlen. Dummerweise befinden wir uns in Gravedona am so ziemlich ungünstigsten Punkt um nach Bellagio zu kommen. Wir fahren oben um das nördliche Ende des Sees bis hinunter nach Varenna. Dort im Hafen gibt eine Fähre nach Bellagio. Vorher parken wir das Cabrio in dem ziemlich neu erscheinenden, grossen Parkhaus, welches die Italiener wohl sehr geschickt im Berg versteckt haben. Jedenfalls stört es die Ansicht von Varenna in keinster Weise. Der Fussweg vom Parkhaus hinab an den See und den Hafen lohnt sich auch wieder, allein schon wegen der vielen schönen Häuser, Hotels und Villen. Bellagio ist dann wirklich nett anzusehen, aber auch ziemlich touristisch. Wir machen ein paar Fotos und lassen die vielen Souvenierläden links liegen während wir uns wieder auf den Weg zur Fähre zurück nach Verenna machen. Am Fähranleger werden wir dann von einer ziemlich zerstreuten und offenbar unorganisierten Hochzeitsgesellschaft unterhalten. Bei wiederum 35 Grad im Schatten müssen die armen Herren in Maßanzügen schwitzen während die Damen versuchen ihre Kleider frei von Schweiss, Wasser, Champagner un MakeUp zu halten.
Die ganze Gesellschaft soll auf zwei Motorboote verteilt werden, aber es scheint als wisse niemand inklusive dem Brautpaar wer auf welchem Boot mitfahren soll. Als beide Boote gerade abgelegt haben trottelt dann ein weiterer Hochzeitsgast ein und schaut ziemlich planlos aufs Wasser. Wir amüsieren uns jedenfalls köstlich und vor allem kostenlos. Das Leben bietet einem ganz oft die beste Unterhaltung wenn man Zeit hat und die Augen offen hält.
Am Tag zuvor hatten wir nur wenige Meter von unserem aktuellen Hotel entfernt ein weiteres, sehr schönes Haus mit Pool entdeckt. Das Hotel La Villa sieht nicht nur fantastisch aus, es ist auch eine echte Empfehlung! Frei wie wir ohne feste Vorausbuchungen sind, entscheiden wir uns jedenfalls kurzerhand zum Wechsel. Während Carola mit ihren Grundkenntnissen der italienischen Sprache an der Rezeption das Zimmer für satte zwei Nächte klarmachen will, hört sich die Dame dort alles ruhig an um dann irgendwann grinsend ihre Heimatstadt Bochum zu offenbaren. Da wir nun schon eine Woche unterwegs sind wollen wir morgen einen Tag am Pool einlegen ohne ins Auto zu steigen. Die Temperaturen wollen um kein Grad fallen und so ein Tag auf der Sonneliege hat ja auch mal etwas für sich.
8. Tag, 70m
Route: Pool von links nach rechts
Wie geplant legen wir mal einen Tag ohne Strassenkilometer ein und geniessen diesen auch wirklich. Irgendwie habe ich bereits die Wochentage nicht mehr vor Augen und muss in der Tat einen groben, schriftlichen Wochenplan für den Rest unserer Reise erstellen. Das zeugt zumindest von einem gewissen Erholungseffekt.
9. Tag, 366km
Route: Gravedona (Comer See) nach Meran (Südtirol)
Via: Lecco, Bergamo, Lago d’Iseo, Salo (Gardasee), Gargnano, Limone, Riva del Garda, Bozen
Übernachtung: Hotel Verdinserhöhe in Schenna
Nach einem Ruhetag und dem perfekten Frühstück im Hotel La Villa haben wir heute wieder eine etwas längere Strecke im Programm. Wir fahren nach Lecco an die Südseite des Comer Sees, weiter in Richtung Bergamo und nach Iseo an den gleichnamigen See. Diesen kratzen wir nur an der südöstlichen Seite an. Nach allem was wir sehen, könnte man aber wohl auch hier einen weiteren Tag verbringen. Noch gespannter sind wir auf den
Gardasee, den wir bis dato nur aus Erzählungen kennen und nie selbst gesehen haben. Einzig die Autobahnabfahrten von der Brennerseite haben wir auf diversen Toskanareisen mal registriert. Durch die Berge geht es über schöne Routen (die auch für eine Motorradtour durchaus geeignet wären…) in Richtung Salo an das Westufer des Gardasees. Wir fahren dann die Westseite hinauf über Barbarano, Gargnano bis Limone. In Limone machen wir einen Abstecher hinunter an den Hafen. Schon beim Weg vom Parkplatz an die Uferpromenade schauen wir uns gegenseitig an und sind sicher, dass dieser Ort nicht zu unseren Urlaubsfavoriten zählen wird. Hier geht es wieder so richtig touristisch zur Sache. Klar, wir haben Hochsaison, aber die typischen Ramschbuden, Touristenrestaurants und afrikanischen Sonnenbrillenverkäufer wetteifern mit arroganten Kellnern um unsere heftigsten Abstossungsreaktionen. Während fünfköpfige britsche Familien mit Sonnebrand die überteuerten Gerichte ordern, gönnen wir uns je eine Cola die nicht einmal Spuren von Kohlensäure enthält für drei Euro das Glas. So schön der Blick auf den See und das Ostufer auch sein mag, es entspricht einfach nicht unserer Vorstellung des Italienurlaubs. Und so fahren wir schnell weiter in Richtung Riva del Garda und verlassen den See mit gemischten Gefühlen. Es gibt sicherlich die vielfältigsten Freizeitmöglichkeiten und bestimmt auch schöne Unterkünfte am Gardasee, aber während der Hochsaison fühlen wir uns hier einfach Fehl am Platz.
So sind wir dann gar nicht böse, dass wir irgendwann die Brennerautobahn in Richtung Norden erwischen und kurz vor Bozen in Richtung Meran abbiegen. Dort am Berg im Ort Schenna haben wir unsere heutige Übernachtung geplant. Das Hotel Verdinserhöhe lockt durch die höhere Lage mit etwas erträglicheren Temperaturen, einem Pool und sehr schönen, gepflegten Zimmern im südtiroler Stil. Ein paar Schritte weiter am Hang finden wir das sehr empfehlenswerte Restaurant Haseneck und einen tollen Blick über Meran, das Tal und die Berge. Alles prima!
10. Tag, 59km
Route: Meran bis Welschnofen
Via: Bozen
Übernachtung: Hotel Tyrol
Heute steht Shopping auf dem Programm. Ein Bekannter hat uns im Vorfeld von diversen Einkaufsmöglichkeiten in Bozen erzählt. Logisch, dass Frau nach so vielen Tagen Sightseeing nun auch mal der angeborenen Leidenschaft folgen will. In Bozen nutzen wir das unter dem zentralen Platz gelegene Parkhaus. Direkt darüber finden wir uns vor der Statue von Walther von der Vogelweide wieder. An der Nordseite des Platzes beginnen dann die Einkaufspassagen mit vielen Geschäften unter langen Bogengängen. Hinter völlig unscheinbaren Schaufenstern im Erdgeschoss verbergen sich zu unserer Überraschung viele Geschäfte die sich über mehrere Etagen und bis in die alten Kellergewölbe erstrecken. Sehr, sehr stilvoll und schick! Aber auch hier setzt uns die Hitze ziemlich zu und wir entscheiden gegen Mittag den Weg in größere Höhen anzutreten, ganz in der Hoffnung auf milderes Klima und vielleicht sogar eine Quecksilbersäule unterhalb der 30 Grad.
Es lockt der berühmte Rosengarten und wir haben uns für den Ort Welschnofen entschieden. Irgendwie schlagen wir dabei auf dem Parkplatz des Hotels Tyrol auf und auf seltsame Art und Weise finden wir das Gebäude im alten Tyroler Stil sofort symphatisch. Ein Zimmer ist frei, Hansfried am Empfang einfach gut drauf, die Terrasse lockt mit Bier und die Talstation der Gondelbahn liegt direkt nebenan. Wir beziehen kurzerhand das einfache aber vollkommen ausreichende Zimmer und lassen uns von der Gondel auf den Berg bringen. Endlich kommen nun unsere Wanderschuhe zum Einsatz und vor dem Rosengarten-Panorama macht sogar ein Fussmarsch ohne Motorkraft Spass. Als wir am späten Nachmittag wieder unten ankommen ist es auf der Terrasse dermassen gemütlich, dass wir
dort den Rest des Tages verbringen. Ich weiss nicht was die in der Küche für Geheimrezepte haben, aber das Essen schmeckt einfach nur fantastisch. Nach weiteren Gläsern Wein und wiederholtem Lob für den Koch bekommen wir von Hansfried sogar noch ein Tiroler Kochbuch geschenkt. Ich fürchte nur, dass es uns selbst damit nicht gelingen wird, auch nur im entferntesten Speisen zu kochen die an das dortige, leckere Essen heranreichen. Wenn ich hier wirkliche Empfehlungen aussrepchen darf: Das Hotel Tyrol verdient sicherlich eine!
11. Tag, 187km
Route: Welschnofen bis Livigno
Via: Bozen, Meran, Schlanders, Stelvio, Bormio
Übernachtung: Hotel Garni Constanza
Eigentlich wollen wir im Hotel Tyrol bleiben. Dumm nur, dass wir uns selbst ein grosses Programm auferlegt haben und dies auch durchziehen wollen. Wir packen unsere Sachen mit einer grossen Portion Wehmut, jedoch nicht ohne die ernstgemeinte Drohung wiederzukommen. Heute steht nämlich ein für mich persönliches Highlight auf der Agenda: Der Stelviopass, auch bekannt unter der Bezeichnung Stilfser Joch. Als ich im April 2000 meinen neuen Lotus Elise abholen durfte wusste ich, dass dieses faszinierende Auto seinerzeit am Stelviopass erprobt und abgestimmt wurde. Für mich war der Stelvio deshalb irgendwie immer die Mutter der Alpenpässe. Also ging es von Welschnofen wieder in Richtung Westen, vorbei an Bozen und Meran in Richtung Bormio und Livigno.
Der Stelvio empfängt uns mit strahlend blauem Himmel und eher leeren Strassen. Leider aber nur bis wir dann an die Ostrampe herankommen. Den Weg nach oben müssen wir uns mit vielen Autos, Motorrädern, den leidigen Radfahrern und – man mag es kaum glauben – senilen Rentnern in überbreiten Wohnmobilen teilen.
Wer jemals selbst den Stelvio (und vor allem die Ostrampe) selbst erfahren durfte kann vielleicht nachvollziehen welch ein Wahnsinn es ist, diese Serpentinen mit einem Wohnmobil zu befahren. Das die Strasse für Wohnwagengespanne gesperrt ist – logisch. Aber wieso man etwas, was zumindest äusserlich noch an Homo Sapiens erinnert, mit einem Wohnmobil auf den Stelvio lässt, erschiesst sich mir einfach nicht. Zumal diese bereiften Containerschiffe häufig nicht einmal in einem Zug eine der vielen 180-Grad-Kehren schaffen. Ein Irrsinn ohnegleichen!
Nunja, irgendwann kommen wir oben auf 2.760m an und sind überwältigt vom Panorama. Zumindest ich, während Carola immer noch grübelt, ob sie froh ist die Anfahrt überlebt zu haben oder sich lieber sorgen soll, da man ja irgendwie auch wieder vom Berg runter muss. Jedenfalls ist die Abfahrt auf der Westrampe wesentlich angenehmer. Nur als ich mein Vorhaben äussere, den Stelvio nochmal in der anderen Richtung anzufahren erhalte ich ein entschiedenes Veto! Schade, aber sicherlich sieht mich diese Ecke der Welt nochmal wieder…
Weiter geht es in Richtung Bormio und schliesslich nach Livigno. Dort waren wir schon viele Male, allerdings im Winter zum Skifahren. Im Sommer hatten wir den Ort in der zollfreien Zone (Achtung: Shoppingalarm!) bisher noch nicht erlebt. Jedenfalls präsentiert er sich so wie wir ihn kennen: Viele Menschen, viel zu sehen, viel Sonne. Die Booking-App auf dem Ipad liefert uns wieder eine Liste freier Hotels nach unseren Kriterien und wir entscheiden uns nach persönlicher Begutachtung vor Ort für die Garni Constanza. Ein prima Haus mit einer noch freundlicheren Besitzerin, wunderschönen Zimmern und, wie wir später festestellen, einem fast noch besseren Frühstück. Für den Abend ist das Essen in unserer bekannten Lieblingspizzeria Bellavista gesetzt und wir sind sogar relativ früh wieder im Hotel. Da wir den Abend bei einer Flasche Wein ausklingen lassen wollen ordern wir eine solche – sehr mutig – im Hotel. Das Ergebnis ist eine Literflasche sehr leckerer, grauer Burgunder, frisch aus dem Kühlschrank für 8 Euro. Sowas wird man daheim wohl vergebens suchen…
12. Tag, 374km
Route Livigno bis Berchtesgaden
Via: Tunnel Munt-la-Schera, Ofenpass, Reschenpass, Imst, Innsbruck, Wörgl, St. Johann, Lofer, Obersalzberg
Übernachtung: Alpenhotel Fischer
Heute werden wir Italien verlassen. Es waren wirklich fantastische Tage mit sehr schönem, sonnigem, fast schon zu gutem Wetter und wundervollen Seen, Orten und Menschen. Alle unsere Erwartung wurden erfüllt oder meist sogar deutlich übertroffen. Während der Fahrt durch Österreich sprechen wir darüber, welcher Ort und welcher See uns am besten gefallen hat. Aber es waren so viele tolle Ecken dabei, dass uns die Festlegung wirklich sehr schwer fällt. Den Spitzenplatz werden aber wohl Ortasee, Lago Maggiore und Comer See unter sich ausmachen. Als Orte können wir Orta San Giulio, Stresa, Menaggio und Gravedona wärmstens empfehlen. Durchgefallen sind für uns auf jeden Fall Bodensee und Gardasee, so schön die Gegend hier auch sein mag.
Auf der Fahrt verbuchen wir dann noch Ofenpass und Reschenpass, nebst versunkener Kirche und einen österreichischen Zöllner, der uns nach reiflichem Überlegen glaubt, das wir aus Livigno nur die Mengen an schottischem Single Malt und Parfüm mitgenommen haben, die erlaubt sind. Das entspricht nebenbei gesagt sogar der Wahrheit. Allen Whiskykennern darf Livigno schon aus Kostengründen eine Reise Wert sein. Nach meiner Erfahrung liegen die Preise im Vergleich zu Deutschland bei etwa 30 Prozent des hiesigen Werts. Dafür erhält man dann auch noch meistens Literflaschen. Kaufempfehlung!!
Unsere Route führt uns jetzt über die österreichischen Autobahnen vorbei an Innsbruck. Bei Wörgl biegen wir ab in Richtung Lofer um kurz vor Berchtesgaden wieder deutschen Boden unter die Räder zu bekommen. Da wir ganz gut in der Zeit liegen, können wir noch einen Abstecher auf den Obersalzberg einlegen. Immerhin ein ziemlich geschichtsträchtiger Ort. Wir begutachten ausgiebig das Bunker- und Stollensystem unter dem Hotel zum Türken und finden ein paar Meter bergabwärts im Wald die Reste des Berghofs. Zumindest die hintere Stützmauer und kleinere Fundamentreste sind noch vorhanden. Während ich mich davor fotografieren lasse (und zweifle, ob man das als Deutscher überhaupt darf, ohne von irgendwelchen Gutmenschen angeklagt zu werden) fragt ein weiterer Tourist Carola ob sie Englisch spricht. Sie verweist lieber auf mich und ich komme mit dem britischen Mittdreissiger aus Coventry ins Gespräch. Er möchte wissen wo er Adolfs Teehaus finden kann und ich verweise auf das Kehlsteinhaus. Darauf folgt dann eine ausführliche Erläuterung von ihm, dass das Kehlsteinhaus zwar ein Geschenk war, jedoch weiter unten das echte Lieblingsteehaus gestanden hätte. Er erzählt mir dann sehr viele, mir bis dahin unbekannte Details und zum Schluss frage ich, ob ich ihn nicht als Guide buchen könne, sehr zum Verdruss seiner Familie die mit verdrehten Augen danebensteht und sich unsicher ist, ob sie ihn bewundern oder verachten soll. Jaja – als Brite darf man das alles wissen und erzählen.
Der Tag neigt sich dann dem Ende zu und wir finden irgendwo in Schönau einen wirklich netten und gemütlichen Biergarten für den Rest des Abends. Was jetzt fast unterging ist noch unsere Unterkunft für den Tag. Das Alpenhotel Fischer mit immerhin vier Sternen hatte es uns in Sachen Lage, Preis-Leistung und Bewertungen angetan. Kurzerhand haben wir das Auto vor dem Hotel abgestellt und einfach mal nach einem Zimmer gefragt. Frei war leider nur ein für uns zu teures Deluxe-Zimmer (welches wir uns trotzdem ansahen und auch für ganz toll befanden). Wir wollten schon abbrechen und ein anderes Haus aussuchen, als uns der sehr freundliche Mensch an der Rezeption nach etwas Zögern noch ein Notzimmer anbot. Dies wäre eigentlich nicht für Gäste, eher einfach und ohne Balkon und Blick auf die Berge. Nun brauchen wir ja eigentlich nur ein Zimmer für die Nacht und ein gescheites Frühstück. Schliesslich bietet Berchtesgaden und die Umgebung genug zu sehen, gerade wohl ausserhalb geschlossener Räume. Das Angebot sah dann folgendermassen aus: 90 Euro für das Doppelzimmer inklusive Frühstück. Wir haben dann satte 0,3 Sekunden überlegt und das Zimmer für zwei Nächte gebucht. Um es vorwegzunehmen: Alles Supi, mehr braucht kein Mensch!
13. Tag, 55km
Route: Rund um Berchtesgaden
Almbachklamm, Wimbachklamm, Königssee
Übernachtung: Alpenhotel Fischer
Carola will in Berchtesgaden spazieren (auf deutsch: Shoppen!) und ich eine Runde wandern. Also trennen sich unsere Weg für ein oder zwei Stunden und ich fahre in Richtung Almbachklamm. Vor wenigen Jahren hätte ich jeden mit der Idee zum Wandern zum Teufel gejagt, aber irgendwie machts auch mal Spass etwas anderes zu sehen. Unten am Eingang der Klamm finde ich jedenfalls die noch intakte Kugelmühle, die seit Vierzehnhundertschnickschnack aus Marmorsteinen kleine Murmeln (bei uns heissen die Dinger „Knicker“) formt. Früher haben sich die Bergbauern damit im Winter wohl ganz gerne etwas nebenher verdient. Jetzt stellt die Mühle den Einstieg in mein persönliches Bergwandererlebnis dar. Die Almbachklamm bietet mir auf jeden Fall ein bisher nicht gekanntes Vergnügen die Alpenwelt kennenzulernen. Ich stutze nur, als ich nach einer dreiviertel Stunde immer noch nicht wieder zurück bin. Offenbar handelt es sich hier nicht um einen kleinen Rundgang durch die Schlucht eines echten Gebirgsflusses, sondern um einen echten, steilen, unwegsamen, teils unbefestigten Bergpfad, der immer weiter hinauf führt. Mein Rucksack wird immer schwerer, mein Hemd ist komplett durchgeschwitzt und ich komme aus dem Fotografieren gar nicht mehr hinaus. Vielleicht hätte ich mich vorher informieren sollen?
Es scheint, als stehe am Weg alle zehn bis fünfzehn Minuten ein Schild mit der Aufschrift „Bachwaldweg 45 Minuten“. Leider scheint auch die Zeitangabe fix – auf jedem Schild stehen immer 45 Minuten, egal wie weit man klettert.
Irgendwann finde ich oben eine Art Staudamm und muss mich entscheiden: Links über den Ort Wassweissichdenn für weitere zweieinhalb Stunden oder rechts über den schon bekannten „Bachwaldweg“ für – lasst mich raten – 45 Minuten. Da ich gefühlt schon ewig unterwegs bin, will ich Carola wenigstens informieren. Blöderweise rechnet der naive Motorjunkie wohl auch im Gebirge jederzeit mit vorhandenen Mobilfunkmasten und 3G-Datenempfang. Hier wird es auf jeden Fall nichts mit der modernen Kommunikation! Zum Schluss finde ich mich nach mehreren Stunden und inmitten einer bayrischen Schulklasse auf dem Weg hinab in die Richtung, die ich entfernt dem Parkplatz des Autos zurechnen könnte. An der Kugelmühle angekommen ziehe ich mir dann zunächst ein Radler in Rekordzeit, bevor ich beschliesse meine Frau zu suchen und mich lebendig zurückzumelden.
Ich finde sie dann sogar schon unterwegs – gerade fertig mit ihrer Shoppingtour. Unglaublich, wie lange sich die andere Hälfte der Weltbevölkerung mit dem Sichten von diversen Schuh- und Bekleidungsgeschäften befassen kann…
Gemeinsam schaffen wir es dann tatsächlich noch zur Wimbachklamm (die wesentlich schneller zu erfassen ist) und – obligatorisch – an den Königssee. Alleine die Grösse des Parkplatzes vor dem Seeufer lässt schlimmes erahnen und steht direkt proportional im Verhältnis zur Anzahl der Touristenläden mit Nepp, Schnickschnack, Unsinn, Wohlstandsmüll und Fressbuden. Nicht zu vergessen die Fernostasiaten und Rentnertrupps, die aus den Grossraumbussen entlassen werden um die Bootsfahrt für Sage und Schreibe 16 (Sechzehn!) Euro pro Person anzutreten! Wir entschliessen uns, diesem Flecken den Rücken zu kehren und fallen dann nach einem guten Essen weit weg davon, ziemlich müde ins Bett.
14. Tag, 873km
Route: Berchtsgaden zurück ins Münsterland
Via: München, Nürnberg, Bamberg, Schweinfurt, Fulda, Kassel, Dortmund
Übernachtung: daheim 🙂
Am Morgen geht es schon nach wenigen Kilometern auf die deutschen Autobahnen und – eigntlich unspektakulär – in Richtung Heimat. Wäre da nicht eine weitere Erfahrung, die ich hier nicht vorenthalten möchte: Baustellen!
Nirgendwo in den vergangenen zwei Wochen haben wir so viele (und sinnfreie) Baustellen gesehen. Nicht in Italien, der Schweiz oder Österreich. Klar gibt es dort auch Baustellen, aber nie in dieser typisch deutschen Form, ohne Bauarbeiter, ohne sichtbare Bautätigkeiten, dafür gerne mit Verengung von drei Spuren auf eine ohne Not, aber mit umso mehr Stau und Zeitverlust. Dagegen waren die fahrenden Strassenblockaden in Form von Wohnmobilen am Stelvio schon fast willkommene Ablenkungen. Wir können jedenfalls nicht behaupten das der Verkehr auf der A8 besser läuft als auf der Brennerautobahn – und die hat nicht mal Standstreifen.
Anyway – wir verlieren mal wieder zwei Stunden vollig überflüssig in diversen Blechschlangen. Eben so, wie die meisten Pendler und Vielfahrer im täglichen Irrsinn rund um das Ruhrgebiet. Willkommen zu Hause.
Irgendwann am Abend erreichen wir schliesslich die Heimat und freuen uns auf das eigene Bett.
Fazit:
Reisedauer 14 Tage im Juli 2015
Gesamtstrecke 3.490km
Spritverbrauch 229 Liter
11 Hotels, 8 Seen
Schäden: Keine
Verluste: Keine
Kosten für zwei Personen: 2.435 EUR
(Inkl. Übernachtungen, Essen, Trinken, Sprit, Vignetten, Maut, Tickets, Boot)
Superbenzin Deutschland: 1,48 EUR
Superbenzin Schweiz: 1,37 EUR
Superbenzin Italien: 1,59 EUR
Superbenzin Österreich: 1,28 EUR
Superbenzin Livigno: 1,07 EUR