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Pyrenäen & Andorra

Irgendwann muss man auch mal wieder den Heimweg antreten, wobei „Heimweg“ in diesem Falle zweideutig ist, denn eigentlich fahre ich nur von einem ins andere Zuhause. Warm und vor allem knochentrocken ist es in diesem Sommer 2018 wohl in ganz Westeuropa.

Aber besonders die GS-gerechte Umgebung macht es mir schwer, Andalusien heute zu verlassen.

Immerhin steht jetzt eine zweite GS hier unten und wir können uns jederzeit in den Flieger setzen und herkommen. Was für eine Perspektive!

Ach, Andalusien: Ich hätte noch vor 12 Monaten nicht gedacht, dass wir uns hier so wohl fühlen würden. Heute, etwa ein Jahr nach unserer Entscheidung sind wir schon reichlich gependelt, haben keine Minute die Entscheidung bereut.

Zunächst aber ein letzter Blick auf die Umgebung und ab gehts Ende Juni 2018 in Richtung Nordosten. Da Carola ein paar knappe Termine  reinbekommen hat, geht sie mit dem Flieger retour. Den Hinweg hatte sie noch mitgemacht, jetzt nimmt sie den schnelleren, aber auch langweiligeren Weg.

Ich nehme die Rückreise daher alleine in Angriff und plane auch etwas um: Statt wie ursprünglich beabsichtigt über Madrid, Pamplona und die französische Westküste, möchte ich – befreit vom femininen Interventionspotenzial – jetzt lieber die Pyrenäen und Andorra durchfahren, danach noch durch die Cevennen und über Verdun und Luxemburg zurück nach Deutschland.

Zunächst erfreue ich mich an den Sierras vor unserer Haustür und die weissen Dörfer, die sich immer so schön an die Hänge der grünen Hügel anlehnen. Ich lasse mir Zeit und mache die ersten beiden Tage mal keine Fotos. Die nähere Umgebung kann ich in der nächsten Zeit bestimmt noch oft genug ablichten und ich denke, es wird noch Jahre dauern, bis ich die ganzen Berge und Täler richtig kennengelernt habe… Luxusproblem!

Etwas gespannt bin ich auf das spanische Hinterland weiter im Norden. Unter Vermeidung der meisten Autobahnen und Mautstrassen geht es in Richtung bundesdeutsche Heimat, immer auf den Landstrassen entlang und meist einfach nur in Richtung Norden. Keine Navigation, kein Verkehr und schon gar keine Staus trüben meine Fahrt.

Das sich mir bietende Bild ist wiederkehrend: Weites Land, leere Strassen, blauer Himmel.

In der Sierra Nevada sehe ich tatsächlich noch schneebedeckte Gipfel, trotzdem wir Juni haben.

Nördlich des zweithöchsten europäischen Gebirges fahre ich in Richtung Murcia und westlich an Valencia vorbei. Weiter geht es dann bis vor die Tore von Tortosa und im Hinterland steigen die Temperaturen zunächst „nur“ bis auf 35 Grad Celsius.

Tortosa habe ich als Navigationspunkt ausgewählt, denn ab hier möchte ich dem Ebro flussaufwärts folgen.

An einer Tankstelle, irgendwo nördlich von Valencia, stehen zwei voll tätowierte Herren mit ihren Harleys, deutschen Kennzeichen und Kutten der „Hells Angels“. Die beiden haben keine Alukoffer, keine Packtasche und fahren in T-Shirt und kurzer Hose. Angesichts dieses Minimalismus komme ich mir vor wie ein Warmduscher und hoffe, sie sind nicht wirklich auf der Heimreise…

Was mich wirklich positiv beeindruckt ist die Weite des Landes und die unendlichen Landstrassen, auf denen ich über viele Kilometer völlig alleine fahre und meinen Gedanken freien Lauf lassen kann.

Spanien ist einfach so anders, entspannt, weit, ruhig, schön, unaufgeregt. Ich frage mich, warum wir nicht einfach unseren Mittelpunkt hierher verlegen. In Deutschland sind alle nur noch hektisch und gestresst.

Westlich von Tortosa finde ich heute das „Hotel Rural Jaloa – Panxampla“ und quartiere mich ein. Das Haus liegt wundervoll ruhig an den Hügeln abseits eines winzigen Dorfes und ich muss dann nochmal in die nächste Stadt fahren, um einen Supermarkt zu finden. Schnell sind meine Vorräte aufgefüllt und es geht zurück zum Hotel.

Heute Abend spielt Deutschland bei der WM gegen Schweden und nach der verlorenen Partie gegen Mexiko muss ein Sieg her. Ich bin wahrlich kein Fussballfan, aber Spiele bei einer Weltmeisterschaft würde ich schon gerne sehen.

Dummerweise bringt der Fernseher auf meinem Zimmer keine Liveübertragung und ich gehe irgendwann hinunter zu den Gastgebern, um nachzufragen ob es eine andere Möglichkeit gibt. Gibts aber nicht!

Prompt erhalte ich daher die Einladung, zusammen mit der Familie auf dem grossen Flat-TV in deren Wohnzimmer zu schauen. Vielleicht haben die zwischenzeitlich gelernten Brocken Spanisch auch etwas geholfen?

Ich werde jedenfalls erst mal aufgeklärt: Wir sind hier nicht in Spanien, sondern in Katalonien! (Achso?!) Ein himmelweiter Unterschied. (Ah!) Würde Katalonien bei der WM spielen, ja dann wären sie für „ihre“ Mannschaft, aber doch nicht für Spanien. Nein, niemals!

Senora Chefin ist eigentlich Fan von Argentinien, wegen Messi, erklärt sie mir. Aber sie haben viel Verwandtschaft in Deutschland und daher würden sie heute natürlich mit mir für Deutschland die Daumen drücken. Ehrensache.

Ob dies wirklich stimmt oder die reine Gastfreundschaft überwiegt, weiss ich nicht, aber es ist eigentlich auch egal, denn wir haben einen unterhaltsamen, fröhlichen und geselligen Abend mit reichlich Bier und einem zufriedenen 2:1 als Endergebnis. (Was später nichts hilft, aber das wussten wir da ja noch nicht…) Auf jeden Fall erhalte ich eine abendliche Vollversorgung mit Entertainment, Familienanschluss, kühlem Bier und viel Spass. Spitzenklasse!

Ich bekomme dann am nächsten Morgen noch ein üppiges Frühstück in der alten Ölmühle vor dem riesigen Mühlstein aufgetischt und die Familie verabschiedet sich herzlichst von mir, inklusive Küsschen von Mama und den besten Wünschen für die Heimreise ins ferne „Alemania“. Fast möchte ich gar nicht abfahren, so wohl habe ich mich hier gefühlt.

Der Beginn des Tages führt mich dann durch endlose Olivenhaine und ich bin froh, dass die Temperaturen so früh am Tag noch erträglich sind. Wenn aber die Morgen so beginnen wie hier in der nordspanischen Ebene, dann kann es gerne so weitergehen!

Von Tortosa am Ebrodelta fahre ich zunächst immer flussaufwärts an dem zweitlängsten Fluss Spaniens entlang und geniesse die Landschaft und das wundervolle Panorama.

Erwartet hatte ich ebenso wenig, wie ich mich vorher über die Gegend erkundigt hatte. Was mir der spanische Norden dann aber heute präsentiert, kann sich wirklich sehen lassen. Menschenleere Landstrassen führen mich in hunderten von Kurven und Biegungen am Fluss entlang, während links und rechts die Felswände aufragen.

Die wunderschönen Flusstäler sind genau so toll wie die perfekt asphaltierten Strassen. Hier fährt es sich wirklich gut und vollkommen entspannt. Es geht bergauf und bergab mit immer wieder neuen und schönen Aussichten. Und das alles natürlich bei super Wetter.

Ich glaube, Spanien wird als Motorradziel immer noch deutlich unterschätzt.

Alte Burgen wechseln sich mit auftauchenden Landhäusern und Gemäuern ab. Manchmal wüsste ich nur zu gerne, aus welcher Zeit die Gebäude stammen, bin mir aber sicher, dass es wohl mehrere Jahrhunderte sein mögen.

Irgendwann verlasse ich den Flusslauf und die Landschaft ist dann geprägt von Feldern, Wiesen und auch immer wieder von den schon obligatorischen Olivenhainen mit Bäumen die aussehen, als würden sie hier auch schon Jahrhunderte stehen.

Das ist eine Gegend so nach meinem Geschmack. Und vor allem nicht so wuselig und hektisch wie die Küstenstrassen der Cote d’Azur. Das ist hier eine unendlich erscheinende Weite und vor allem auch Ruhe.

Es gibt praktisch keinen Verkehr und auch nicht so viele Städte und Dörfer, die man durchfahren muss. So komme ich gut und flüssig voran.

Die Zeit, die ich durch den nicht vorhandenen Verkehr spare, nutze ich lieber fürs Fotografieren und an besonders schönen Stellen bleibe ich dann auch einfach mal stehen und schaue einfach so in die Ferne. Vorteil Solotour.

Niemand drängelt und es spielt keine Rolle, ob ich heute in den Pyrenäen ankomme oder vorher in der Gegend von Balaguer übernachte. Es ist einfach easy, weisst du was ich meine? Es ist egal, es gibt keine Termine, keine fixe Tagesplanung, dafür das Motorrad-Reise-Paradies.

Über viele Kilometer versinke ich in meinen Gedanken, während langsam aber sicher die Ausläufer der Pyrenäen immer näher kommen. Am Horizont erscheinen erst Hügel, dann Berge und schliesslich massiver Fels, je weiter es nach Norden geht.

Auf Andorra bin ich gespannt. Rein von der Fläche her sollte ich da schnell durchkommen, aber vielleicht übernachte ich auch dort oben in dem Zwergenstaat, mal sehen…


Mein Weg führt mich dann vorbei an Lleida und Balaguer bis zum Oliana Staudamm, wo der El Segre als Wasserreservoir aufgestaut wird. Immerhin bin ich jetzt offenbar nicht mehr alleine, da es einen spürbaren Grenzverkehr zwischen Spanien und Andorra gibt. Die Vorteile des zollfreien Warenverkehrs dürften dies wohl irgendwie begünstigen!

Schliesslich erreiche ich dann Andorra, den kleinen europäischen Bergstaat im Herzen der Pyrenäen und ich gebe es zu: Hauptgrund für diesen Weg war der nächste Länderaufkleber auf meinem Koffer. „AND“ hat ja auch nicht jeder und durch die eher spontane Routenänderung tendierte mein Rechercheaufwand für das kleine Land gegen Null.

Das hier ein Einkaufs-, Steuer-, und Urlaubsparadies wartet, ist für mich im Moment zweitrangig, denn mangels Stauraum kann ich mich nicht shoppingtechnisch auslassen.

So ein bisschen würde ich Andorra mit einem Schweizer Bergdorf vergleichen. Irgendwie erinnert mich jedenfalls ein Grossteil der Häuser und Gebäude an die Schweiz. Und die hohen Berge ergeben dann ihr Übriges.

Weniger als 80.000 Einwohner hat das kleine Land, aber das macht es nicht weniger charmant.

Und für diese überschaubare Grösse gibt es erstaunlich viel zu sehen (und zu fotografieren).

Ich kurve etwas durch die „Hauptstadt“ namens „Andorra la Vella“ und fahre dabei vor allem durch die Einkaufsstrassen. Da ich mangels Gepäckraum (erwähnte ich das bereits?) nicht in der Lage bin, besonders viel einzukaufen, entscheide ich mich aber lieber wieder fürs Gelände.

Beeindruckt bin ich auch von den Skipisten. Da wir im Winter liebend gerne Ski fahren, überlege ich tatsächlich, es hier einmal zu probieren. Andererseits haben wir weiter unten die Sierra Nevada vor der Tür und dort gibt es ebenso gute Pisten und Infrastruktur. Eine Tatsache, die viele Freunde von uns übrigens nie so recht glauben wollen.

Aber jetzt, im Sommer, sind die Hotelbetten unbelegt und die meisten Häuser wirken vollkommen verwaist. Es sieht jedoch so aus, als würde hier von Dezember bis März durchaus die Post abgehen…

Da fahre ich dann lieber weiter hoch und in Richtung französischer Grenze zum „Pas de la Casa“.

Hier oben treffe ich dann auf die wahrscheinlich höchste Tankstelle Europas?! 2.400 Meter sind jedenfalls schon mal eine Ansage und mir ist zumindest bis heute keine höhere Zapfsäule bekannt.

Ein paar Meter weiter vernehme ich dann Motorenlärm. Das es hier am höchsten Punkt auch noch eine Rennstrecke gibt, hatte ich nicht erwartet. Eine Hand voll Fahrer übt sich im kunstvollen Driften und da macht es richtig Spass zuzuschauen. In Deutschland wären wohl schon wieder die spassbefreiten Grünen auf dem Plan und hätten Schaum vorm Mund. (Ich bin auch für Umweltschutz, aber mit Verstand!)

Während ich dann sehnsüchtig dem Treiben auf dem Rundkurs zusehe, denke ich darüber nach, dass es eigentlich für jeden einen Platz geben sollte: Einer rettet den Wald, ein anderer den Feldhamster, ich den Verbrennungsmotor. Wunschträume…

Wie pflegt ein Freund von mir zu sagen: „Es gibt nichts schöneres, als mal wieder hemmungslos Sprit abzufackeln!“ (OK, der ging jetzt zu weit) Nun denn, bestimmt ist das Super Plus hier oben fair gehandelt?!

Ich ziehe irgendwann weiter, als einer der Fahrer seinen Hinterreifen mit einem deutlichen Knall in den Gummihimmel befördert hat.

Kurz vor der Grenze zu Frankreich gibt es dann noch einen grossen Supermarkt über zwei Etagen und ich nehme die Gelegenheit wahr, die Vorräte nachzufüllen.

Dabei bewundere ich dann die Auswahl an schottischen Single Malt und bin einerseits über die steuerfreie Preisgestaltung begeistert, andererseits immer noch verärgert über das Platzangebot meiner Seitenkoffer. Wie kriege ich nun die vierundzwanzig fehlenden Sorten meiner Whiskysammlung heil nach Hause? Ich fürchte, meine Spirituosentour muss ich canceln und fahre dann doch lieber runter nach Französien.

Dabei ist auch die Nordseite der Pyrenäen sehr schön und ich versuche, vor allem auf den kleinen und kleinsten Strassen und Wegen zu fahren. Manchmal hilft es wirklich, das Navi zu ignorieren und einfach der Nase sowie der Himmelsrichtung zu folgen.

Dabei wechselt die Vegetation von der eher spanisch-typischen Variante zu den mitteleuropäischen geprägten Waldgebieten. Mir soll es recht sein, solange die Reiseroute solche Gegenden hergibt.

Kleinste Bergstrassen kommen mir da gerade recht, zumal wenn sie entsprechende Bildmotive präsentieren.

Ich vermute hier sind die Kreuzritter seinerzeit aufgebrochen, denn die Kulisse würde sicher passen!

Über Ax-les-Thermes geht es nach Camurac und ich finde das B&B „Moulin d entre les roches“ bei Puivert.

Der Name der Herberge ist zwar etwas komplex, aber das Haus kommt auf meine Top-Ten der fantastischen Unterkünfte.

Ingo als perfekter Gastgeber ist eigentlich Däne und lebte schon in vielen Ländern, ist jetzt aber bereits seit Jahren in Frankreich sesshaft geworden. Früher hatte er einen sehr arbeitsreichen Job mit viel Personalverantwortung. Er spricht perfekt französisch und deutsch und zeigt mir nicht ohne Stolz seine Mühle, die er in den letzten Jahren liebevoll renoviert hat.

Sein Traum war es immer, ein gemütliches B&B aufzubauen und dem Stress und Ärger zu entfliehen und ich kann bestätigen, dass er es echt gut hinbekommen hat.

Es ist schwer zu beschreiben, aber seine Komposition aus gepflegter Unordnung, Vielseitigkeit, gemütlicher Atmosphäre, Vintage und Freundlichkeit passen super zusammen.

Das alte Motorrad hat er irgendwann zufällig gefunden und möchte es restaurieren. Jetzt steht es erst mal in der Scheune und präsentiert sich mir als Fotomotiv.

Wir reden am Abend jedenfalls recht lange über diese Art zu leben und die ganze – häufig überflüssige – Hektik unserer Zeit. Ob das wirklich alles Sinn macht? Weder Ingo noch ich sind uns da sicher…

Und so haben wir einen chilligen Abend mit ein paar Bier und philosophischen Gedanken, während nebenan der Mühlbach rauscht. Mega!

Solltest du jemals in die Nähe kommen, dann versuche hier ein Zimmer zu finden. Auch als Ausgangspunkt für Touren in die Pyrenäen und nach Andorra liegt das Haus ideal und du findest es am einfachsten direkt bei booking.com

Etwas vergleichbar gemütliches, schönes und sauberes dürfte es hier jedenfalls nicht so häufig geben.

Hier hätte ich auch noch ein paar Tage verbringen können, zumal die Gegend jede Menge Möglichkeiten für tolle Motorradtouren bietet, aber ich habe ja auch noch die Cevennen auf meinem Plan.

Daher geht es am nächsten Morgen – zugegeben mit etwas Wehmut – weiter über Limoux, Carcassonne und Mazamet.

Ziemlich schnell ist dann auch wieder die 20 Grad Marke geknackt und der Himmel erstrahlt im wolkenlosen Blau, während ich durch kleinste südfranzösische Dörfer cruise.

Rein vom Fahren ist alles easy: Die Strassen sind frei, die Landschaft ist wunderschön und ich lasse mir von meinem iPhone ganz dezent meine Lieblings-Playlist in das Sena-Headset des Helms spielen.

Das ist die Zeit, in der man die Uhr und sogar den Wochentag vergisst. Ich könnte ewig so fahren, auf leergefegten Strassen in Richtung Horizont. Was für ein Glück, sowas machen zu können. Und ich hoffe gleichzeitig, ich habe noch ein paar weitere Jahre, das alles geniessen zu dürfen.

Weitere Verkehrsteilnehmer finde ich gerade eher selten und wenn, dann sind es auch andere, als ich erwartet hätte.

Bemerkenswert finde ich, dass selbst hier unten, im Süden von Frankreich, überall Gedenksteine für die Getöteten des zweiten Weltkriegs stehen. Und auf nahezu jedem dieser Steine steht ein kleiner Hinweis, wann die dort verewigten Menschen, meist Angehörige der Resistance, von deutschen Soldaten ermordet wurden. Bedrückend!

Irgendwie bin ich angesichts der vielen Mahnmale froh, dass ich hier heute überhaupt unbehelligt Motorrad fahren darf.

Es sind dann immer wieder unzählige Steine, Tafeln und Hinweise an Kirchen und in vollkommen entlegenen Tälern die darauf hinweisen, dass unsere Vorfahren hier nicht eben zimperlich mit dem französischen Widerstand umgegangen sind.

Und da ich sowieso schon vorhatte, irgendwann mal Verdun zu besuchen, wird mir gerade bewusst, dass die Deutschen Frankreich schon zwei Mal überfallen haben.

Hilft es jetzt vielleicht, dass Napoleon vorher schon gegen Preussen zu Felde zog? Nun ja, unsere Vorfahren waren wohl alle keine Kinder von Traurigkeit, oder?!

Mitten im nächsten Ort komme ich dann gegen Mittag an einen kleinen Kreisverkehr und will auf „9 Uhr“ raus, um unter den schönen Bäumen am Dorfplatz anzuhalten und eine Pause einzulegen. Aber ein Auto aus der „12 Uhr Position“ ignoriert mich, fährt einfach ohne anzuhalten in den Kreisel hinein und mir fast ins Motorrad. Ich kann nur in letzter Sekunde und um Zentimeter mit einer haarsträubenden Vollbremsung in Schräglage den Crash verhindern. Und während ich die beiden nordafrikanischen Mittzwanziger in dem BMW noch entsetzt anstarre, legen die gleich los auf französisch rumzupöbeln.

Sagt mal gehts noch? Ich war im Kreisverkehr, hatte Vorfahrt und die machen jetzt den Lauten? Wo bleibt die Entschuldigung?

Ich bin ziemlich sauer und ziehe in Erwägung, unsere Truppen zum dritten Mal einmarschieren zu lassen, aber Military-Uschi hat zur Zeit ja ein paar Schwierigkeiten mit der Einsatzbereitschaft der diversen Waffengattungen. Na gut, dann sind diese Franzosen eben nochmal davongekommen, aber ewig lasse ich denen das nicht durchgehen!

Ich mache dann meine geplante Pause am Dorfplatz und werde mit Stein, Statue und Inschrift abermals ermahnt, mich nicht provozieren zu lassen. Wer weiss, wohin das führt…

Am Ortsausgang ist mein Ärger verflogen und ich finde einen Lidl um meine Vorräte aufzufüllen. Nachdem ich die Einkäufe erledigt habe und wieder am Moped ankomme, steht dort eine Familie und bespricht die Länderaufkleber am Alukoffer der GS. Sie sind aus Deutschland, machen hier Urlaub und wir unterhalten uns eine Weile.

Die Frau will Reise, Route, Beweggründe und Zusammenhänge genau wissen, während ihrem Mann diese Neugier sichtlich unangenehm ist. Aber für mich ist das in Ordnung und ich beantworte gerne ihre Fragen, während der etwa zehnjährige Sohn sehr interessiert und staunend zuhört.

Irgendwann ist sie dann zufrieden und bemerkt: „Überall auf der Autobahn sieht man Harleys auf Anhängern, aber kaum einer fährt lange Strecken noch auf dem Motorrad. Ich dachte gar nicht, dass es das noch gibt…“

Ach ja, die Harley-Fraktion, denke ich mir. Sie schauen gerne grimmig drein und grüssen vorrangig ihresgleichen. Eine manchmal sehr spezielle Klientel. Einige von ihnen glauben vielleicht, nur sie mit ihren Milwaukee-Eisen sind die wahren Motorradfahrer.

Aber ich selbst fühle mich wieder gestärkt und sowohl Hitze als auch Kamikazefranzosen erscheinen schon gar nicht mehr so schlimm. Obwohl: Wie war das doch gleich mit dem senilen Opa an der Cote d’Azur wenige Wochen zuvor…?

Da konzentriere ich mich lieber auf den fantastischen Süden Frankreichs, denn es gibt noch so viel zu entdecken!

Der „Nationalpark Languedoc“ empfängt mich. Und mit ihm schnuckelige Dörfer, erfrischende Flusstäler und mittelalterliche Gemäuer. Hier ist alles wie gemalt und man muss sich ab und zu kneifen, um zu realisieren, dass man nicht träumt.

Schattige Restaurants laden zum Pause machen ein und wenn es hier Abend und etwas geselliger wäre, ich denke man könnte prima bei einem Glas Weisswein (oder zwei) versacken. Jetzt wäre ich wieder gerne zu zweit, dritt, viert unterwegs…

Empfehlen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich die geniale Strecke von Nant nach Meyrueis und die Grandes Gorges de la Dourbie.

Rein fahrerisch ist das alles insofern anspruchsvoll, dass man sich zwingend muss, auf die Strasse zu achten und das ist angesichts der Umgebung wirklich schwer. Mehrmals erwische ich mich dabei, meinen Fahrweg aus den Augen zu verlieren, weil es links und rechts einfach viel spannender ist.

Spektakulär finde ich Cantobre, einen kleinen Ort oben auf dem Fels, wo die Häuser aussehen, als müsste man sie jeden Abend mit Zement nochmal gegen den Absturz sichern.

Jetzt hätte ich gerne Carola hier, denn ich weiss sicher, diese Ecke wäre ganz genau nach ihrem Geschmack. Manchmal ist es auch schade, wenn man alleine fährt und das nicht teilen kann und jetzt ist mir so.

Wenige Kilometer weiter führt mich mein Navi durch den Wald. An einer Gabelung soll ich rechts fahren, der ganz gut ausgebauten kleinen Strasse entlang, aber ich sehe im Vorbeifahren das Schild „Route dangereuse“.

Hmm! Wer fährt denn bitte eine normale Strasse vierter Ordnung, wenn man auch eine echte Männerstrecke haben kann?

Also drehe ich schnell um und schaue mir die verlockende Alternativroute an. Dass mein Navi hier keine belastbare Auskunft zu Ziel und Route geben kann, macht es nur noch spannender. Jedenfalls fahre ich dann eine haarsträubend enge, verwinkelte und dreckige Piste hinauf durch den Wald und mache mir zu dieser Jahreszeit gleichzeitig wenig Sorgen um die mittels Warntafel angekündigte „Verglas“ (Vereiste Fahrbahn).

Es geht dann über einen schroffen Bergkamm und auf der anderen Seite finde ich irgendwann auch wieder eine normale Strasse, wenn auch manchmal bedrohlich schmal.

Aber nicht, dass hier der Himmel zu Ende wäre. Die Landschaft scheint, als wolle sie hinter jeder Biegung eine Steigerung präsentieren.

Ich war wohl einfach zu oberflächlich und habe Languedoc und Cevennen vorab nicht sorgfältig literarisch erkundet. Hätte ich es getan, meine Vorfreude wäre gross gewesen. So bin ich schlicht überwältigt von der fantastischen Gegend.

Heute mache ich dann eine Reihe von Fotos, die sicherlich später im Album für unsere Enkelkinder landen werden!

Also schaut liebe Kinder: Das da links ist ein Motorrad, es fuhr mit fossilen Brennstoffen und ich habe es über Jahre selbst bewegt, ganz ohne Computer. Einige von uns haben das damals sogar überlebt. Es besass auch schon eine Batterie, aber die diente nur zum Starten des Viertakters. Und wenn du auf die Schnauze geflogen bist, konntest du es nicht auf die KI schieben, du warst meistens ganz allein der Depp!

Ach, ich sehe schon die leuchtenden, staunenden Kinderaugen, während ich im Schaukelstuhl die Märchen von Eurostabilität, Elektromobilität und Dublin III erzähle. (Ich schweife ab…)

Zurück zur Etappe. Das Languedoc ist einsam und abwechslungsreich. Entweder es geht spektakulär durchs Gebirge oder entspannt ins Feld.

Oben auf einem Plateau entdecke ich dann sogar einen Sportflugplatz mit Graspiste, auf dem gerade ein Segelflieger nach oben geschleppt wird. Dabei fällt mir ein, dass ich auch mal wieder ein paar Stunden bräuchte, aber im Moment fahre ich so gerne Motorrad.

Dann geht es für mich gefühlt übergangslos in die Cevennen und was soll ich sagen, das ist ebenfalls Weltklasse!

Südlich von Florac fahre ich eine gleichfalls spektakuläre Serpentinenstrasse in den Ort hinunter, natürlich nicht ohne Fotostopps alle 200 Meter!

Aber bergab am Hang, kurz vor dem Ort, wird meine Fahrt von einer Baustelle gestoppt. Da war vorher auch kein Hinweisschild oder eine Strassensperre, jedenfalls hatte ich nichts dergleichen gesehen. So stehe ich dann vor einem Bagger und schaue verwundert.

Der Mann in dem Arbeitsgerät geht jedenfalls vollkommen vertieft seiner Arbeit nach. Irgendwann schaut er den Berg hinauf und sieht mich stehen, fährt dann in aller Ruhe ein paar Meter bergab und lässt mich passieren. In Deutschland eher undenkbar. Dort hätten sie die Strassen voll gesperrt mit Absperrgittern und Schildern, so für acht Monate, um dann ein halbes Jahr immer an ungeraden Montagen im Schaltjahr zwei diskutierende Männer mit Schippe hinzustellen…

Ich bin dann ganz froh, dass ich keinen Umweg fahren muss, denn mein Navi verspricht mir eine Tankstelle im Ort, die ich wirklich gut gebrauchen kann.

Diesmal ist es wieder eine meiner am liebsten gehassten Automatentankstellen und mir bleibt nichts übrig, als es zu probieren, denn eine Alternative ist weit und breit nicht zu finden. Wenigstens erhalte ich mit der Kreditkarte eine Füllung Super Plus und bin happy.

Aber nur, solange bis ich ein paar Meter aus dem Ort im Tal herausgefahren bin und den nächsten Berg erklimme. Ein rot leuchtendes Warndreieck erscheint im Display meiner GSA. Unmöglich, denke ich zunächst. Alles fühlte sich gerade noch so gut an, aber der Reifendrucksensor meldet bedenkliche 1.6 bar an der Vorderachse. Wir kann das sein?

Ich fahre daher lieber mal vorsichtig an die Seite und stelle das Motorrad am Strassenrand unter einem schattenspendenden Baum ab.

Nach dem Aufbocken auf den Hauptständer checke ich das Vorderrad und siehe da: Dort steckt doch tatsächlich eine Schraube im Profil. „Trust your instruments!“ hat mein Fluglehrer mir mal beigebracht, daran muss ich jetzt irgendwie denken.

Na fein, denke ich mir. Jetzt wird sich zeigen ob das Reparaturset im Koffer etwas taugt. Also alles abgerödelt und Werkzeugrolle nebst Flickset ausgepackt.

Mit einem Multitool habe ich den Übeltäter ziemlich schnell entfernt und unter hörbarem Zischen entweicht nun auch die restliche Luft aus dem Reifen. Drecksteil, denke ich mir. Können die Franzosen ihre Spaxschrauben nicht anderswo deponieren?

Aber immerhin komme ich jetzt dazu, meine Reparaturkünste auszuprobieren. Bisher hatte ich dazu erst ein Mal die Gelegenheit beim Wechsel einer H7-Birne auf dem Weg in den Vogesen im letzten Jahr. Nicht gerade eine Herausforderung (Wobei einem BMW den Lampentausch nicht einfach macht!)

Jetzt darf ich den Reifen zunächst mal bearbeiten und die Schadstelle mit der Reifenfeile reinigen. (Es heisst „reinigen“, macht jedoch eher den Eindruck einer Reifen-Komplettzerstörung!) Aber ok, wenn es so sein soll…

Ich vertraue einfach mal der Anleitung und gehorche brav der Beschreibung. Wirklich vertrauenserweckend wirkt die Feile im Rad jedenfalls nicht…

Jetzt kommt der Teil, bei dem man mit der Ahle eine dieser Gummiwürste in den Reifen stopft. Ich gebe dann noch etwas von dem Klebegel aus der beiliegenden Tube hinzu. Das Ergebnis sieht wahrlich nicht schön aus. Also mal schauen ob es hält?!

Das ist eine wunderbare Gelegenheit, meine neueste Errungenschaft auszuprobieren: Eine nagelneue „Lezyne Micro Floor Drive HVG“ oder für die Kulturbanausen: Luftpumpe! Federleichte 260 Gramm wiegt dieses edle Teil und kann sowohl Fahrradreifen aufpumpen, als auch Autoreifen. Das Adapterstück muss dazu einfach nur umgesteckt werden. Laut Hersteller sind bis zu 6 bar Druck damit realisierbar!

Während ich nun das Vorderrad wieder aufpumpe, horche ich immer wieder ob Luft entweicht. Aber alles sieht gut aus und schon nach kurzer Zeit checke ich den Druck im Display: 2.6 bar. Das ging doch wirklich prima.

Die ganze Aktion hat mich nur etwa 20 Minuten gekostet und ich kann ohne fremde Hilfe weiterfahren.

Da es nun aber auch schon später Nachmittag ist, suche ich mir das nächste B&B und werde in dem kleinen Örtchen „Marvejols“ fündig. Manchmal ist es eben ein grosser Vorteil, wenn man spontan umentscheiden kann und nichts vorgebucht hat.

Unten am Fluss, inmitten von alten schattigen Bäumen, fühle ich mich in dem sehr feinen „Le Manoir de l’Esplanade“ pudelwohl. Den Pool in dem riesigen Garten darf ich auch nutzen, was angesichts der extrem heissen Fahrtage jetzt mal eine echte Erfrischung darstellt.

Wenige Meter weiter finde ich zudem einen Supermarkt und decke mich wieder mit Essbarem, Wasser für den nächsten Tag und einem kühlen Bier für den Abend ein. Danach setze ich mich in den Garten unter einen Baum, höre zwitschernden Vögeln zu und geniesse den Beginn einer ruhigen, lauen Sommernacht. Perfekt!

Mein Zimmer hat eine tolle Aussicht und es sieht eher aus wie in einem Schloss. Der Boden knarzt herrlich und das alte, aber sehr saubere und grosse Bad sorgt für meine ausgesprochene Zufriedenheit. Ich haue mich aufs Bett, schliesse die Augen und schlafe wie ein Stein.

Am nächsten Morgen geht es dann mal über die Autobahn. Heute will ich Strecke machen und nicht rumbummeln. Mein Weg führt mich in Richtung Norden, aber immerhin nehme ich noch das Garabit-Viadukt mit, welches von einem gewissen „Gustave Eiffel“ vor über einhundert Jahren erbaut wurde. Es erinnert zwar nicht wirklich an den Eiffel-Turm in Paris, aber ein Foto ist es allemal wert.

Irgendwann muss ich wieder tanken und fahre an eine Raststätte. Nachdem ich bis zum Rand aufgefüllt habe, stelle ich das Motorrad etwas abseits auf einen Parkplatz, weil ich auch noch etwas essen und trinken muss und mir eine Pause gönnen möchte.

Während ich mich dann mit meinen Vorräten beschäftige, hält direkt links neben mir ein nagelneuer, rechtsgelenkter Porsche 911 Cabrio und es steigt ein britisches Päärchen aus: Er etwas zu klein geraten, sie dafür etwas zu füllig.

Sie will jedenfalls zur Toilette und fragt ihn, ob er mitkommt. Er schaut dann etwas besorgt zu mir, meinem Motorrad, wendet sich wieder seiner Frau zu und antwortet ihr dann: „No, i better stay at the car“ so als ob ich seinem Auto etwas antun könnte.

Was für ein Spinner denke ich mir und will mich rächen, weiss aber noch nicht so richtig wie ich das anstellen soll. Na gut, er hat vielleicht den neueren Porsche, nicht aber die hübschere Frau (Auto alleine hilft eben auch nicht…)

Also schaue ich mir die Szene erstmal in Ruhe an, während er mir den Rücken zudreht und an seiner E-Zigarrette zieht. Ich denke, es wäre vielleicht gut, ihn zunächst in Sicherheit zu wiegen und einem unverfänglichen Smalltalk können die „Tommies“ ja meistens nicht widerstehen, wer weiss wohin das führt.

Also werfe ich zunächst ein „I like the color…“ in den Raum. (Er hat den 911er in dunkelrot gewählt und ich mag es nicht besonders, aber das ist jetzt erstmal egal…)

Oh, da freut er sich aber, geht tatsächlich etwas auf mich zu und fängt auch sofort an, mir die Geschichte seiner Farbwahl und seiner gesamten 911er Fahrzeughistorie zu erzählen. Prima, denke ich mir, er gewöhnt sich an mich und ich bemerke noch kurz „I own a Cayman…“ was er sowohl etwas mitleidig, als auch arrogant übergeht. Ich bleibe trotzdem ruhig, denn irgendwie bin ich mir seltsam sicher, dass meine Zeit naht!

Dann kommt seine Gattin wieder zurück und ich frage ihn, woher sie kommen, was er mit „London, Britain“ beantwortet. Idiot, denke ich und habe dabei wohl leicht enttäuscht geschaut, denn sie hat meine Frage besser verstanden und präzisiert schnell auf „Formula One Grand Prix in Le Castellet“. Der Hellste scheint er ja nicht zu sein, im Gegensatz zu seiner Frau.

Sie fragen dann nach meinem Startpunkt und ich antworte wahrheitsgemäss „Andalucia“ auf ihre Frage, was sie ungläubig mit „All the way on the bike???“ quittiert. (Yep, ist halt nichts für Pussies!)

Manchmal muss man einfach nur etwas Geduld haben, das Spielchen geht so weiter und dann haut er es endlich raus: „I drive a bike as well and we travel to Faaker Lake in Austria every year.“

Sauber, denke ich mir, ein Harleyfahrer und mir fällt die deutsche Familie vom Supermarkt wieder ein. Jetzt ist er fällig, also haue ich es raus:

„But i can`t see a hook at your car?!“ (Teffer und versenkt!)

Während er schaut, als ob ich ihm gerade in die Kronjuwelen getreten habe, verkippt seine Gattin vor Lachen fast ihren Getränkebecher. Er ist einfach nicht schlagfertig genug um zu kontern und ich geniesse es, ihn mit dummem Gesicht und spottender Lady stehen zu lassen, verabschiede mich dann höflich und hochzufrieden, nicht ohne den Versuch, mein breitestes Grinsen unter dem Helm zu verbergen.

Ach, es ist immer wieder schön zu reisen und sich mit fremden Kulturen auszutauschen!

Mein nächster geplanter Stopp ist Verdun. Hier haben sich Deutsche und Franzosen ja reichlich geprügelt und ich wollte dieses beeindruckende Mahnmal schon lange besuchen. Heute soll es nun soweit sein, denn es ist kaum ein Umweg.

Zunächst fahre ich durch den Wald nördlich von Verdun und zur riesigen Halle, die recht beeindruckend auf dem grossen Hügel thront, wobei die Form des Turms etwas, wie soll ich sagen, „interpretationsbedürftig“ daherkommt?

An seinem Fusse stehen die unzähligen Kreuze und ich befürchte, dass sie nur einen Bruchteil der hier gefallenen Soldaten repräsentieren.

Etwa 1500 Meter abseits, nordöstlich im Wald liegt dann das Fort de Douaumont, welches immer wieder Schauplatz der gegenseitigen, verlustreichen Eroberungsversuche war.

Ich kann nicht anders als einfach umher zulaufen und die Stille aufzunehmen. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts hat es hier jedenfalls heftigst gescheppert und das kann man auch auf jedem Meter um und auf dem alten Fort erkennen.

Das Motorrad lasse ich in der brennenden Nachmittagssonne stehen und laufe dann noch etwas durch den Wald. Und egal wohin man geht, überall sind noch sehr deutlich die vielen Schützengräben zu sehen, die von den unendlichen und zermürbenden Kämpfen zeugen. Was für ein Irrsinn!

Ich übernachte dann in der Nähe und am nächsten Tag geht es noch etwas in der Gegend umher, die ich nördlich von Verdun allerdings dann nicht weiter bemerkenswert finde.

Luxemburg ist dann schon eher wieder meine bevorzugte Landschaft, nur der dichte Verkehr nervt etwas. Bei Wasserbillig betrete – sorry „befahre“ – ich dann wieder deutschen Boden und übernachte in irgendeinem Hotel auf dem Weg, nah an der Mosel. Weiter geht es über Trier in Richtung Eifel. Ich spiele mit dem Navi mal „kürzeste Route“ durch, was ja manchmal durchaus lustige Konstellationen hervorruft.

Da der Nürburgring auf dem Weg liegt, mache ich einen Abstecher und schaue nach langer Zeit mal wieder da vorbei, wo ich sieben Jahre Langstreckenrennen fahren durfte.

Ach, war das damals eine schöne Zeit, jedenfalls so lange bis Sozi-Banause Kurt Beck und seine Komplizen Deubel und Kafitz den ganzen Laden mit Ansage gegen die Wand gefahren haben. Das kommt dabei raus, wenn man keine Ahnung hat, mangels Alternativen in die Politik geht und dort nach Herzenslust Steuergelder verschwenden darf. Die tolle Achterbahn auf dem Bild war übrigens nie in Betrieb und der ganze Irrsinn hat für den Steuerzahler etwa 500 Millionen Euro Schaden verursacht.

Deubel und Kafitz gingen ins Gefängnis, Beck hingegen spaziert als Pensionär noch immer finanziert von Geld ehrlicher Menschen in der bundesdeutschen Öffentlichkeit umher. Damals dachte ich noch, mehr Schaden kann man gar nicht anrichten. Und dann kam Angela Merkel…

Gott sei dank haben sie damals die Nordschleife nicht angefasst. Ich fahre daher zum Brünnchen, schaue mir eine Stunde lang in Ruhe die Testfahrten diverser Autohersteller an und denke wehmütig an unsere Zeiten in der VLN und beim 24-Stunden-Rennen zurück.

Da der Tag aber viel zu schön ist um mich über die vielen unfähigen Politiker zu ärgern, suche ich mir lieber wieder kleine Eifelstrassen in Richtung Radioteleskop Effelsberg.

Auch dieses technische Wunderwerk wollte ich mir immer schon mal live ansehen. Oben am Parkplatz stelle ich das Motorrad ab und laufe die etwa 800 Meter hinunter bis ins Tal.

Sein Smartphone sollte man übrigens oben schon abschalten, um die Messergebnisse nicht zu stören. Das Radioteleskop ist zwar riesig, aber auch extrem empfindlich.

Als ich unten bin, habe ich Glück: Sie drehen das Teil sogar um einige Grad auf den runden Schienen und das ist schon ziemlich spektakulär anzusehen.

Dann noch eine kühle Coke am „Imbiss Radioteleskop“ und es geht die letzten Kilometer zurück nach Hause ins Münsterland.

Nach über drei Wochen und 6500 Kilometern komme ich schliesslich am späten Nachmittag an. Und da es hier im Sommer 2018 kein Grad kühler ist als in Andalusien, bin ich fix und fertig.

Aber schön wars, einfach nur genial. Ein Mal quer runter an den Südwestzipfel Europas und Retour.

Allerdings: Beim nächsten Besuch da unten nehme ich wohl wieder den Flieger. Denn dort liegt Marokko vor der Haustür und da muss ich unbedingt noch hin, am besten gleich kommenden Monat. Aber das ist eine andere Geschichte!

Was mir sonst noch aufgefallen ist:
Mittlerweile habe ich mich auch an das allein Reisen gewöhnt und komme ganz gut damit klar. Zu zweit oder in einer geselligen Gruppe ist es trotzdem unterhaltsamer

Höchste Temperatur: 39 Grad Celsius bei Valencia.

Gefahrene Strecke: 6.547 Kilometer (Hin- und Rückreise)

Reisezeit: Juni 2018

Schäden/Verluste: Ein Plattfuss am Vorderrad in Südfrankreich (Mein erster…)

Klima: Der extrem heisse und trockene Sommer 2018 in ganz Europa fühlte sich auf dem Motorrad noch schlimmer an.

Internet: Mein mobiler Hotspot hat sich in E und F bestens bewährt! In D besteht Mobilfunk dabei immer noch hauptsächlich aus Löchern…

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2 Kommentare

  1. Uwe 20/01/2019

    Schöne Story und ich bin die Strecke sehr ähnlich im Juni auch gefahren – nur andersrum vom Rheinland in und durch die Pyrenäen. Dann aber über die Route de Cretes und die Seealpen zurück

  2. Maxmoto 27/11/2019

    Servus Ebee,
    ich hab beim Lesen fast Gänsehaut bekommen.
    Weißt, so ziemlich kenne ich die Strecken, die Du gefahren bist, aber in Verdun, dem Nürburgring und dem Radioteleskop wr ich nicht nie.
    Frankreich hat seinen eigenen Charme und ist immer eine Reise wert, aber, zum entspannten Mopedfahren auf großartigen Straßen (Teer- oder Naturstraßen) ist, vor allem des geringen Verkehrsaufkommens wegen, für mich Spanien unschlagbar (zumindest in Westeuropa).
    Ich glaube, da haben wir was gemeinsam.
    Vielen Dank für’s Mitfahren dürfen.
    Maxmoto

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