Nachdem der lange und sehr warme Sommer 2018 dann doch noch irgendwann zu Ende war, konnte ich Detlef dazu überreden, ein paar schöne Motorradtage in den Sierras von Andalusien zu verbringen. Daher buche ich zwei Ryanair-Flüge von Düsseldorf nach Malaga und wir freuen uns auf vier tolle Fahrtage zum Ausklang des Motorradjahres 2018.
Ende November habe ich fünf Wochen Dauereinsatz in der gesamten Bundesrepublik hinter mir und kann keine Hotelzimmer mehr sehen. Als ich dann am späten Vorabend unseres Abflugs von einer langen Seminarwoche aus Berlin zurückkomme, fällt mir das frühe Aufstehen am Samstagmorgen mit der Aussicht auf die Costa del Sol überhaupt nicht schwer.
Die Wettervorhersage verspricht viel Gutes: Temperaturen um die 20 Grad und viel Sonne sollen uns erwarten. Wir landen dann tatsächlich bei 20 Grad und strahlend blauem Himmel in Malaga und fahren zunächst etwa 10 Minuten östlich zu „Siggis Bikes“ um die vorab reservierte BMW 1200 GS für Detlef in Empfang zu nehmen.
Danach geht es in Richtung Osten, wo wir eine knappe Stunde später bei uns am Haus ankommen und nach ein paar Einkäufen und dem Abladen des Gepäcks eine erste Nachmittagsrunde drehen.
Ich präsentiere unsere Umgebung mit dem erhabenen Blick aus 500 Metern Höhe auf die Sierra Tejeda auf der einen und das Mittelmeer mit der Costa del Sol auf der anderen Seite.
Erste Erkenntnis meines Gastes: Hier ist tatsächlich noch Sommer, jedenfalls aus mitteleuropäischer Sicht. Dazu sind die Berge höher, die Menschen entspannter und die Gegend viel schöner als erwartet.
Über uns kreist am späten Nachmittag dann noch der Paraglider am blauen Himmel…
… während wir später am Abend nur noch die Lichter des Trubels sehen. So kann man den Start in ein paar Motorradtage schon mal geniessen.
Für die kommenden Tage habe ich uns ein schönes Motorradprogramm zusammengestellt. Zunächst soll es im Uhrzeigersinn um die Sierra Tejeda gehen, dann in Richtung Ronda und in die Berge nördlich von Malaga.
Die Sierra de Tejeda liegt ja direkt vor meiner Haustür und ich hatte schon im Sommer die Idee, das zweitausend Meter hohe Gebirgsmassiv zu umrunden.
Leider hatte die Sperrung einer wesentlichen Bergstrasse dies seinerzeit zunächst verhindert. Wir fahren die Strecke heute dann im Uhrzeigersinn über die Orte Canillas de Aceituno, Alfarnate, Zafarraya, Arenas del Rey, Otivar und zurück über Nerja.
Schon die wilden Felsformationen bei Alfarnate versetzen Detlef in Hochstimmung. Er ist von Beginn an beeindruckt von der Landschaft und ich realisiere wieder, dass Andalusien für viele noch ein weitgehend unbekanntes Terrain darstellt.
Habe ich mich nach dem ersten Jahr bereits an die Gegend gewöhnt, realisiere ich erneut das Aha-Erlebnis von Freunden, wenn sie das Land zum ersten Mal live erleben, merke gleichzeitig aber auch an mir selbst, dass es mir hier besser geht als im gefühlt immer stressiger werdenden Deutschland.
Eines unserer frühen Highlights heute ist der Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Wir würden am liebsten direkt hinfahren, haben im Moment aber noch ein etwas weniger ambitioniertes Programm auf unserem Plan.
Immerhin haben wir durchgängig Glück mit dem Wetter. Nachdem es die vergangenen Wochen sehr viel geregnet hatte, treffen wir eine komplette Sonnenwoche.
Highlight des Tages ist heute die Abfahrt am späten Nachmittag von 1200 Metern nördlich von Otivar in Richtung Mittelmeer.
Der Tag ist so klar, dass wir am Horizont deutlich die Berge des Rif-Gebirges in Marokko sehen können. Wermutstropfen ist heute nur ein wirklich blödes Missgeschick von mir, bei dem ich die besten Fotos des Tages in den Digitalhimmel befördert habe. So ein Mist, denn jetzt muss ich die ganze Tour irgendwann nochmal fahren…
Unser zweiter Tag soll uns heute nach Ronda führen. Die wirklich schöne historische Stadt mit der bekannten Steinbrücke liegt schon recht weit westlich von uns und wir fahren zunächst die Küstenstrasse bis hinter Marbella, bevor wir uns auf der A-397 in nördlicher Richtung ins Kurvengetümmel stürzen.
Marbella habe ich übrigens bis heute nicht verstanden. Die Küste ist vollkommen zugebaut und – freundlich ausgedrückt – „wuselig“. Warum Menschen für ein Haus in dieser Gegend Millionen ausgeben erschliesst sich mir nicht, aber vielleicht erklärt es mir jemand, wenn ich mal gross bin?!
Zurück zum Wesentlichen: Uns gehts gut auf dem Weg nach Ronda und wir treffen zwischendurch noch auf ein tschechisches Touristenpaar, dessen männlicher Teil uns am liebsten das Motorrad wegnehmen würde. Irgendwie hatte er beim Reiseantritt im Mietwagen wohl auch nicht mit so einem tollen Motorradland gerechnet und beneidet uns jetzt für alles.
Wir erreichen Ronda, den touristischen, aber deshalb nicht weniger sehenswerten Ort dann am frühen Nachmittag und nutzen den Schatten der Parkanlagen für eine Stärkung.
Ein spanischer Metzger versorgt uns mit einer imposanten Komposition aus Mais-Fladenbrot mit Schinken- und Salamikombination. Bombig in jeder Hinsicht und für die vier Euro haben wir erhebliche Schwierigkeiten, die Mahlzeit überhaupt zu schaffen.
Wir stapfen dann so durch die historische Altstadt und natürlich auch über die im 18. Jahrhundert erbaute und spektakuläre Brücke „Puente Nuevo“ die eine 120 Meter tiefe Schlucht überspannt.
Und egal wohin man nun blickt, überall bieten sich unfassbare, spektakuläre Aussichten!
Ebenso wenig fehlen darf natürlich das obligatorische Foto vor der Stierkampfarena, von denen sich in Ronda auf jeden Fall eine der bekannteren befindet.
Jetzt realisiere ich auch mal wieder die Vorteile des Reisens zu zweit. Endlich muss ich mal nicht alle Fotos selbst machen und bin dann auch auf Bildern zu sehen. Nicht das mir das wichtig wäre, aber zwischendurch ist das ja auch mal nett.
Mittlerweile sind es 25 Grad Celsius und an einen solchen Dezemberanfang muss man sich – zugegeben nicht sehr mühsam – gewöhnen, vor allem bei dieser städtischen Weihnachtsdeko im andalusischen Spätsommer-Advent.
Detlef erzähle ich währenddessen schon von der Traumstrasse A-366 von Ronda nach El Burgo. Als wir aber am Ortsrand von Ronda auf die Route einbiegen, wird unsere Fahrt von einer Vollsperrung gestoppt.
Ich kann es nicht glauben. Wieso muss ausgerechnet heute genau diese Strasse gesperrt sein? Wir überlegen kurz und versuchen es einfach mal querfeldein. Wozu hat man denn eine GS?! Nach etwa drei Kilometern auf einer üblen Feldpiste kommt uns ein Spanier entgegen und ich frage ihn, ob der Weg uns überhaupt wieder auf die Strasse führt. Er bejaht dies, weist mich aber auch darauf hin, dass die Strasse nach El Burgo danach immer noch gesperrt ist.
Nach einigen Kilometern kommen wir dann wieder auf die A-366 und mir schwant tatsächlich böses. Kein Fahrzeug weit und breit, dafür viel frisch geteerter Asphalt. Ich befürchte, sie machen die komplette Strecke neu und wir werden wohl bald gestoppt.
So ist es dann auch. Schon nach weiteren etwa vier Kilometern stehen die Baufahrzeuge und Menschen und Maschinen verhindern die Weiterfahrt. Aber ich denke, es kann nicht schaden, mal freundlich zu fragen. Mit meinem zwischenzeitlich angeeigneten VHS-Spanisch erbitte ich bei einem der Arbeiter die Passage. Die vorsichtig-freundliche Art hat im Sommer in Marokko schon mal geklappt und wieso sollte das hier nicht auch funktionieren?!
Zu unserer Freude winkt uns der Mann in der Planierraupe dann auch wirklich durch und wir dürfen die frisch asphaltierte Strasse in Richtung El Burgo fahren, komplett und exklusiv für uns alleine!
Die Kurzversion: Motorradhimmel! Die Langversion: Aalglatter, frischer Asphalt in einer vollkommen einsamen Felslandschaft mit Filmkulisse bei Traumwetter.
Wir sind beide wirklich begeistert und nutzen die Fahrt für reichlich Unsinn und Blödeleien.
Als wir die Baustelle dann irgendwann passiert haben, machen wir am Rande des Nationalparks halt und besuchen noch ein recht eindrucksvolles Denkmal mit fantastischem Blick über die Sierras.
Über Coin geht es dann in schnellerer Fahrt wieder östlich in Richtung Malaga.
Was für ein toller Tag. Die Sonne lacht zehn Stunden vom wolkenlosen Himmel und am Abend geniessen wir am Haus noch den glutroten Sonnenuntergang. Perfekt!
Tag drei wird dann schon unser letzter Tag und der beginnt mit einer Offroad-Strecke, die ich vor ein paar Monaten mal ausprobiert habe. Es geht über einen reinen GS-Parcours: Schotter, Sand, Buckelpiste. Asphalt kann jeder, aber hier will ich ganz bewusst den Tag mit zünftigem Endurofeeling beginnen.
Und das funktioniert hervorragend. Wir stoppen immer wieder um die einsamen Täler und verlassenen Bauernhäuser zu bewundern.
Zwischendurch fangen wir ein paar staubige Impressionen in der aufgehenden Sonne ein und geniessen die Freiheit unserer Geländemaschinen, abseits aller mitteleuropäischen Restriktionen.
An einer Talsenke hat sich der Bach vom Sommer nach den vielen Regenfällen der vergangenen Wochen in einen kleinen Fluss verwandelt. Aber hier käme niemand auf die Idee deshalb gleich eine Brücke zu bauen. Etwas Beton reicht völlig und man durchfährt die Stelle einfach. Wer hier lang kommt, sollte eben geländegängig vorbereitet sein.
Nun bietet sich die Gelegenheit, den Staub der vergangenen Kilometer auf „natürliche Weise“ abzuwaschen. Herrlich!
Detlef ist mittlerweile komplett infiziert von Andalusien. Heute habe ich ihn soweit: Land, Leute, Klima und Freizeitmöglichkeiten, gepaart mit der Leichtigkeit des Lebens haben ihn überzeugt und er versteht nun, warum wir uns hier mit einem Zweitwohnsitz niedergelassen haben.
Als passionierter Segler fragt er dann nach einem Yachthafen und ich präsentiere ihm 30 Minuten später prompt noch den „Puerto de la Caleta de Vélez“. Wenn hier überhaupt noch ein weiterer Tropfen zum Überlaufen des andalusischen Freudefasses nötig war, hier liegt er in Form von Katamaranen, Segel- und Motorbooten vor seiner Nase.
Zwischendurch senden wir noch einen Videogruss mit herrlich schief gesungenem „Happy Birthday“ an unseren Kumpel Rolf ins winterliche Deutschland und ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Botschaft aus dem Sattel unserer Motorräder nun ein Gruss oder eine Gemeinheit war. Wir hätten ihn ja mitgenommen, aber er entschied sich fürs Arbeiten… Sorry Rolf!
Nun denn, wir haben noch ein Tages-Restprogramm abzuarbeiten und kurven wieder in Richtung Malaga, um auf der A-7000 die Montes de Málaga zu entern. Schnell geht es wieder von Meereshöhe bis auf 1.000 Meter hinauf und wir halten an einem ebenso baufälligen, wie gemütlichen Restaurant hoch über der Stadt. Die Sonne brennt trotz dem nahenden Jahresende immer noch heftig und wir stärken uns bei einem traumhaften Blick auf das Mittelmeer.
Normalerweise mache ich keine Nahrungsmittel-Fotos, aber hier staunt Detlef gerade über einen „kleinen“ Salat des Hauses für 3,60 EUR. Spanien ist wahrlich kein teures Land!
Wir fahren dann noch hoch bis nach Colmenar um nach ein paar haarsträubenden Gassen in Casabermeja den Einstieg in die sehr kleine und sehr einsame MA-3101 zu finden.
Diese Bergstrasse wurde wohl gebaut um zu beweisen, dass man eine Strasse planen kann, die kein einziges Stück Gerade enthält. Ja, es gibt wirklich Routen auf denen man froh ist, wenn nach einer Kurve keine weitere folgt.
Leider müssen wir irgendwann Detlefs Leihmaschine zurückbringen. Kurz vor Malaga erreichen wir im Ortsteil „Ciudad Jardin“ die Autobahn, die uns dann nach Alhaurin de la Torre bringt. Nieco von Siggis Bikes bzw. TWT Motor empfängt uns schon und nimmt ein wirklich verdrecktes Motorrad entgegen, nicht ohne die fröhliche Bemerkung, dass wir offenbar sehr viel Spass hatten. Wohl wahr!
Zurück am Haus müssen wir leider schon wieder packen und ich wasche noch schnell meine GSA bevor ich sie wieder wegstelle, aber nur um hier schnellstmöglich wieder loszubrausen. Gut 9.000 Kilometer bin ich mit ihr in diesem Jahr gefahren und dabei habe ich sie erst im April bekommen. GSA Nummer Eins in Deutschland hat dieses Jahr 12.000 Kilometer geschafft, also war ich auch 2018 nicht faul. Beide Motorräder hatten übrigens keinerlei Probleme, abgesehen von einem Reifenschaden in Frankreich, aber dafür konnte die Maschine nichts. Der Spassfaktor mit den beiden: Unermesslich!
Den Rückflug nutzen wir dann noch bei maximaler Bequemlichkeit, während wir die vergangenen Tage Revue passieren lassen und ich den knapp dreistündigen Flug bereits für das Tippen des Reiseberichts nutze.
Detlef ist sicher, dass er wiederkommt nach Andalusien. Na und ich ja sowieso…
Pit 08/12/2018
Schöner Reisebericht
Macht Lust auf mehr und natürlich Spanien im Deutschen Winter